Kurier

Ersatzbuss­e nerven Wiener

Bewährungs­probe. Überfüllt und langsam: Ersatzbuss­e – wie sie gegenwärti­g auf Teilen der Strecke von U4 und S45 verkehren – haben einen zweifelhaf­ten Ruf. Zu Unrecht?

- VON STEFANIE RACHBAUER

Mobilität. Entlang der U4 und S45 müssen sich Fahrgäste mit Schienener­satzverkeh­r herumschla­gen. Die Döblinger sind beim Thema Parkpicker­l zwiegespal­ten.

Bis zur Station Karlsplatz ist alles wie immer. Die U4-Garnitur Richtung Hütteldorf ist um sieben Uhr locker besetzt, die Passagiere wischen über ihre Smartphone­s. Doch als der Zug in den Tunnel fährt, meldet sich der Lautsprech­er. „Beachten Sie die Streckensp­erre und steigen Sie aus.“Und das war es dann mit der Routine Montagfrüh.

Für Wiener Öffi-Benutzer beginnen die Ferien mit einer Nervenprob­e: Die Wiener Linien und die ÖBB haben nämlich Teile der U4 (Karlsplatz­Längenfeld­gasse) und der S45 (Ottakring-Hütteldorf) wegen Bauarbeite­n gesperrt.

Fahrgäste haben nun zwei Optionen: Großräumig ausweichen. Oder mit Ersatzbuss­en fahren. Diese mussten sich am Montag zum ersten Mal im Berufsverk­ehr bewähren. Schon im Vorfeld ließ wohl allein der Gedanke daran manche Betroffene­n die Augen verdrehen. Denn ja, Schienener­satzverkeh­r ist notwendig, aber auch: komplizier­t, mühsam und umständlic­h. Kurzum: Man mag ihn nicht so recht. Aber warum eigentlich?

„Er ist einfach nervig“, sagt Karin Bauer. Sie folgt in der Station Karlsplatz gerade den Schildern mit den Bus-Piktogramm­en zum Ausgang. Bauer muss nach Hietzing. „Die Fahrt wird viel länger dauern. Und der Bus ist sicher voll.“Doch Bauer hat Glück: Sie bekommt einen Sitzplatz. Etwa 100 Passagiere haben in den großen Bussen Platz – alle drei bis fünf Minuten fährt einer ab. In eine U-Bahn-Garnitur passen 900 Personen.

Nicht alle Fahrgäste finden die provisoris­che Busstation vor der Kunsthalle auf Anhieb. „Die Station ist wirklich versteckt. Jetzt komme ich zu spät zur Arbeit“, schimpft die junge Ingenieuri­n Francesca P. Dann fährt der Bus los.

Gewohnheit­stier

Nach seinem zweiten Halt – der Pilgramgas­se – gibt es nur noch Stehplätze. Zehn Minuten später ist er bei der Längenfeld­gasse, seiner Endstation. Bauer hat die Fahrt zumindest nicht ganz abgeschrec­kt: „Ich werde es noch einmal probieren“, sagt sie und geht vis-à-vis zur U-Bahn hinunter, um ihren Arbeitsweg fortzusetz­en.

Dass der Schienener­satzverkeh­r von vorne herein verteufelt wird, hänge mit der Tendenz der Menschen zur Verallgeme­inerung zusammen, sagt Christian Korunka von der Fakultät für Psychologi­e an der Uni Wien: „Das ist eine Alltagssit­uation, die wir alle kennen. Machen wir dabei einmal eine schlechte Erfahrung, generalisi­eren wird diese.“Dazu komme, dass der Schienener­satzverkeh­r erfordere, von Routinen abzuweiche­n: „Das bedeutet Mehraufwan­d für den Verstand.“

Damit scheinen die U4Passagie­re – die bereits viele Sperren erlebt haben – etwas besser umgehen zu können als die S45-Fahrgäste. Im Ersatzbus von Hütteldorf nach Ottakring ist die ungewohnte Situation Thema vieler Gespräche. „Ich bin so grantig“, jammert eine Frau. „Der Bus ist langsam und bleibt nicht dort stehen, wo die S-Bahn hält.“

Die Einzigen, die sich richtig über den gegenwärti­gen Ausnahmezu­stand freuen, sind einige Anrainer der U-Bahn-Station Pilgramgas­se. Sie ist seit Februar für fast ein Jahr gesperrt – einen Ersatzbus gab es allerdings bisher keinen (die Bewohner mussten zu den nächstgele­genen Stationen gehen). „Für uns ist es jetzt zwei Monate besser“, sagt Anwohner Florian K. Warum der Schienener­satzverkeh­r dennoch so viele Menschen nerve? „Weil sich die Wiener halt immer aufregen müssen“.

So gesehen ist also doch irgendwie alles wie gewohnt.

 ??  ?? Bis 1. September fährt der Bus „U4z“die gesperrte Strecke Karlsplatz–Längenfeld­gasse ab. Einige Fahrgäste nehmen den Schienener­satzverkeh­r gelassen – andere weniger
Bis 1. September fährt der Bus „U4z“die gesperrte Strecke Karlsplatz–Längenfeld­gasse ab. Einige Fahrgäste nehmen den Schienener­satzverkeh­r gelassen – andere weniger
 ??  ?? Bis 22. Juli sind Anrainer der S45 auf Ersatzbuss­e angewiesen
Bis 22. Juli sind Anrainer der S45 auf Ersatzbuss­e angewiesen

Newspapers in German

Newspapers from Austria