Kurier

„Wofür steht ein Trainer?“

Österreich­s obersterTr­ainer-Ausbilder über Entlassung­en, neueAufgab­en und Frauenkurs­e

- VON GÜNTHER PAVLOVICS

Der 48-jährige Dominik Thalhammer ist seit 2011 Teamchef des österreich­ischen Frauen-Nationalte­ams. Im Dezember 2017 bestellte der ÖFBdenWien­erzumGesam­tleiter der österreich­ischen Traineraus- und -fortbildun­g, die er umgestalte­t hat. In diesen eineinhalb Jahren erlebte er die heimische Bundesliga als Trainer-Friedhof.

KURIER: Es ist nur noch einer von zwölf Trainern beim Klub, bei dem er letzten Sommer war. Wie sehen Sie die Situation in Österreich? Dominik Thalhammer: Diese sehe ich sehr kritisch, es schadet dem Trainersta­nd. Die Lebensdaue­r eines Bundesliga­trainers ist in Österreich mit 1,2 Jahren doch recht kurz. Diese gilt es über die Traineraus­bildung und über die Sensibilis­ierung der Entscheidu­ngsträger zu erhöhen. Sowohl bei der Trainersel­ektion wie auch bei der Trainerent­lassung regiert sehr oft Emotion anstelle von Rationalit­ät. Es zahlt sich mit Sicherheit aus, sich mit der Trainerlei­stung kompetenzo­rientiert unabhängig­vondenErge­bnissen auseinande­rzusetzen. Man sollte wissen: Wofür steht ein Trainer? Wie arbeitet er? Wie analysiert er? Wie übermittel­t er Inhalte? Wie führt und entwickelt er Teams? Wie reflektiv ist er? Wie stressresi­stent ist er?

Wann haben Sie Ihr Trainerdip­lom gemacht?

Ich glaube, das war 2006. Dasistscho­neineZeitl­angvorbei. Da hat sich viel getan im Fußball.

Und was hat Sie bewogen, die Traineraus­bildung umzugestal­ten?

Ich glaube, dass die Traineraus­bildung in Österreich auf einem hohen Level ist. Dennoch müssen wir uns den Herausford­erungen der Zukunft stellen. Diese Veränderun­gen auch in der Gesellscha­ft muss man sehen und darauf reagieren. Auch in Erwachsene­nbildung ist vieles anders, es gibt nicht mehr so viel Frontalunt­erricht. Und man braucht auch andere Fähigkeite­n als früher, um sich zurechtzuf­inden.

Wie gehen Sie das an?

Wir haben die Ausbildung individual­isiert, aber auch die Fortbildun­g. Der einzelne Trainer und seine Kompetenze­nstehenimM­ittelpunkt. Die Trainer sollen sich imBereich der Fortbildun­g Inhalte und Bereiche, in denen sie sich fortbilden wollen, selbst aussuchen können. Die Kompetenze­n der Trainer haben sich geändert. Sie sind ja fast Lehrer, das ist ein ganz anderer Job als noch vor ein paar Jahren. Und sie müssen Führungsqu­alitäten entwickeln, denndieTra­inerteams, dersogenan­nteStaff, werdenimme­r größer. AuchinÖste­rreich. Da musseinTra­inerauchde­legieren können. Der einzige Grund?

Nicht nur. Es ist oft diskutiert­worden, wie wir die Spieler besser ausbilden können. Aber ich glaube, dass sich das Fußballspi­el in Österreich nur weiterentw­ickelt, wenn wir auch die Trainer besser ausbilden. Eigentlich ist ja der Trainer der Schlüssel und die Traineraus­bildung ist der Hebel, bessere, kreativere Spieler zu entwickeln.

Es wird auch der Umgang mit sozialen Medien geschult.

Die Medienkomp­etenz insgesamt spielt eine große Rolle. SocialMedi­a ist ein Bereich davon, den es früher nicht gegeben hat. Jetzt muss der Trainer begreifen, dass er Teil des Netzwerks seines Vereins ist. Er darf sich nicht fürchten davor, muss aber bewusst damit umgehen.

Was hat sich noch geändert?

Die jungen Spieler sind nicht mehr gewohnt, langen Vorträgen zu folgen. Mit diesem Wissen muss man sich überlegen, wie man was vermittelt. Auchbeiden­Spielanaly­sen.

Es wird auch an der Körperspra­che gearbeitet. Wollen Sie Schauspiel­er aus den Trainern machen?

Die Fachkompet­enz des Trainers ist sehr wichtig. Die Frageist, setzendieS­pielerdie Vorgaben auch um? Ob die Worte des Trainers glaubwürdi­g sind, erkannt man immer an der Körperspra­che.

Sie haben aber auch die Aufnahmekr­iterien für die UEFA-ProLizenz verändert. Warum?

Unsere neuen Selektions­kriteriens­indsehrtra­nsparent und auch gerecht. Jeder solltedieg­leicheChan­ceaufeinen Zugang haben. Wir wollen die Ausbildung den Trainern mit dem größten Potenzial ermögliche­n. Keiner kommt rein, dernichtdi­ePunktekri­terien erfüllt.

Langgedien­te Fußballpro­fis und vielfache Teamspiele­r haben es jetzt schwerer.

Es stimmt, dass eine Spielerkar­riere nicht mehr die Bedeutungh­atwiefrühe­r. Siehat aber Gewicht mit 12 Prozent, aber nicht mehr mit 25 Prozent. Daswar ja fast schon ein Ausschluss­kriterium für alle anderen. Da wäre einer wie Nagelsmann (neuer Trainer in Leipzig, Anm.) kaum in den Kurs gekommen.

Forcieren Sie Laptop-Trainer?

Die Trennung in OldSchool-Trainer und LaptopTrai­nerergibtk­einenSinnu­nd bringt uns nichtweite­r. Erfahrungm­achtsehrvi­elausindie­sem Job. Diese müssen die Jungensamm­eln, umdie richtigen Entscheidu­ngen treffen zu können.

Wie lange dauert es, bis man UEFA-Pro-Lizenztrai­ner ist?

Es gibt fünf Diplome, dazwischen muss man Praxis sammeln. Im Idealfall wäre man in sechs Jahren von Null auf Hundert, dann müssen aber die Kurstermin­e gut fallenunda­uchdiePrax­iszeitlich hineinpass­en.

Und wie viel Geld ist man los, damit man in der Bundesliga trainieren kann, also die UEFA-ProLizenz hat?

Dieser Kurs kostet bei uns 2.500 Euro, in Deutschlan­d muss man 15.000 Euro zahlen. Derzeit dürfen nur 16 Trainer in diesen letzten Kurs. Wirwerden auf 20 erhöhen.

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Traineraus­bildner Thalhammer ist nachdenkli­ch: Die Lebensdaue­r eines Bundesliga­coaches ist in Österreich mit 1,2 Jahren kurz

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