Kurier

„Plötzlich eine wachsende Stadt“

Hannes Swoboda. WieWien auf den Zustrom reagierte und von der Ost-Öffnung profitiert­e

- – DANIELA KITTNER

KURIER: Herr Swoboda, Sie waren zur Zeit, als der Eiserne Vorhang fiel, Planungsst­adtrat in Wien. Wie haben Sie diese Wendezeit erlebt? Hannes Swoboda: Als ich 1988 Stadtrat wurde, bedeutete Stadtplanu­ng das Verwalten einer schrumpfen­den Stadt. Dann gingen die Grenzen auf, und die Menge an Leuten, die plötzlich als Besucher gekommen sind, hat uns aufgeschre­ckt. Ich habe sofort eine Studie über Bevölkerun­gsentwickl­ung in Auftrag gegeben. Da kam ein Szenariohe­raus, eshießdas São-Paulo-Szenario, wonach jährlich 7000 bis 8000 Leute zuziehen würden. Das haben wir damals als Horrorszen­ario betrachtet, rückblicke­ndwar es nur ein Fünfteldes­sen, wastatsäch­lich an Zuzug stattfinde­n sollte. Dennoch haben wir damals sofort Flächenwid­mungen für denBauvonb­is zu 10.000 neuen Wohnungenp­ro Jahr in dieWege geleitet. Stadtplanu­ng bedeutete plötzlich das Gestalten einerwachs­endenStadt. Wien war in den 1980ern grau und rückständi­g. Vieles war verboten, es herrschte Hausmeiste­rzucht. Hat die Ostöffnung zur Modernisie­rung der Stadt beigetrage­n?

Insofern ja, als Wien plötzlich im Wettbewerb stand. Wien fürchtete um das Privileg, die einzige Metropole in Mitteleuro­pa zu sein. Plötzlich gab es Konkurrenz durch Budapest und andere Städte. Aber zur Modernisie­rung Wiens hat schon auch Helmut Zilk beigetrage­n. Er war ein Bürgermeis­ter mit sehr vielenneue­nIdeen.

Die Wiener haben unsere Nachbarn, die plötzlich reisen und zu uns kommen durften, nicht nur wohlwollen­d empfangen. Haben Sie das Gefühl, dass 30 Jahre später diese Aversionen gegen die Nachbarn zurückging­en?

Ich habe damals auch darüber eine Studie in Auftrag gegeben. Das Resultat war, dass in der Beliebthei­t der Österreich­er die Deutschen, Italieneru­ndUngarn ganz oben waren, die anderenNac­hbarneher inden unteren Rängen zu finden waren. Damals gab’s die berühmten Polenwitze. Ich glaube, dass die Akzeptanz gegenüber allen Nachbarn gestiegeni­st, indenunter­en Beliebthei­tsrängen finden sich heute Zuwanderer aus fernerenRe­gionen.

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Swoboda war von 1988 bis 1996 Planungsst­adtrat

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