Wenn ein Dorf „ein Dorf bleiben“will
Dörfles. Der kleine Ortwehrt sich gegen denZuzug einer muslimischen Familie. Warum? Eine Spurensuche
Nur die hintersten Reihen in der Kirche bleiben zu Fronleichnam leer.
Das freut den Pfarrer. Denn die Fron leichnams prozession ist eine Glaubens demonstration .„ Wir bekennen uns zu unserem Glauben, gerade in Zeiten wie diesen“, predigt Pfarrer Christoph Pelczar. Auchwenner es vielleicht nicht so gemeint hat: SeineWorte beschreiben die Situation, in der sich seine Gemeinde befindet, perfekt.
DennWeiken dorf–vor allem dessenKatastr alge mein deDörfl es–beherrscht seit Wochen die Schlagzeilen: Weil sich die Gemeinde dagegen ausspricht, dass die Familie AbuElHosna aus PalästinainDörfle sein Haus kauft: „Die unterschiedlichen Kulturkreise der islamischen so wieder westlichen Welt“würden„ in ihren Wertvorstellungen, Sitten undGe bräuchen weit auseinander liegen“.
Das sorgte, nachdem der KURIER berichtet hatte, für breite mediale Aufmerksamkeit – und viel Kritik.
Die Geschichte über den kleinen Ort ist vielschichtig. Es ist die Geschichte von purer Ablehnung. Es ist auch die Geschichte einer Gemeinde, die formal nichts falsch gemacht, den Zuzug einer Familie aber mit zweifelhaften Argumenten zu verhindern versuchte. Und es ist die Geschichte einer Familie, gegen die nun Vorwürfe laut werden.
Der KURIER begab sich auf Spurensuche nach Dörfles, den hübschen 265-Seelen-Ort mit Kapelle und Feuerwehrhaus.
In Dörfles liegt kein Papier lauf dem Gehsteig. Der Rasen in den Vorgärten ist gemäht, vor den Eingangstüren blühen die Rosenstöcke. JederGrashalmistdort, woer sein soll. Und wenn nicht, ist auf die Zäune dieser Gärten ein „Natur-im-Garten“Schild montiert.
„Ausländerfeinde“
Nach dem Kirchgang istman bemüht, das zuletzt entstandene Bild zurechtzurücken. „Wir sind keine Ausländerfeinde“, sagen zwei Frauen, die sich Zeit nehmen für ein Gespräch. Mehrere ausländische Familien würden in der Gemeinde leben – Türken, Rumänen, Serben, Bosnier, Tschechen, Slowaken. Es gebe ein gutes Einvernehmen. Vor drei Jahren sei eine syrischeFlüchtlings familie zugezogen–alles kein Problem.
2.029 Einwohner hat die Gemeinde Weikendorf (per 1.1.2019). 1.835 davon sind Österreicher; 194 – 9,6 Prozent – haben eine andere Staatsangehörigkeit.
Gut ein Viertel der Volksschulkinder hat nicht Deutsch als Muttersprache. Von den 20 Kindern, die ab Herbst den Kindergarten besuchen, sind es 14. Aus Rücksicht gibt es dort schon jetzt kein Schweinefleisch. Und wenn doch, wird für die muslimischen Kinder Putenfleisch zubereitet. Dafür gehen am Nikolaustag alle KinderzumPfarrer indie Kirche, auch die muslimischen.
Wenn also alle gut miteinander auskommen, warum erzürnt Familie Abu El Hosna mit ihren neun Kindern so sehr, dass künftige Nachbarn sogar eine Unterschriftenliste gegen sie starten?
„Wir müssen langsam schauen, dassesnichtzuviele werden“, sagt eine Frau. Und eine andere: „Ein Dorf muss ein Dorf bleiben.“
„Wenn du die einmal da hast, kriegst die nie wieder raus“, sagt ein Mann. Und ein anderer: „Wir verbünden unsmitIsraelunddannholen wir die Palästinenser rein?“
Im Gasthaus Nina inWeikendorf droht die Stimmung zu kippen. „Sag’ denen nix“, mischt sich ein Feuerwehrmann in Uniformein, als der KURIERdasGesprächmitder Wirtin sucht. Die Sonnenbrillenimmternichtab. Auch nicht, als er sich kurz darauf noch einmal ungefragt zu Wort meldet: „Das Beste ist, Siegehenjetzt“, sagter. Dabei will die Wirtin nur erzählen, dass der Bürgermeister ein Guter ist und sie die Kritik an ihm unfair findet.
„Hilfeschrei“
100 Personen haben gegen den Zuzug der Familie unterschrieben– etwa80Haushalte gibt es in Dörfles. Einige Orts bewohner erzählen, dass sie die Liste unterstützen, aber nicht unterzeichnet haben–aus Angst, der Arbeitgeber könnte davon erfahren.
Pfarrer Pelczar will die Unterschriften liste nicht überbewerten. „Für mich ist es eine Art Hilfeschrei.“Der Theologe kennt sich aus mit Emotion – er arbeitet auch als Mentaltrainer bei Rapid Wien. Der Ort habe aus den Medien von dem Fall erfahren. Was man jetzt brauche, seien Ruhe – und Klarheit.
Die wird erst die Entscheidung der Grund verkehrs kommission des Landes Niederösterreich bringen. Sie wird von Amts wegen aktiv, wenn „ausländische Personen“einen „Rechtserwerb“tätigen – also etwa ein Haus kaufen wollen. Dann wird überprüft, ob alle gesetzlichen Voraussetzungen eingehalten werden.
Unter anderem, ob der potenzielle Käufer zu Haftstrafen wegen vorsätzlich begangener Straftaten oder Finanzvergehen verurteilt wurde. Außerdem muss der Kauf dem( volks) wirtschaftlichen, sozialen oder kulturellen Interesse des Landes oder der Gemeinde entsprechen oder der Käufer seit mindestens zehn Jahren in Österreich einen Hauptwohnsitz haben.
Familie Abu El Hosna lebt erst seit 9 Jahren in Österreich–und Interesse an ihrem Zuzug hat die Gemeinde nicht. „Alles Drumherum“tue sein Übriges, meint Vize bürgermeister Robert J obst (ÖVP). Vor dem beabsichtigten Umzug soll die Familie sechs Monate lang nicht für ihre drei Wohnungen in Wien gezahlt haben. Die Hausbesitzerin bestätigt das. DerFall sei vorGericht gelandet, dann seien 500 Euro nachgezahlt worden. Der Anwalt der Familie wollte keine Stellungnahme abgeben.
„Warum also sollten wir ein Interesse haben, dass die zu uns ziehen?“, fragt der Vize bürgermeister. Die Stellungnahme an das Land sei „unglücklich formuliert“und mittlerweile hat man eine neue eingebracht, aber: „Irgendwas haben wir ja schreiben müssen.“