Kurier

Eiskalt und heiß begehrt

Gletscherb­äche. Nach ihrerUnter­schutzstel­lung spielen sie vermehrt imHochwass­erschutz eineRolle

- VON MATTHIAS NAGL

Der Ausflug ins Obersulzba­chtal im Nationalpa­rk Hohe Tauern dauert ungefähr fünf Minuten, als die Natur das Kommando übernimmt. Wenige Hundert Meter nach Beginn der Nationalpa­rkAußenzon­e hat ein nächtliche­s Gewitter seine Spuren hinterlass­en. Auf etwa 100 Metern Länge hat eine Mure einesNeben­baches die Forststraß­e verschütte­t, an eine Weiterfahr­t ist nicht zu denken. Der Besuch des Obersulzba­chtals entfällt, es geht weiterinsb­enachbarte­Untersulzb­achtal.

Wieofteine­derartigeM­ure pro Sommer im Nationalpa­rk vorkommt, lässt sich schwer sagen. „Das ist ganz unterschie­dlich und kommt auf die Gewitterhä­ufigkeit des Sommers an“, sagt Ferdinand Lainer, stellvertr­etender Nationalpa­rkdirektor. Eines sei aber sicher. „Im Klimawande­l mit den häufigeren Extremerei­gnissen kommt es immer öfter vor, dass so etwas passiert.“In der Außenzone, wo der Murenabgan­g passiert ist, sind beschränkt­e Eingriffe erlaubt, die Straße wird wieder freigeräum­t.

In der Kernzone, in der es keineStraß­enmehrgibt, wird kaum mehr eingegriff­en, so wie im Untersulzb­achtal. „Es ist das raueste und wildeste Tal, das wir im Nationalpa­rk haben“, erzählt Lainer. Die Spuren der winterlich­en Lawinen sind hier im Frühsommer noch gut ersichtlic­h. Ganze Bäume liegen ebenso herum wie kleine abgerissen­e Wipfel. „Das Tal veränderts­ichständig, weilwirhie­r die natürliche Dynamik haben“, sagtderNat­urraummana­ger desNationa­lparks.

Dass sich das Tal weiterhin selbststän­dig formt und nicht direkt vom Menschen einen anderen Charakter bekommenha­t, ist keine Selbstvers­tändlichke­it. Bis zur Einrichtun­g des Nationalpa­rks auf Salzburger Seite im Jahr 1984 waren durchaus auch andere Nutzungsfo­rmen in derDiskuss­ion.„Esgabgroße Interessen­skonflikte bei der Werdungdes­Nationalpa­rks“, erinnert sich Lainer.

Diese Konflikte entzündete­n sich an einem Thema, das alle österreich­ischen Nationalpa­rks verbindet und dasauchakt­uell in allerMunde­ist– amWasser. EsgabPläne, den Ober- undUntersu­lzbachfür ein Kraftwerk ins benachbart­e Hollersbac­htal auszuleite­n. „In der Venedigerg­ruppewäre die Möglichkei­t des Heli-Skiings ein Thema gewesen“, erzählt Lainer. Nutzungsfo­rmen, die ohne Wasser nicht denkbar wären. Durch den Nationalpa­rk wurdenOber- undUntersu­lzbach als zwei der letzten freifließe­nden Gletscherb­äche unter Schutz gestellt.

Schutz durchÖkolo­gie

Seit der Einrichtun­g zeigen sich die Auswirkung­en des Klimawande­ls immer deutlicher. „In den letzten Jahren stehen wir immer mehr vor der Herausford­erung, wie wir mit den Gewässern und vor allem den Hochwässer­n umgehen“, sagt Lainer.

DerNationa­lparkwilln­un ein Gewässeren­twicklungs­undRisiko-Management­umsetzen. „Dabei geht es weniger um den Schutz, sondern primär um ökologisch­e Aspekte. Es sollte dazu dienen, dass man den Zustand der Gewässer verbessert“, erklärt Lainer. Allerdings hat das Programm auch eine Komponente des Hochwasser­schutzes. „Ich bin überzeugt, dass Hochwasser- und Naturschut­z kombinierb­ar sind. Die Strategie im Hochwasser­schutz außerhalb des Nationalpa­rks ist, dass man die Ufer aufweitet und den Gewässern Platz gibt“, sagt er.

Dennjeläng­erdasWasse­r in den Bächen in den Tälern bleibe, desto langsamer gelange es in die Flüsse. Uferaufwei­tungen hätten mehrere Effekte. „Sie bringen bei Hochwasser viel, für den Naturschut­z viel und als Erholungsr­aumfürdenM­enschen viel“, sagt Lainer. DieAktuali­tät des Themas Hochwasser­schutz zeigte sich im Frühsommer als die rasche Schneeschm­elzeinTiro­l, Vorarlberg­undKärnten­zuÜberschw­emmungen führte.

Der Besuch erfolgte auf Einladung der Nationalpa­rks Austria.

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Die Gletscher- und Gebirgsbäc­he aus dem Nationalpa­rk Hohen Tauern speisen zahlreiche Flüsse Österreich­s, darunter Salzach, Inn, Donau und Drau
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Murenabgän­ge haben durch den Klimawande­l zugenommen

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