Ersatzbusse nerven Wiener
Bewährungsprobe. Überfüllt und langsam: Ersatzbusse – wie sie gegenwärtig auf Teilen der Strecke von U4 und S45 verkehren – haben einen zweifelhaften Ruf. Zu Unrecht?
Mobilität. Entlang der U4 und S45 müssen sich Fahrgäste mit Schienenersatzverkehr herumschlagen. Die Döblinger sind beim Thema Parkpickerl zwiegespalten.
Bis zur Station Karlsplatz ist alles wie immer. Die U4-Garnitur Richtung Hütteldorf ist um sieben Uhr locker besetzt, die Passagiere wischen über ihre Smartphones. Doch als der Zug in den Tunnel fährt, meldet sich der Lautsprecher. „Beachten Sie die Streckensperre und steigen Sie aus.“Und das war es dann mit der Routine Montagfrüh.
Für Wiener Öffi-Benutzer beginnen die Ferien mit einer Nervenprobe: Die Wiener Linien und die ÖBB haben nämlich Teile der U4 (KarlsplatzLängenfeldgasse) und der S45 (Ottakring-Hütteldorf) wegen Bauarbeiten gesperrt.
Fahrgäste haben nun zwei Optionen: Großräumig ausweichen. Oder mit Ersatzbussen fahren. Diese mussten sich am Montag zum ersten Mal im Berufsverkehr bewähren. Schon im Vorfeld ließ wohl allein der Gedanke daran manche Betroffenen die Augen verdrehen. Denn ja, Schienenersatzverkehr ist notwendig, aber auch: kompliziert, mühsam und umständlich. Kurzum: Man mag ihn nicht so recht. Aber warum eigentlich?
„Er ist einfach nervig“, sagt Karin Bauer. Sie folgt in der Station Karlsplatz gerade den Schildern mit den Bus-Piktogrammen zum Ausgang. Bauer muss nach Hietzing. „Die Fahrt wird viel länger dauern. Und der Bus ist sicher voll.“Doch Bauer hat Glück: Sie bekommt einen Sitzplatz. Etwa 100 Passagiere haben in den großen Bussen Platz – alle drei bis fünf Minuten fährt einer ab. In eine U-Bahn-Garnitur passen 900 Personen.
Nicht alle Fahrgäste finden die provisorische Busstation vor der Kunsthalle auf Anhieb. „Die Station ist wirklich versteckt. Jetzt komme ich zu spät zur Arbeit“, schimpft die junge Ingenieurin Francesca P. Dann fährt der Bus los.
Gewohnheitstier
Nach seinem zweiten Halt – der Pilgramgasse – gibt es nur noch Stehplätze. Zehn Minuten später ist er bei der Längenfeldgasse, seiner Endstation. Bauer hat die Fahrt zumindest nicht ganz abgeschreckt: „Ich werde es noch einmal probieren“, sagt sie und geht vis-à-vis zur U-Bahn hinunter, um ihren Arbeitsweg fortzusetzen.
Dass der Schienenersatzverkehr von vorne herein verteufelt wird, hänge mit der Tendenz der Menschen zur Verallgemeinerung zusammen, sagt Christian Korunka von der Fakultät für Psychologie an der Uni Wien: „Das ist eine Alltagssituation, die wir alle kennen. Machen wir dabei einmal eine schlechte Erfahrung, generalisieren wird diese.“Dazu komme, dass der Schienenersatzverkehr erfordere, von Routinen abzuweichen: „Das bedeutet Mehraufwand für den Verstand.“
Damit scheinen die U4Passagiere – die bereits viele Sperren erlebt haben – etwas besser umgehen zu können als die S45-Fahrgäste. Im Ersatzbus von Hütteldorf nach Ottakring ist die ungewohnte Situation Thema vieler Gespräche. „Ich bin so grantig“, jammert eine Frau. „Der Bus ist langsam und bleibt nicht dort stehen, wo die S-Bahn hält.“
Die Einzigen, die sich richtig über den gegenwärtigen Ausnahmezustand freuen, sind einige Anrainer der U-Bahn-Station Pilgramgasse. Sie ist seit Februar für fast ein Jahr gesperrt – einen Ersatzbus gab es allerdings bisher keinen (die Bewohner mussten zu den nächstgelegenen Stationen gehen). „Für uns ist es jetzt zwei Monate besser“, sagt Anwohner Florian K. Warum der Schienenersatzverkehr dennoch so viele Menschen nerve? „Weil sich die Wiener halt immer aufregen müssen“.
So gesehen ist also doch irgendwie alles wie gewohnt.