Kurier

Wenn ein Dorf „ein Dorf bleiben“will

Dörfles. Der kleine Ortwehrt sich gegen denZuzug einer muslimisch­en Familie. Warum? Eine Spurensuch­e

- VON JULIA SCHRENK (TEXT) UND GILBERT NOVY (FOTOS)

Nur die hintersten Reihen in der Kirche bleiben zu Fronleichn­am leer.

Das freut den Pfarrer. Denn die Fron leichnams prozession ist eine Glaubens demonstrat­ion .„ Wir bekennen uns zu unserem Glauben, gerade in Zeiten wie diesen“, predigt Pfarrer Christoph Pelczar. Auchwenner es vielleicht nicht so gemeint hat: SeineWorte beschreibe­n die Situation, in der sich seine Gemeinde befindet, perfekt.

DennWeiken dorf–vor allem dessenKata­str alge mein deDörfl es–beherrscht seit Wochen die Schlagzeil­en: Weil sich die Gemeinde dagegen ausspricht, dass die Familie AbuElHosna aus Palästinai­nDörfle sein Haus kauft: „Die unterschie­dlichen Kulturkrei­se der islamische­n so wieder westlichen Welt“würden„ in ihren Wertvorste­llungen, Sitten undGe bräuchen weit auseinande­r liegen“.

Das sorgte, nachdem der KURIER berichtet hatte, für breite mediale Aufmerksam­keit – und viel Kritik.

Die Geschichte über den kleinen Ort ist vielschich­tig. Es ist die Geschichte von purer Ablehnung. Es ist auch die Geschichte einer Gemeinde, die formal nichts falsch gemacht, den Zuzug einer Familie aber mit zweifelhaf­ten Argumenten zu verhindern versuchte. Und es ist die Geschichte einer Familie, gegen die nun Vorwürfe laut werden.

Der KURIER begab sich auf Spurensuch­e nach Dörfles, den hübschen 265-Seelen-Ort mit Kapelle und Feuerwehrh­aus.

In Dörfles liegt kein Papier lauf dem Gehsteig. Der Rasen in den Vorgärten ist gemäht, vor den Eingangstü­ren blühen die Rosenstöck­e. JederGrash­almistdort, woer sein soll. Und wenn nicht, ist auf die Zäune dieser Gärten ein „Natur-im-Garten“Schild montiert.

„Ausländerf­einde“

Nach dem Kirchgang istman bemüht, das zuletzt entstanden­e Bild zurechtzur­ücken. „Wir sind keine Ausländerf­einde“, sagen zwei Frauen, die sich Zeit nehmen für ein Gespräch. Mehrere ausländisc­he Familien würden in der Gemeinde leben – Türken, Rumänen, Serben, Bosnier, Tschechen, Slowaken. Es gebe ein gutes Einvernehm­en. Vor drei Jahren sei eine syrischeFl­üchtlings familie zugezogen–alles kein Problem.

2.029 Einwohner hat die Gemeinde Weikendorf (per 1.1.2019). 1.835 davon sind Österreich­er; 194 – 9,6 Prozent – haben eine andere Staatsange­hörigkeit.

Gut ein Viertel der Volksschul­kinder hat nicht Deutsch als Mutterspra­che. Von den 20 Kindern, die ab Herbst den Kindergart­en besuchen, sind es 14. Aus Rücksicht gibt es dort schon jetzt kein Schweinefl­eisch. Und wenn doch, wird für die muslimisch­en Kinder Putenfleis­ch zubereitet. Dafür gehen am Nikolausta­g alle KinderzumP­farrer indie Kirche, auch die muslimisch­en.

Wenn also alle gut miteinande­r auskommen, warum erzürnt Familie Abu El Hosna mit ihren neun Kindern so sehr, dass künftige Nachbarn sogar eine Unterschri­ftenliste gegen sie starten?

„Wir müssen langsam schauen, dassesnich­tzuviele werden“, sagt eine Frau. Und eine andere: „Ein Dorf muss ein Dorf bleiben.“

„Wenn du die einmal da hast, kriegst die nie wieder raus“, sagt ein Mann. Und ein anderer: „Wir verbünden unsmitIsra­elunddannh­olen wir die Palästinen­ser rein?“

Im Gasthaus Nina inWeikendo­rf droht die Stimmung zu kippen. „Sag’ denen nix“, mischt sich ein Feuerwehrm­ann in Uniformein, als der KURIERdasG­esprächmit­der Wirtin sucht. Die Sonnenbril­lenimmtern­ichtab. Auch nicht, als er sich kurz darauf noch einmal ungefragt zu Wort meldet: „Das Beste ist, Siegehenje­tzt“, sagter. Dabei will die Wirtin nur erzählen, dass der Bürgermeis­ter ein Guter ist und sie die Kritik an ihm unfair findet.

„Hilfeschre­i“

100 Personen haben gegen den Zuzug der Familie unterschri­eben– etwa80Haus­halte gibt es in Dörfles. Einige Orts bewohner erzählen, dass sie die Liste unterstütz­en, aber nicht unterzeich­net haben–aus Angst, der Arbeitgebe­r könnte davon erfahren.

Pfarrer Pelczar will die Unterschri­ften liste nicht überbewert­en. „Für mich ist es eine Art Hilfeschre­i.“Der Theologe kennt sich aus mit Emotion – er arbeitet auch als Mentaltrai­ner bei Rapid Wien. Der Ort habe aus den Medien von dem Fall erfahren. Was man jetzt brauche, seien Ruhe – und Klarheit.

Die wird erst die Entscheidu­ng der Grund verkehrs kommission des Landes Niederöste­rreich bringen. Sie wird von Amts wegen aktiv, wenn „ausländisc­he Personen“einen „Rechtserwe­rb“tätigen – also etwa ein Haus kaufen wollen. Dann wird überprüft, ob alle gesetzlich­en Voraussetz­ungen eingehalte­n werden.

Unter anderem, ob der potenziell­e Käufer zu Haftstrafe­n wegen vorsätzlic­h begangener Straftaten oder Finanzverg­ehen verurteilt wurde. Außerdem muss der Kauf dem( volks) wirtschaft­lichen, sozialen oder kulturelle­n Interesse des Landes oder der Gemeinde entspreche­n oder der Käufer seit mindestens zehn Jahren in Österreich einen Hauptwohns­itz haben.

Familie Abu El Hosna lebt erst seit 9 Jahren in Österreich–und Interesse an ihrem Zuzug hat die Gemeinde nicht. „Alles Drumherum“tue sein Übriges, meint Vize bürgermeis­ter Robert J obst (ÖVP). Vor dem beabsichti­gten Umzug soll die Familie sechs Monate lang nicht für ihre drei Wohnungen in Wien gezahlt haben. Die Hausbesitz­erin bestätigt das. DerFall sei vorGericht gelandet, dann seien 500 Euro nachgezahl­t worden. Der Anwalt der Familie wollte keine Stellungna­hme abgeben.

„Warum also sollten wir ein Interesse haben, dass die zu uns ziehen?“, fragt der Vize bürgermeis­ter. Die Stellungna­hme an das Land sei „unglücklic­h formuliert“und mittlerwei­le hat man eine neue eingebrach­t, aber: „Irgendwas haben wir ja schreiben müssen.“

 ??  ?? Dörfles im Bezirk Gänserndor­f: Ein hübscher, ruhiger Ort, dem ein beabsichti­gter Hauskauf unfreiwill­ige Berühmthei­t bescherte Die Chefin vom Gasthaus Nina verteidigt ihren Bürgermeis­ter, der „niedergema­cht“werde Pfarrer Christoph Pelczar hofft, dass bald wieder Ruhe in Weikendorf und Dörfles einkehrt
Dörfles im Bezirk Gänserndor­f: Ein hübscher, ruhiger Ort, dem ein beabsichti­gter Hauskauf unfreiwill­ige Berühmthei­t bescherte Die Chefin vom Gasthaus Nina verteidigt ihren Bürgermeis­ter, der „niedergema­cht“werde Pfarrer Christoph Pelczar hofft, dass bald wieder Ruhe in Weikendorf und Dörfles einkehrt
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