„Sie ist eine starke Frau“
Solidarität mit Kapitänin Rackete, die das Migranten-Schiff nach Lampedusa steuerte
Die Entscheidung über einen möglichen Haftbefehl für die deutsche Sea-Watch-Kapitänin Carola Rackete ist auf heute, Dienstag, vertagt worden. Die 31-Jährige blieb damit vorerst in Hausarrest. Die Staatsanwaltschaft wirft der Frau Beihilfe zur illegalen Einwanderung, Verletzung des Seerechts und Widerstand gegen die Staatsgewalt vor. Die sizilianische Staatsanwaltschaft will prüfen, ob es Kontakte zwischen der Schiffscrew und den libyschen Schleppern gab.
Carola Rackete hatte in der Nacht auf Samstag ohne Erlaubnis der italienischen Behörden das Schiff mit 40 Migranten an Bord in den Hafen von Lampedusa gesteuert – nach einer zweiwöchigen Irrfahrt. Die aus Seenot Geretteten konnten an Land gehen, Rackete wurde auf Basis unlängst verschärfter Gesetze festgenommen.
Rackete sei bereit, alle Fragen zu beantworten, so ihre Anwälte Leonardo Marino und Alessandro Gamberini. Im Sinne der Angeklagten aussagen wollen auch fünf italienische Parlamentarier, die sich zuletzt an Bord des Schiffes befunden hatten. Rackete drohen 15 Jahr Haft und eine Geldstrafe von 50.000 Euro.
„Gelassen“
Nach Aussagen ihres Vaters ist die junge Frau grundsätzlich aber optimistisch. Sie sei „lustig und guter Dinge und sieht der ganzen Sache eigentlich gelassen ins Auge“, so Ekkehart Rackete gegenüber deutschen Medien. Er selbst mache sich keine Sorgen. Seine Tochter habe nie einen Fehler begangen. „Carola ist nicht impulsiv, sie weiß immer, was sie macht, und sie ist eine starke Frau.“Das, was passiert ist, sei keine Überraschung gewesen, er ist sicher, „dass sie sich der Konsequenzen bewusst war“. Und er geht davon aus, dass der Druck auf Italien einiges bewirken wird.
Und dieser Druck ist enorm. Der Fall Racketes ist längst zu einem Politikum auf höchster Ebene geworden. Dabei liegen sich Italiens Innenminister Matteo Salvini auf der einen Seite und Deutschland, Frankreich und EU-Politiker auf der anderen Seite in den Haaren.
Salvini weist Kritik zurück, verbittet sich jegliche Einmischung und spricht von einem kriminellen Akt und Krieg – im Zuge der Manöver im Hafen von Lampedusa hatte Rackete ein Patrouillenboot gerammt.
Dafür hat sich Rackete in einem Interview mit dem Corriere della Sera entschuldigt. Sie habe nie jemanden gefährden wollen. Das Boot habe sie nicht bewusst gerammt. Dass sie ohne Genehmigung in italienische Gewässer eingefahren sei, begründete sie damit, dass Migranten an Bord nach zwei Wochen auf See begonnen hätten, sich selbst zu verletzen. Tagelang hatte das Schiff in internationalen Gewässern auf eine Genehmigung gewartet, ein Nervenkrieg. Sie, so Rackete, habe befürchtet, dass die Lage eskalieren und Menschen Selbstmord begehen könnten.
Zuspruch kommt von einer Reihe deutscher Regierungspolitiker aller Lager. Frankreich wirft Salvini „Hysterisierung“vor. Auch Luxemburg schließt sich der Kritik an. Ebenso der Vatikan und der Verband Deutscher Kapitäne und Schiffsoffiziere.
Spenden-Million
Und eine in Deutschland und Italien initiierte Spendenaktion unterstreicht die Breite dieser Haltung: In Deutschland wurden in kurzer Zeit über eine von den TV-Stars Jan Böhmermann und Klaas Heufer-Umlauf gepushte Aktion über 700.000 Euro für die Rettungs-NGO „Sea Watch“gesammelt. In Italien waren es mehr als 400.000. Die Organisation will damit Racketes Gerichtskosten begleichen. Und, so ein Sprecher: „Wenn das Schiff beschlagnahmt bleibt, brauchen wir ein neues.“