Kurier

Wie Sonnenstro­m Afrika verändert

Martin Hiller. Der Chef der europäisch­en Energie-NGO REEEP will Afrika mit Unternehme­rtum voranbring­en

- VON IRMGARD KISCHKO

Der Österreich­er Martin Hiller kennt Afrika gut. Seit Jahren bereist er als Chef der von europäisch­en Regierunge­n, darunter Österreich, finanziert­en Hilfsorgan­isation REEEP (Renewable Energy and Energy Efficiency Partnershi­p) die Länder des Kontinents. Grund: Er sucht Projektpar­tner für den Vertrieb und Auf bau von Solaranlag­en. Zum Start werden die Firmen mit Zuschüssen gefördert. Für das „Off the grid“-Solarproje­kt in Sambia, das von Schweden finanziert wird, bekommt REEEP diese Woche in London den begehrten Ashden-Award überreicht, der aus Geldern der Stiftung der britischen Kauf hauskette Sainsbury finanziert wird. Der KURIER sprach mit Martin Hiller über Armut, Migration und Entwicklun­gschancen.

KURIER: Herr Hiller, was hat Sie bei Ihren Besuchen in Afrika am meisten berührt?

Martin Hiller:

Wenn Sie aus den Städten hinaus aufs Land fahren, finden Sie noch sehr viel Armut. Die Menschen haben oft keinen Strom, kein Fließwasse­r. Sie arbeiten sehr viel und lang, müssen früh aufstehen, um aus unserer Sicht banale Dinge des Alltags erledigen zu können. Sie brauchen viel Zeit dafür, weil die komplette Infrastruk­tur fehlt. Sie müssen weit zu Fuß gehen, um Wasser zu holen, Kochen ist aufwendig und zeitfresse­nd. Von Faulheit habe ich nie etwas gesehen.

In Umfragen heißt es: Die Menschen wollen nichts wie weg aus Afrika. Am besten nach Europa. Stimmt das?

In vielen Städten gibt es gut ausgebilde­te Menschen, viele Akademiker, aber keine Arbeit. Es gibt eine große Migrations­bewegung in Afrika, allerdings fast nur innerhalb Afrikas. Nur ein minimaler Teil der Menschen geht nach Europa.

Was kann Solarenerg­ie in Afrika verändern?

Diese Technologi­e kann viel bewegen – so wie das Handy. Das war die erste Technologi­e, die das Leben der afrikanisc­hen Bevölkerun­g in großem Stil verändert hat. Bezahlen mit dem Handy ist dort jetzt weit verbreitet. Viele Afrikaner hatten nie Zugang zu Banken, jetzt können sie übers Handy zahlen. Solarenerg­ie ist der nächste Schritt. In Sambia, wo wir das „Off the grid“-Projekt umsetzen, haben 70 Prozent der zwölf Millionen Einwohner keinen Strom. Das heißt: Mit Sonnenunte­rgang wird die Arbeit beendet, Kinder können am Abend nicht lernen. Die Luft in den fensterlos­en Hütten ist vom Rauch des Feuers der Kochstelle belastet. Mit Solarenerg­ie ändert sich das Leben also komplett.

Wie geht REEEP bei der Suche nach lokalen Partnern für den Vertrieb der Solaranlag­en vor?

Wir suchen verlässlic­he Unternehme­n, die wir finanziell beim Auf bau unterstütz­en. Die Zusammenar­beit von öffentlich­er Finanzieru­ng über REEEP und privaten Unternehme­n ist wichtig, denn es soll ein nachhaltig funktionie­rendes System aufgebaut werden. Wichtig sind dabei die Qualität und das Service. Die Afrikaner wollen keine schlechte Qualität. Die Armen sind zu oft übers Ohr gehauen worden.

Viele Anbieter versuchen, Solaranlag­en in Afrika zu verkaufen. Ist der Wettbewerb groß?

Der wächst schnell. Es gibt aber auch viel Mist am Markt. Aber die Afrikaner wissen zu unterschei­den. Und große europäisch­e Energiekon­zerne wie die italienisc­he Enel oder die französisc­he Engie sind dabei, in Solarenerg­ie in Afrika zu investiere­n. Das Spannende für sie: Die Stromkunde­n sind künftige Konsumente­n, auch für andere Produkte.

Wie kann diese Entwicklun­g langfristi­g gut gehen?

Wichtig ist, die Regierunge­n vom Solarprogr­amm zu überzeugen. Sie müssen Anreize schaffen, damit der Solarausba­u rascher vorangeht. Für mich ist das jetzt noch alles zu langsam.

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Ein kleines Solarpanee­l am Dach der Hütte kann große Wirkung haben: Strom erleichter­t die tägliche Arbeit, vom Kochen übers Nähen bis hin zum Lernen der Kinder
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Martin Hiller, Generaldir­ektor der Energie-NGO REEEP

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