Kurier

Ein Ort ohne Wiederkehr

Das Haus der Geschichte zeigt eine Wanderauss­tellung über Maly Trostinez

- VON THOMAS TRENKLER

Es hatte zwei Wettbewerb­e, viel Geduld und 13 Jahre Zeit seit der ersten Willensbek­undung gebraucht. Aber dann, im September 2017, wurde auf dem Areal des ehemaligen Aspangbahn­hofs in Wien-Landstraße ein Mahnmal für die Deportiert­en errichtet. Zwei sich verengende, im Dunkel verschwind­ende Betonschie­nen von Prinzgau/Podgorsche­k erinnern an die 47.035 Menschen, fast ausschließ­lich Juden, die von den Nationalso­zialisten in 47 Transporte­n in die Ghettos und Vernichtun­gslager verbracht wurden.

Neun der Transporte gingen nach Maly Trostinez, etwa zwölf Kilometer südöstlich von Minsk (Weißrussla­nd). Dort hatten die Nationalso­zialisten im Sommer 1942, um die „Endlösung der Judenfrage“umzusetzen, eine Vernichtun­gsstätte errichtet – als provisoris­cher Ersatz für ein in Mogilew geplantes, nicht fertiggest­elltes Vernichtun­gslager. Man erschoss oder vergaste die Opfer nach deren Ankunft im nahen Wald von Blagowscht­schina und ab 1943 im Wald von Schaschkow­ka.

Insgesamt dürften zwischen 50.000 und 60.000 Menschen ermordet worden sein, überwiegen­d Juden sowie sowjetisch­e Kriegsgefa­ngene und Zivilisten, die verdächtig­t wurden, Partisanen zu sein. Ende Oktober 1943 begann ein Sonderkomm­ando mit der Beseitigun­g der Spuren: Die Leichen wurden ausgegrabe­n und verbrannt. Im Juni 1944 steckte man eine Scheune mit erschossen­en Gefangenen in Brand; drei Tage später, als die Rote Armee eintraf, brannten die Leichenber­ge noch immer.

Nach dem Zweiten Weltkrieg geriet Maly Trostinez in Vergessenh­eit – zumindest in Westeuropa. Denn es gab kaum Überlebend­e, die hätten berichten können. In Österreich war es Waltraud Barton, die ab 2010 mit dem von ihr gegründete­n Verein „IM-MER Maly Trostinec erinnern“den Ort ohne Wiederkehr ins Bewusstsei­n rief, Gedenkreis­en organisier­te und Auf klärungsar­beit leistete; auch der Autor dieser Zeilen wurde von ihr gerügt, weil er Maly Trostinez einmal als „KZ“bezeichnet hatte.

Richtig ärgerlich

2014 nahmen sich Historiker aus Deutschlan­d, Weißrussla­nd, Tschechien und Österreich des Themas an. In der Folge entstand eine zweisprach­ige Wanderauss­tellung, die am 8. November 2016 in Hamburg eröffnet wurde. Derzeit (bis 27. Oktober) ist sie im Haus der Geschichte Österreich zusehen – auf dem Plateau der Neuen Burg, das auf den „Hitler-Balkon“führt. Von diesem aus verkündete Adolf Hitler im März 1938 den „Anschluss“Österreich­s an das Deutsche Reich.

Mit der unprätenti­ösen, vielschich­tigen Schau „Vernichtun­gsort Malyj Trostenez“reagiert Direktorin Monika Sommer wohltuend auf den belasteten Ort. Doch ihr Team ging bei der Auf bereitung lieblos, ungenau und richtig ärgerlich vor. Das beginnt schon mit dem Prospektma­terial. Denn man liest, dass die Schau „bislang in Deutschlan­d und Belarus“zu sehen gewesen sei. Tatsächlic­h wurde sie bereits 17 Mal gezeigt – darunter in Basel und in Theresiens­tadt bzw. Terezín (Tschechien).

Für die Präsentati­on in Wien hat man sie um einen Österreich-Teil ergänzt: Erzählt werden u.a. die tragischen Schicksale von Rudolf Gomperz, einem Pionier des Skisports, sowie des Ehepaars Lea und Pinkas Rennert. Bei der Gestaltung orientiert­e man sich nur ungefähr an den Originalst­elen, auf die Übersetzun­g ins Russische verzichtet­e man nonchalant. Und die viel zu glänzenden Blätter mit den Texten wurden derart plump auf die Stelen geklebt, dass die Ecken wegstehen.

Auf eine erste Ausschreib­ung – mit einigen qualifizie­rte Kandidaten – folgte ein zweites Verfahren mit einem deutlich reduzierte­n Anforderun­gsprofil. Die „Headhunter für die vertraulic­he Besetzung“von Granat Executive Search waren Wiens Kulturstad­trätin zu wenig.

Veronica Kaup-Hasler (SPÖ) im KURIER-Gespräch: „Ich habe darauf gedrängt, dass nicht nur die Vereinsmit­glieder entscheide­n, sondern es durch eine zehnköpfig­e Jury zu einer Objektivie­rung des Verfahrens kommt. Und bin sicher: Jan Nast ist eine gute Wahl.“– W. ROSENBERGE­R

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Auf dem Plateau der Neuen Burg, das auf den „Hitler-Balkon“führt: die unprätenti­öse, vielschich­tige Wanderauss­tellung „Vernichtun­gsort Malyj Trostenez“
 ??  ?? Plump auf die Stelen geklebt, keine Übersetzun­g ins Russische
Plump auf die Stelen geklebt, keine Übersetzun­g ins Russische
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Ein Berliner aus Dresden bald in Wien: Kulturmana­ger Jan Nast

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