Ein Appell für mehr Transparenz
Hochinnovative Therapien. Wie kann unser Gesundheitssystem künftige Versorgungsmöglichkeiten garantieren?
Enorme Fortschritte im Forschungsbereich haben die Entwicklung hochinnovativer Therapien ermöglicht, für deren Anwendung in Österreich einige spezialisierte Zentren bestehen. Aufgrund unseres Gesundheitssystems kann es jedoch neben den hohen Ausgaben für solche pharmazeutischen Produkte zu weiteren finanziellen Problemen durch „Gastpatienten“aus anderen Bundesländern kommen.
Über mögliche Strategien zur Lösung dieser Probleme diskutierten hochrangige Experten beim 25. Praevenire-Gipfelgespräch im Stift Seitenstetten.
„Die finanzielle Problematik besteht nicht nur bei so teuren Therapien, sondern auch bei anderen“, präzisiert Gerald Bachinger und nennt als Beispiel viele Niederösterreicher, die zur Strahlentherapie in Wiener Spitäler kommen. Was im Gesundheitssystem bedeutet, dass Wien vorerst die kompletten Kosten tragen muss. Denn „die niederösterreichischen Politiker sagen, dass Wien beim Finanzausgleich als besondere Region ohnehin mehr Geld erhält, das auch die Kosten für Gastpatienten inkludiert.“, berichtet Bachinger.
Bernhard Rupp erklärt, besagter Finanzausgleich spiegle Österreichs föderale Situation wider, die in der Verfassung verankert ist. Er sei völlig unübersichtlich und verschleiere somit die tatsächliche Kostenfrage.
„Wenn wir künftig die hochinnovativen Therapien finanzieren wollen, müssen wir uns auf die Nutzerbewertungen von Therapien verlassen, da kann das deutsche Modell beispielhaft sein“, erklärt Gunda Gittler.
Und Roswitha Gaisbauer meint: „Es ist nicht im Sinne aller, dass das Bundesland, in dem der Patient behandelt wird, sämtliche Kosten für neue innovative Therapien trägt, daher bedarf es einer systemischen Lösung.“
Wolfgang Ibrom ist in einem der Standorte tätig, wo die neue CAR-T-Zelltherapie (siehe Infos rechts) „in diesem Jahr für einige wenige Patienten realisierbar sein wird“. Ibrom meint, es werde in naher Zukunft erheblich mehr hochinnovative Therapien – nicht nur bei hämatologischen Erkrankungen – geben und knüpft daran die Frage: „Wie soll unser Gesundheitssystem das künftig finanziell schaffen?“
Ethisches Dilemma
„Die Krankenhausträger haben keinen Goldesel“, kommentiert Edgar Starz die hohen Kosten und beschreibt das ethische Dilemma: „Kann es sein, dass ich für einen einzelnen Patienten so viel Geld in die Hand nehme und dann die vielen anderen nicht behandeln kann?“
Der Preis gehöre zwar zum freien Spiel des Marktes, meint Patientenanwalt Bachinger, doch andererseits könne man im öffentlichen Gesundheitssystem sehr wohl bei Preisen regulierend eingreifen.
Manche Länder würden dabei auch volkswirtschaftliche Perspektiven berücksichtigen, sagt Rupp. Bei der Preisgestaltung fordert er mehr Transparenz. „Mir ist natürlich klar, dass alle Beteiligten Interesse haben, dass Stillschweigen gewahrt wird. Aber wir reden hier von Steuergeld, nicht über eine Privatschatulle. “Innovative hochkomplexe Therapien wie die CAR-T-Zelltherapie werden in den nächsten Jahren viel Nutzen bringen, prognostiziert Gernot Idinger und ergänzt: „Neben den budgetären Fragen muss man diese Therapien auch fachlich begleiten, besonders in den jeweiligen Heilmittel-Evaluierungskommissionen in den Krankenhäusern. “Diese müssten fachliche Kompetenz ausweisen, damit die Therapien den bestmöglichen Nutzen für die Patienten bringen, appelliert Idinger.
Claudia Wild ist der Ansicht, dass die Öffentliche Hand „jedenfalls kräftiger auftreten muss“. Doch auch die Industrie könne kein Interesse daran haben, das öffentliche Gesundheitssystem an die Wand zu fahren.
Begrenzte Ressourcen
„Das ist auch nicht in unserem Sinn,“antwortet Alexander Preuss. „Natürlich ist uns der Preis wichtig. Aber wir haben natürlich auch kein Interesse daran, einen Preis zu verlangen, der vom Gesundheitssystem nicht bezahlbar ist. Unser gemeinsames Interesse ist es, möglichst vielen Patienten innovative Therapien anbieten zu können.“
„Ich denke, die Probleme im öffentlichen Finanzierungssystem sind nur politisch zu lösen“, erklärt Gittler.
Und Rupp fügt hinzu, es müsse öffentlich gesagt werden, dass unser Gesundheitssystem begrenzte Ressourcen hat. „Denn noch immer wird die Illusion vermittelt, dass jeder alles bekommt, wenn man nur entsprechenden Druck über gewisse Medien ausübt.“