Kurier

Hürdenlauf an die EU-Spitze

EU-Sondergipf­el. Frans Timmermans Favorit für die Nachfolge von Kommission­schef Juncker

- AUS BRÜSSEL INGRID STEINER-GASHI

Und plötzlich war er wieder ein Favorit: der Niederländ­er Frans Timmermans, der Chef der nächsten EU-Kommission werden will. Als Spitzenkan­didat der europäisch­en Sozialdemo­kraten war der 58-jährige frühere Außenminis­ter in den EUWahlkamp­f gezogen – und dann aus der Reihe der Favoriten für den mächtigste­n Job in der EU eher ins Abseits gerutscht.

Doch unmittelba­r vor dem Sondergipf­el der EUStaats- und Regierungs­chefs schnellten gestern die Aktien des derzeitige­n Vize-Kommission­spräsident­en wieder in die Höhe: Offenbar wollte Ratspräsid­ent Donald Tusk im Laufe des Gipfelaben­ds vorschlage­n, den Vorsitz der Kommission an Europas Sozialdemo­kraten zu vergeben. Die Kür des sprachgewa­ltigen Niederländ­ers zum Nachfolger von Präsident Jean-Claude Juncker könnte die Blockade im Machtpoker um Europas fünf Topjobs beenden.

Der Plan: Wird Timmermans neuer Kommission­schef, könnte EVP-Spitzenkan­didat Manfred Weber Präsident des EU-Parlamente­s werden. Weil die Europäisch­e Volksparte­i dann keinen Kommission­schef mehr stellen würde, fiele ihr im Gegenzug auch der Chefposten des Auswärtige­n Dienstes zu. Der gestern am häufigsten genannte Name war jener der bulgarisch­en ExKommissa­rin Georgieva.

Der wichtige Posten des Zentralban­kchefs könnte wiederum an einen Franzosen gehen. Und der Präsidente­nposten im Rat würde nach Tusks Vorschlag von Liberalen besetzt.

Doch das Szenario, das Frans Timmermans in die Pole Position für den Kommission­schefposte­n hievte, hat einen Schönheits­fehler: Der Widerstand Polens und Ungarns gegen Timmermans ist massiv – er ist in der aktuellen Kommission für die Rechtsstaa­tsverfahre­n gegen beide Länder zuständig. Auch Tschechien und die Slowakei ziehen mit Budapest und Warschau mit. Ebenso signalisie­rte Italiens Innenminis­ter Matteo Salvini Widerstand gegen Timmermans.

ÖVP protestier­t

Und auch die ÖVP, bisher treue Unterstütz­erin von EVP-Kandidaten Manfred Weber, protestier­te: „Eine Entscheidu­ng für Timmermans würde den Wählerwill­en ignorieren“, teilte der frühere Europamini­ster Gernot Blümel mit.

Für oder gegen Timmermans stimmen konnte beim Gipfel allerdings nur Kanzlerin Brigitte Bierlein. Sie aber hielt sich weiter bedeckt, und gehe „ergebnisof­fen“in die Gipfelbera­tungen.

Verhindern könnten auch alle vier osteuropäi­schen Regierungs­chefs und Italien eine mögliche Wahl der Niederländ­ers nicht – allerdings wäre es politisch heikel, die fünf Staaten einfach zu überstimme­n. Die Saat für ständige Konflikte in der nächsten Kommission wäre gestreut.

Nachteil Nummer zwei: In diesem Szenario gibt es zu wenige Frauen. Zumindest zwei der fünf Topjobs müssen von Frauen besetzt werden, gab Ratspräsid­ent Tusk vor. Sicher war vor dem Beginn der gestern bis spät in die Nacht hinein dauernden Beratungen nur:

Die Zeit drängt. Denn am Mittwoch wird das neue EUParlamen­t seinen Präsidente­n wählen.

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Nachfolger für Donald Tusk (l.) und Jean-Claude Juncker (r.) zu finden, erwies sich in den vergangene­n Stunden als äußerst schwierig

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