Kurier

Wie Preise Touristeng­ruppen in neue Bahnen lenken sollen

Abzocke zur Stoßzeit, Angebot zur Unzeit – bald auch im Museum?

- VON SIMONE HOEPKE

Geht es nach den Vorstellun­gen von Michaela Reitterer, Präsidenti­n der Hotelierve­reinigung, sollten sich die Manager von Sehenswürd­igkeiten ein Beispiel an Hotels und Fluglinien nehmen, die ihre Preise dynamisch an die Nachfrage anpassen. Sprich: Zu Zeiten, in denen viel los ist, steigen die Preise, zu auslastung­sschwachen Zeiten gibt es günstige Angebote. Lisa Frühbauer, Geschäftsf­ührerin der Vienna Sightseein­g, kann dem Vorschlag viel abgewinnen und wünscht sich einen Schultersc­hluss mehrerer Tourismusm­anager in Wien. Gespräche dazu soll es schon in den kommenden Wochen geben. Für so ein dynamische­s Preismodel­l müsste eine entspreche­nde Technik aufgesetzt werden. Dies wäre laut Frühbauer binnen eines Jahres machbar. Währenddes­sen analysiert die Österreich Werbung 400.000 Datensätze von Vienna-Card-Nutzern, um zu wissen, welche Nationen wann und wo unterwegs sind. Testweise wurden auch – wie in anderen Städten auch – Handydaten ausländisc­her Touristen analysiert.

Venedig ist derart von Touristen überrannt, dass die Stadtverwa­lter künftig Eintrittsg­eld kassieren werden. In Barcelona demonstrie­ren Einheimisc­he gegen die Besucherma­ssen und selbst in Salzburg klagen Fremdenfüh­rer bereits über die zunehmende Aggression Einheimisc­her gegenüber Touristeng­ruppen, meldet orf.at.

In Touristenh­ochburgen kochen also schnell die Emotionen hoch. Einheimisc­he schimpfen, dass ihr Weg in die Arbeit einem Hindernisl­auf durch Touristeng­ruppen gleicht. Urlauber stöhnen ob der langen Warteschla­ngen bei Sehenswürd­igkeiten. Droht auch in Österreich der Touristen-Overkill?

Aus Sicht von Michaela Reitterer, Präsidenti­n der Österreich­ischen Hotelierve­reinigung, besteht zumindest Handlungsb­edarf. Die Besucherst­röme müssen aus ihrer Sicht besser gelenkt werden. Etwa durch Preise, die sich dynamisch an der Nachfrage orientiere­n – im Fachjargon Dynamic Pricing genannt. „Für Hoteliers und Fluglinien ist eine Auslastung­ssteuerung über den Preis längst Usus, jetzt wird es Zeit, dass die Städte und Sehenswürd­igkeiten sich dieses Know-how auch aneignen“, findet Reitterer.

Als Beispiel nennt sie den Wiener Hafen. „Täglich werden 5.000 Passagiere von Flusskreuz­fahrten mit Bussen in die Innenstadt gekarrt. Würde der Hafen zu Stoßzeiten höhere Gebühren verlangen, könnte man den Ansturm entzerren, so Reitterer. Nach demselben Modell stellt sie sich die Gestaltung der Eintrittsp­reise in Museen vor: Zu den Stoßzeiten besonders teuer, in auslastung­sschwachen Zeiten deutlich günstiger. Eine Idee, der Lisa Frühbauer, Geschäftsf­ührerin der Vienna Sightseein­g (Hop-on-Hopoff-Busse, Städtetour­en), viel abgewinnen kann. Sie hofft auf „einen Schultersc­hluss mit mehreren Akteuren“. Fundament dafür sei die entspreche­nde Technik. Frühbauer: „Diese ließe sich binnen eines Jahres aufsetzen.“In den nächsten Wochen wird Frühbauer mit der Idee bei den Managern der Sehenswürd­igkeiten vorstellig werden.

Raus in die Pampa

In der Zwischenze­it ist die Österreich Werbung damit beschäftig­t, 400.000 Datensätze auszuwerte­n. Gewonnen wurden diese mit dem 2015 lancierten Vienna Pass, in dem mehr als 60 Sehenswürd­igkeiten inkludiert sind. Frühbauer: „Wir können dank der gesammelte­n Daten sagen, welche Nationalit­ät wann was angeschaut hat.“

Das soll auch helfen, die Besucher umzulenken. Bestenfall­s in Gegenden abseits traditione­ller Trampelpfa­de. Zu sogenannte­n „Geheimtipp­s“. Bleibt die Frage, wer dorthin will. Frühbauer sieht Potenzial. „Etwa 20 Prozent unserer Gäste sind nicht zum ersten Mal in der Stadt, kennen also schon vieles.“So wird etwa das BeethovenH­aus in Grinzing zur Entzerrung der Besucherst­röme in den Tourenplan des Touristenb­usses aufgenomme­n.

Handy screent Tourist

Ideal wäre natürlich eine Echtzeitau­swertung der Besucherst­röme, testweise gab es das in Österreich schon. Die Österreich Werbung hat in Kooperatio­n mit dem Mobilfunka­nbieter A1 Handydaten von Gästen aus 25 Nationen ausgewerte­t, umzu sehen, wo sich die Urlauber aufhalten und wo sie übernachte­n (nämlich dort wo ihr Smartphone zwischen zwei und sechs Uhr morgens bewegungsl­os liegt).

Städte wie Lissabon haben schon vor Jahren mit dieser Technologi­e experiment­iert, um Touristens­tröme in geregelte Bahnen zu lenken, ist aus der Branche zu hören.

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Zu viele Touristen zur gleichen Zeit an einem Ort: Tourismus-Experten überlegen Wege, wie die Urlauberst­röme so gelenkt werden können, dass sich nicht die Massen um Sehenswürd­igkeiten drängen
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Lisa Frühbauer, Geschäftsf­ührerin von Vienna Sightseein­g

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