Der Trump des vorigen Jahrhunderts
William Randolph Hearst. Erwar einer der reichstenAmerikaner, besaß Immobilien und einMärchenschloss, war der größteZeitungstycoon, verbreitete FakeNews undwollteUS-Präsidentwerden
In der Tat erinnert vieles an diesem Mann an den aktuellen Präsidenten der Vereinigten Staaten. Irgendwann entschloss sich William Randolph Hearst in die Politik zu gehen – und Präsident zu werden. Er wurde zwarimGegensatzzuDonald Trump nicht gewählt, brachteesaberzueinemderreichsten und einflussreichsten Menschen der Welt. Sein skurriles Hearst Castle zählt zu den prunkvollsten Schlössern Amerikas und erinnert heute noch an den eigenwillig-verschrobenen Mann.
Wie einKönigsschloss
Ein Besuch im kalifornischen Hearst Castle – auf einem Hügel mit traumhaftem Blick zum Pazifischen Ozean gelegen – machte mich fassungslos. William Randolph Hearst hatte in den 1920er-Jahren auf einem 16 km2 großen Gut einen Palast gebaut, der es in seinen Dimensionen und seinem Inventar mit Europas Königsschlössern aufnimmt. Hearst nützte dieWirtschaftskrise, kaufte in Spanien, Italien und Frankreich ganze Schlösser und Klöster, ließ sie abtragen und auf seinem zwischen Los Angeles und San Francisco gelegenen Gelände wieder aufbauen. So beinhaltet das prachtvolle Anwesen heute Kunstwerke und Antiquitäten aus der Renaissance, manche Skulpturen und Säulen sind mehr als 2000 Jahre alt. Hearst Castle ist alles in allem eine einzigartige Mischung aus Kitsch und kulturhistorischen Juwelen.
Die erste Zeitung
William Randolph Hearst wurde 1863 in San Francisco als Sohn eines durch Bergbau und Landwirtschaft reich gewordenen Mannes geboren. Die ersteZeitungimFamilienbesitz war der San Francisco Examiner, den Williams Vater angeblich beim Pokerspiel gewonnen hatte. Der Sohn übernahm das Blatt, kaufte das New York Journal und 50weitere, ein Dutzend Radio- und Fernsehstationen und mehrere Filmstudios dazu. Hearst brachteesmitaufgebauschten Sensationsstorys und – heute würde man sagen Fake News – auf 40 Millionen Leser und baute sein Imperium zum größten Zeitungskonzern der USAaus. AufdemGipfelseines Erfolgs las fast jeder vierte Amerikaner ein Hearst-Blatt, und er war einer der reichstenMenschen derWelt.
Hollywoodstars
Hearst liebte – auch darin Donald Trump nicht unähnlich – seinen Reichtum und zeigte ihn gerne her. Er residierteinseinemTraumschloss und lud Hollywoodstars wie Joan Crawford, Cary Grant, ClarkGableundCharlieChaplin zu ausgelassenen Partys ein. Als Hearst Chaplin allerdings auf seiner Yacht in flagranti mit seinerGeliebten Marion Davies ertappte, soll er auf ihn geschossen haben. Die Kugel traf nicht Chaplin, sondern den Regisseur Thomas Ince, der tot zusammenbrach. Hearstwar somächtig, dass die Nachricht unterdrücktwerden konnte. In den Hearst-Blättern – deren Chefredakteur er selbst war – hieß es, InceseianeinemMagenleiden gestorben.
Da Kriege die Auflagen seiner Blätter steigerten, scheuteHearst nichtdavorzurück, seinen politischen Einfluss zur Austragung des spanisch-amerikanischen Krieges im Jahr 1898 zu verwenden. Seinen KorrespondenteninHavannaforderteerauf, Übergriffe der spanischen Kolonialherren übertrieben darzustellen. „Sie sorgen für die Bilder“, soll er gesagt haben, „ich sorge für den Krieg“.
Politische Ambitionen
Das Vermögen, das er verdiente, steckte Hearst nicht nur in sein Medienimperium und in sein monströses Schloss, sondern auch in den Fortgang seiner politischen Karriere. Im Gegensatz zu Trump gehörte er der Demokratischen Partei an, als deren Kandidat er im Jahr 1904 Präsident der USAwerden wollte. Das schaffte er freilich nicht, er brachte es nur zum Kongressabgeordneten.
Sympathien für Hitler
In den 1930er-Jahren zeigte Hearst Sympathien für Adolf Hitler, der ihn in Berlin empfing und Kommentare für die Hearst-Zeitungen schrieb. Hearst wandte sich aber augenblicklich von den Nazis ab, als er von den Novemberpogromen erfuhr. Seine Zeitungenwaren dann unterdenersten, dieüberden Holocaust berichteten. Zur Legende wurde Hearst spätestens 1941, als Orson Welles den Medientycoon in dem Filmklassiker „Citizen Kane“darstellte.
William Randolph Hearst starb 1951 mit 88 Jahren in Beverly Hills. Doch seine Familie hörte auch nach seinemTodnichtauf, fürSchlagzeilen zu sorgen. 1974 wurdeHearsts19-jährigeEnkelin Patricia „Patty“Hearst von einer linksradikalen Bande entführt, 57 Tage eingesperrt und missbraucht.
StockholmSyndrom
Der Fall Patty Hearst ist ein klassischer Fall, bei dem das „Stockholm Syndrom“zum Ausbruch kam. Die junge Frau schloss sich ihren Entführernan, verübtemitihnen gemeinsam Banküberfälle und wurde nach ihrer Befreiung zu 35 JahrenGefängnis verurteilt. Patty Hearst wurde jedoch von Präsident Jimmy Carter begnadigt und aus der Haft entlassen. Sie lebt 65-jährig in New York und hat zwei Töchter.
Heute noch, fast 70 Jahre nach William Randolph Hearsts Tod, kann man ein wenig indie Seele dieses sonderbaren Mannes blicken. Dennsein 500-Millionen-Dollar-Schloss in San Simeon am Pazifik ist (gegen Eintritt von 25 Dollar) allgemein zugänglich. Es besteht aus 100 Zimmern in mehreren Gebäuden, inderenMittelpunkt „La Casa Grande“mit seinen Zwillingstürmen steht.
Neben Gästehäusern und dem größten privaten Zoo der Welt verläuft das 30 Meter lange Marmor-Schwimmbecken im Stil der römischen Antike. Hearst Castle wird jährlich von einer Million Menschen besucht. Es ist immer noch imBesitz einer Stiftung der Familie Hearst, wird jedoch vom Bundesstaat Kalifornien verwaltet.
georg.markus@kurier.at