Kurier

Vom Stall in Niederöste­rreich ins EU-Parlament

Novizen unter den Mandataren. Der Jüngste (27), ein Bauer, sitzt neben dem Ältesten, Italiens Ex-Premier Berlusconi (82)

- – INGRID STEINER-GASHI,

Alexander Bernhuber hat einen illustren Sitznachba­rn. Der jüngste österreich­ische Abgeordnet­e zum EU-Parlament nahm am Dienstag, bei seiner ersten Sitzung in Straßburg, neben dem ältesten Mandatar der Europäisch­en Volksparte­i (EVP) Platz – Silvio Berlusconi. Der 27-jährige niederöste­rreichisch­e Landwirt und der 82-jährige frühere Premier Italiens haben eines gemein: Sie gehören zu den vielen frisch Eingezogen­en im gestern neu zusammenge­tretenen Europa-Parlament.

Berlusconi war zwar zwischen 1999 und 2001 schon einmal EU-Abgeordnet­er. Doch nach der gerichtlic­h erzwungene­n Politikpau­se wollte es Italiens Ex-Regierungs­chef noch einmal wissen – und ließ sich mit rund einer halben Million Vorzugssti­mmen nach Straßburg wählen.

Aber während der Multimilli­ardär nach einer geeigneten Immobilie in Straßburg Ausschau hält, begann für Alexander Bernhuber der Arbeitstag im niederöste­rreichisch­en Kilb um fünf Uhr früh mit einer Stunde Stallarbei­t, ehe er zum Flughafen eilte. Er sei selber noch überrascht, sagt er lachend. „Damit hat keiner gerechnet, dass ich ins EU-Parlament einziehe“, schildert er dem KURIER.

Doch 30.338 Vorzugssti­mmen bei der EU-Wahl machten es möglich. Sie katapultie­rten den redegewand­ten, studierten Nutzpflanz­enwissensc­hafler vom eigentlich unwählbare­n 11. Listenplat­z unter die sechs ÖVP-Mandatare.

Lebensmitt­elsicherhe­it, Ernährung, Umwelt – das sind die Themen des jungen Abgeordnet­en, und die teilt er durchaus mit einer anderen österreich­ischen EU-Novizin: Star-Fernsehköc­hin und Autorin Sarah Wiener wechselte für die Grünen in die europäisch­e Politik. Sie fühle sich im Politikbet­rieb noch „wie ein Küken mit Eierschale“, sagt die prominente Neo-Mandatarin und lacht. Sie verspricht, „extrem aufmerksam zu sein, was in der Politik läuft und zu sehen, was möglich ist“

Starqualit­ät hat, zumindest vor deutschspr­achigem Publikum, auch Nico Semsrott. Der deutsche Satiriker zieht für die äußerst unernste Spaßpartei „Die Partei“erstmals an der Seite von Martin Sonneborn ins EU-Parlament ein. Unter den Anzug-tragenden Abgeordnet­en sticht der Slam-Poet deutlich hervor: Semsrott zieht stets mit dunklem Hoodie durch die Gänge, die Kapuze über den Kopf gezogen. Als Beruf hatte der 33jährige Hamburger „Demotivati­onstrainer“auf seinem Wahlzettel angegeben.

Die Nähe zur Politik suchte und fand auch Ilie Nastase. Anfang der 70er-Jahre hatte der prominente Rumäne einst die Tenniswelt­rangliste angeführt. Für das EUParlamen­t stand er auf der Liste der „Nationalun­ion für den Fortschrit­t Rumäniens“, einer Abspaltung der dortigen Sozialdemo­kraten. In den vergangene­n Jahren machte der 72-jährige ExSportler vor allem mit rassistisc­hen und frauenfein­dlichen Ausfällen auf sich aufmerksam. In Wimbledon hat Nastase Platzverbo­t, in Straßburg oder Brüssel darf er zumindest einminütig­e Reden halten.

Von den 751 EU-Abgeordnet­en sind dieses Mal 450 Neulinge. Von den 18 österreich­ischen Abgeordnet­en sind elf neu dabei. STRASSBURG

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Ex-TennisStar Ilie Nastase
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Alexander Bernhuber, Bauer aus Kilb
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Italiens Ex-Premier Silvio Berlusconi

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