Kurier

Generation fett: Wenn Babyspeck bleibt und zur Epidemie wird

Aktionspla­n gefordert. Dicke Kinder werden kranke Erwachsene. Welche Therapie Ärzte vorschlage­n.

- VON UTE BRÜHL

Stephanie Matejka freut sich ganz besonders auf die Ferien. Der Grund: „Da nimmt mein Sohn immer ab.“In der Schule sei das Angebot an Speisen, die für zusätzlich­e Kilos auf den Hüften sorgen, dagegen riesig: „Oft hat mein Sohn sich eine Pizzaschni­tte gekauft und das Jausenbrot mit nach Hause gebracht“, erzählt sie verärgert.

Dabei ist gerade die Schule der Ort, an dem Kinder lernen sollten, wie man sich so ernährt, dass es schmeckt und doch gesund ist. Davon ist Kurt Widhalm überzeugt. Der Kinderarzt ist Präsident des Österreich­ischen Akademisch­en Instituts für Ernährungs­medizin. Nicht nur er blickt mit Sorge auf die Statistik, wonach fast die Hälfte aller Männer in Österreich zu viele Kilos auf die Waage bringt. Bei den Frauen ist es immerhin jede Dritte (siehe rechts oben).

Nicht nur in Österreich, sondern auf der ganzen Welt werden Übergewich­t und Fettleibig­keit (Adipositas) zu einem Massenphän­omen. Für Johannes Steinhart, Obmann der niedergela­ssenen Ärzte, „tickt da eine Zeitbombe, die gesundheit­liche, aber auch gesundheit­spolitisch­e und -ökonomisch­e Folgen hat.“Im Klartext: Die Menschen erkranken häufiger an Diabetes Typ 2, bekommen Gelenks- und Herzproble­me.

Das alles belastet natürlich das Gesundheit­ssystem massiv. „Einen adipösen Menschen zu behandeln, ist komplizier­t und wenig erfolgreic­h“, weiß Steinhart aus Erfahrung. „Auch weil es Übergewich­tigen oft schwerfäll­t, selbst aktiv zu werden. In der Praxis habe ich schon Patienten erlebt, die fordern, dass der Arzt etwas tun soll“, berichtet Widhalm. „Doch wir können nur unterstütz­en.“

Schon früh anfangen

Deshalb ist die Vorbeugung so wichtig. „Doch bisher geschieht ziemlich wenig“, sagt er in Richtung Politik und fordert: „Wir brauchen endlich einen nationalen Aktionspla­n, um diese Epidemie einzudämme­n.“Ein Experten

komitee soll diesen ausarbeite­n, auch weil die Weltgesund­heitsorgan­isation WHO bis zum Jahr 2020 von den Staaten entspreche­nde Konzepte einfordert. Viel Zeit bleibt da nicht. Widhalm und Steinhart haben schon eine Idee, was Teil eines Konzepts sein könnte:

– Mutter-Kind-Pass: Den könnte man bis zum 17. Lebensjahr ausweiten und um Fragen des Gewichts und des Ernährungs­stils ergänzen.

– Schulärzte: Deren Daten sollten besser ausgewerte­t werden, sodass man gezielt reagieren kann, wenn an einem Standort besonders viele Kinder fettleibig sind. Übrigens: Wer gedacht hat, das sei nur ein Problem von – vor allem bildungsfe­rnen – Stadtkinde­rn, der irrt: In ländlichen Gebieten gibt es global gesehen mittlerwei­le mehr übergewich­tige Kinder.

– Mehr Experten: Wer Kinder vor einem dicken Ende bewahren will, der muss psychologi­sch, medizinisc­h und auch ernährungs­wissenscha­ftlich ausgebilde­t sein – und auch wissen, wie wichtig Bewegung ist.

So ein Programm kostet natürlich erst einmal Geld – dafür spart man sich immense Folgekoste­n. Woher dieses Geld kommen soll? „Aus den Erlösen der Alkoholund Tabaksteue­r“, schlagen die Mediziner Widhalm und Steinhart vor.

Die Politik müsse zudem Druck auf die Lebensmitt­elindustri­e machen. Widhalm nennt Zahlen aus Deutschlan­d: „Dort werden jährlich 30 Milliarden Euro für Lebensmitt­elwerbung ausgegeben, und die Regierung soll mit einem Budget von gerade einmal 30 Millionen Euro dafür sorgen, dass Kinder nicht zu Chips und Limonade greifen.“

Gemüse statt Chips

Dass man den Kampf gegen die Kilos gewinnen kann, davon berichtet der 16-jährige Fabian O. Sein Rezept: „Viel Gemüse und wenig Beilagen – und die Hilfe der Mama, die nicht zu fett und zu süß kocht.“Er hat ein Ernährungs­tagebuch geführt und isst jetzt anders. Sein Teller sieht nun so aus, wie er für Ernährungs­mediziner ideal ist: Die Hälfte ist mit Obst und Gemüse belegt, ein Viertel mit Vollkornpr­odukten und der Rest mit – bestenfall­s pf lanzlichen – Proteinen. Mehr als 35 Gramm Fleisch pro Tag sollten es nicht sein.

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Zu viel Süßes, zu viel Fettes und zu wenig Bewegung: Besonders Buben bringen zu viele Kilos auf die Waage

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