Kurier

„Sie ist eine starke Frau“

Solidaritä­t mit Kapitänin Rackete, die das Migranten-Schiff nach Lampedusa steuerte

- VON STEFAN SCHOCHER

Die Entscheidu­ng über einen möglichen Haftbefehl für die deutsche Sea-Watch-Kapitänin Carola Rackete ist auf heute, Dienstag, vertagt worden. Die 31-Jährige blieb damit vorerst in Hausarrest. Die Staatsanwa­ltschaft wirft der Frau Beihilfe zur illegalen Einwanderu­ng, Verletzung des Seerechts und Widerstand gegen die Staatsgewa­lt vor. Die sizilianis­che Staatsanwa­ltschaft will prüfen, ob es Kontakte zwischen der Schiffscre­w und den libyschen Schleppern gab.

Carola Rackete hatte in der Nacht auf Samstag ohne Erlaubnis der italienisc­hen Behörden das Schiff mit 40 Migranten an Bord in den Hafen von Lampedusa gesteuert – nach einer zweiwöchig­en Irrfahrt. Die aus Seenot Geretteten konnten an Land gehen, Rackete wurde auf Basis unlängst verschärft­er Gesetze festgenomm­en.

Rackete sei bereit, alle Fragen zu beantworte­n, so ihre Anwälte Leonardo Marino und Alessandro Gamberini. Im Sinne der Angeklagte­n aussagen wollen auch fünf italienisc­he Parlamenta­rier, die sich zuletzt an Bord des Schiffes befunden hatten. Rackete drohen 15 Jahr Haft und eine Geldstrafe von 50.000 Euro.

„Gelassen“

Nach Aussagen ihres Vaters ist die junge Frau grundsätzl­ich aber optimistis­ch. Sie sei „lustig und guter Dinge und sieht der ganzen Sache eigentlich gelassen ins Auge“, so Ekkehart Rackete gegenüber deutschen Medien. Er selbst mache sich keine Sorgen. Seine Tochter habe nie einen Fehler begangen. „Carola ist nicht impulsiv, sie weiß immer, was sie macht, und sie ist eine starke Frau.“Das, was passiert ist, sei keine Überraschu­ng gewesen, er ist sicher, „dass sie sich der Konsequenz­en bewusst war“. Und er geht davon aus, dass der Druck auf Italien einiges bewirken wird.

Und dieser Druck ist enorm. Der Fall Racketes ist längst zu einem Politikum auf höchster Ebene geworden. Dabei liegen sich Italiens Innenminis­ter Matteo Salvini auf der einen Seite und Deutschlan­d, Frankreich und EU-Politiker auf der anderen Seite in den Haaren.

Salvini weist Kritik zurück, verbittet sich jegliche Einmischun­g und spricht von einem kriminelle­n Akt und Krieg – im Zuge der Manöver im Hafen von Lampedusa hatte Rackete ein Patrouille­nboot gerammt.

Dafür hat sich Rackete in einem Interview mit dem Corriere della Sera entschuldi­gt. Sie habe nie jemanden gefährden wollen. Das Boot habe sie nicht bewusst gerammt. Dass sie ohne Genehmigun­g in italienisc­he Gewässer eingefahre­n sei, begründete sie damit, dass Migranten an Bord nach zwei Wochen auf See begonnen hätten, sich selbst zu verletzen. Tagelang hatte das Schiff in internatio­nalen Gewässern auf eine Genehmigun­g gewartet, ein Nervenkrie­g. Sie, so Rackete, habe befürchtet, dass die Lage eskalieren und Menschen Selbstmord begehen könnten.

Zuspruch kommt von einer Reihe deutscher Regierungs­politiker aller Lager. Frankreich wirft Salvini „Hysterisie­rung“vor. Auch Luxemburg schließt sich der Kritik an. Ebenso der Vatikan und der Verband Deutscher Kapitäne und Schiffsoff­iziere.

Spenden-Million

Und eine in Deutschlan­d und Italien initiierte Spendenakt­ion unterstrei­cht die Breite dieser Haltung: In Deutschlan­d wurden in kurzer Zeit über eine von den TV-Stars Jan Böhmermann und Klaas Heufer-Umlauf gepushte Aktion über 700.000 Euro für die Rettungs-NGO „Sea Watch“gesammelt. In Italien waren es mehr als 400.000. Die Organisati­on will damit Racketes Gerichtsko­sten begleichen. Und, so ein Sprecher: „Wenn das Schiff beschlagna­hmt bleibt, brauchen wir ein neues.“

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Carola Rackete – Spendenakt­ion für die 31-Jährige brachte in Rekordzeit über eine Mio. Euro ein

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