Rendi-Wagner misstraut Rechnungshof Was eine Schuldenbremse in der Verfassung bringt
Parteifinanzen. Die SPÖ-Politikerin bangt bei RH-Prüfung um Unabhängigkeit der Parteien Pro und Contra. Befürworter sehen eine Garantie für solide Budgetpolitik – Kritiker sehen Zukunftsinvestitionen in Gefahr
SPÖ-Chefin Pamela RendiWagner verteidigt die gemeinsam mit FPÖ und Jetzt vereinbarte ParteispendenNeuregelung, die am heutigen Mittwoch im Nationalrat beschlossen werden soll.
Die Kritik, dass der Rechnungshof weiter nicht selbst in die Bücher sehen darf und dass sich die SPÖ ein Gesetz zu ihren eigenen Gunsten zurecht geschneidert hat, wies sie in einem Interview mit dem ORF-„Report“zurück.
„Es gibt gar nichts zu verstecken“, betonte sie, lehnte aber eine direkte Einsichtnahme in die Finanzen der Partei durch den Rechnungshof ab. Dieser schicke weisungsgebundene Beamte zur Prüfung, während die jetzt und in Zukunft vorgesehenen Wirtschaftsprüfer unabhängige Finanzexperten seien, betonte die Chefin der Sozialdemokraten. Außerdem müsse eine Abwägung zwischen Transparenz und dem Wert unabhängiger politischer Parteien getroffen werden. Rendi-Wagner: „Wenn eine staatliche Institution in parteipolitische Finanzen sehen darf, dann müssen wir diskutieren, wie weit das gehen kann.“
Sie wehrte sich auch gegen den Vorwurf, dass ihre Partei Schlupflöcher bei der Parteienfinanzierung ausnutzen könnte: „Der Vorwurf, der hier im Raum steht, der stimmt nicht“, betonte Rendi-Wagner zum konkreten Kritikpunkt, dass die Fraktion sozialdemokratischer Gewerkschafter oder der SP-nahe Pensionistenverband durch zwischengeschaltete Vereine formal nicht mehr als parteinahe Organisationen gelten – und damit auch mit der nunmehrigen Neuregelung im Gegensatz zu den Bünden der ÖVP Spenden und Sponsorings nicht offenlegen müssen. Rendi-Wagner sieht das nicht so: „Das neue Gesetz sagt sehr wohl, dass alles, was an die Partei gespendet wird von befreundeten Vereinen, sehr wohl ausgewiesen werden muss.“Die neuen Spendenobergrenzen würden auch hier gelten.
Die Einigung über die Parteifinanzreform von Rot, Blau und Jetzt war überraschend am vergangenen Sonntag bekannt gegeben und umgehend heftig kritisiert worden. Die ÖVP nannte die Einigung eine „Farce“, die Neos sprachen von einer „absoluten Transparenz-Nullnummer“.
Die Debatte ist nicht neu: Schon 2011 sollte eine Schuldenbremse in der Verfassung verankert werden. Weil es dafür keine Zwei-Drittel-Mehrheit gab, blieb es bei einem einfachen Gesetz. Seither darf das strukturelle Defizit des Bundes (das Haushaltsloch, wenn man das Auf und Ab der Konjunktur ausklammert) maximal 0,35 Prozent der Wirtschaftsleistung betragen.
Jetzt, mit dem „freiem Spiel der Kräfte“im Nationalrat, gibt es in Österreich einen neuen Anlauf. Während am Dienstag der Plenartag mit der „Aktuellen Stunde“zur Budgetpolitik eröffnet wurde, hielten ÖVP, FPÖ und Neos zeitgleich eine Pressekonferenz ab. Tenor: Sie wollen einen gemeinsamen Antrag einbringen, um die Schuldenbremse in den Verfassungsrang zu heben. Was Ärger bei der SPÖ auslöste: Budgetsprecher Kai Jan Krainer sprach von einem „Wahlkampfschmäh“. Es gebe ein Haushaltsrecht, das funktioniere. Zudem habe immer die ÖVP den Finanzminister gestellt. Die SPÖ werde aus jetziger Sicht nicht mitstimmen.
Aus dem Vorstoß dürfte nichts werden, denn im Bundesrat haben ÖVP, FPÖ und Neos ohne SPÖ keine Zweidrittelmehrheit. Und jene im Nationalrat ist auch nicht fix: Die drei Fraktionen kommen nur auf 66,12 Prozent der 183 Mandate. Entscheidend könnten zwei wilde Abgeordnete sein: David Lasar, der jüngst aus dem FPÖ-Klub ausgetreten ist, und Efghani Dönmez, vormals ÖVP. Beide lassen die Entscheidung noch offen. Aber was spräche dafür, was dagegen?
Schwieriger auszuhebeln
Regierungen kommen und gehen, die Verfassung allerdings bleibt. Die Verankerung in der Verfassung wäre somit ein Garant dafür, dass nicht jede neue Regierung die Schuldenbremse mit einfacher Mehrheit aushebeln könnte.
Gut gerüstet
Der Finanzminister wäre gezwungen, Reserven für schlechtere Zeiten anzulegen. Bei Katastrophen oder Krisen dürfte der Staat Schulden machen, müsste sie aber in guten Zeiten ausgleichen.
Generationengerecht
Ausgeglichene Budgets stellen sicher, dass nicht eine Generation in Saus und Braus lebt und den Jüngeren einen Haufen Schulden überlässt.
Klare Prioritäten
„Eine gestaltende Politik braucht Budget-Spielräume“, sagt Margit Schratzenstaller vom Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO). Die Schuldenregel könne eine Debatte fördern, welche Ausgaben wirklich wichtig sind.
Schadet Investitionen
Klimawandel, Digitalisierung, Bildung: An Investitionsbedarf mangelt es nicht. Eine Schuldenbremse macht keinen Unterschied zwischen reinen „Wahlzuckerln“und Staatsausgaben, die sich langfristig bezahlt machen.
Falscher Zeitpunkt
Die Konjunktur steuert auf die Flaute zu. Staaten verdienen aktuell sogar Geld, wenn sie Schulden aufnehmen. Da wäre eine Schuldenbremse „volks- und betriebswirtschaftlich unsinnig“, findet Arbeiterkammer-Ökonom Markus Marterbauer.
Politisches Korsett
Die budgetäre Selbstfesselung entziehe ein zentrales Element der parlamentarischen Gestaltung, so Kritiker.
„Ich glaube schon, dass die Einführung der Schuldenbremse in Österreich mehr Bewusstsein geschaffen hat“, sagt Schratzenstaller. Entscheidend sei weniger, ob diese im Verfassungsrang stehe, sondern wie ernst sie genommen werde.
Ironie der Geschichte: In Deutschland steht die Schuldenbremse bereits seit zehn Jahren im Grundgesetz. Jetzt wird allerdings intensiv darüber diskutiert, ob das Instrument noch sinnvoll ist, wo gleichzeitig Brücken bröckeln und Schulen verfallen.