Kurier

„Es war, als wäre ich aus den Schienen gehüpft“

Vor dem Auftritt am Elwood Music Festival am 3. Juli in Ort im Innkreis sprach Marcus Füreder mit dem KURIER über seine schwerste Krise

- VON BRIGITTE SCHOKARTH

Zwei Monate verbrachte Marcus Füreder alias Parov Stelar im Vorjahr „heftigst krank“nur im Bett. Der Erfinder des Electro-Swing war erschöpft – sowohl physisch als auch psychisch. Aber die Inspiratio­n kam zurück. Jetzt arbeitet Füreder an einem neuen Album und ist auch in seinem Atelier als bildender Künstler wieder aktiv.

KURIER: Was hat diese schwere Krise ausgelöst?

Marcus Füreder:

Ich habe einfach in den letzten Jahren zu viel Druck gehabt. Zehn Jahre lang habe ich nie Pause gemacht und Nachtschic­hten eingelegt, wenn etwas nicht gut gelaufen ist. Irgendwann hat mich mein Körper gezwungen, Pause zu machen. Ich konnte 2018 gerade noch die Sommer-Tour fertig spielen, bin Anfang September völlig erschöpft und planlos in meinem täglichen Leben gelandet und habe nicht mehr gewusst, wofür ich es noch habe, und was ich damit tun soll. Für zwei Monate bin ich nicht mehr aus dem Bett gekommen. Es war, als wäre ich für eine gewisse Zeit aus den Schienen gehüpft.

Heißt das, Sie konnten die Genesung nicht beeinfluss­en?

Das war ja das Problem! Ich bin ein Kontrollfr­eak und wollte es beeinfluss­en. Ich habe mir immer gedacht: Wo ist dieses tolle Gefühl, das ich immer im Studio oder in meinem Atelier hatte? Wo sind meine Gefühle im Allgemeine­n hingekomme­n? Bin ich jetzt ein alter Sack geworden, der so abgebrüht ist, dass ihn gar nichts mehr begeistern kann? Das hat Ende 2017 angefangen, und ich wollte immer erzwingen, dass dieses Gefühl zurückkomm­t. Aber irgendwann war mir klar, dass ich diese Phase nur rauszögere, wenn ich mich dagegen wehre. So habe ich für zwei Monate die Musik und die Kunst komplett weggeschob­en. Ich hab das komplette Netflix durchgesch­aut, das Internet auswendig gelernt, viel gelesen und sehr viel nachgedach­t. Und erst, als ich die Sehnsucht danach losgelasse­n habe, kam die Inspiratio­n zurück.

Und jetzt arbeiten Sie wieder an einem Album?

Es wird noch heuer rauskommen und sehr abwechslun­gsreich werden. Ich habe wieder sehr viele Stile gemischt – von Hip-Hop bis zum Pop-Song und zu meinen klassische­n Sampling-Ansätzen. Ich bin gespannt, wie die Leute das aufnehmen werden, weil ich die Reaktionen auf den Song „TROUBLE“gesehen habe, über die ich aber nur schmunzeln kann.

Was stimmte damit nicht?

Nach den Aussagen der Leute bin ich damit zu weit in Richtung Pop gegangen. Sie haben mir unterstell­t, ich würde jetzt Pop-Star werden wollen. Ich bin davon zwar weit entfernt, aber ich denke, es muss einem Künstler freistehen, auch andere Wege zu gehen.

Welchen Sinn macht es für Sie, in Zeiten von Streaming-Diensten noch ein Album zu machen?

Als ich vor 15 Jahren angefangen habe, habe ich Vinyl produziert. Da haben alle gesagt: Was ist denn mit dem los? Das interessie­rt ja keine Sau mehr. Ich habe gesagt, das kann schon sein, aber ich möchte es auf Vinyl haben. Und so ist es auch jetzt: Natürlich will ich mich den technische­n Entwicklun­gen nicht entziehen und sie nützen. Aber für mich ist dieser Fokus auf einzelne Tracks, wie wenn man sich ein Buch kauft und nur Kapitel sechs und Kapitel neun davon liest. Ich will eine Geschichte erzählen. Und das kann ich nur mit einem Album. Ich freue mich über Menschen, die es in seiner Gesamtheit hören. Und wenn sich 90 Prozent nur einen Track anhören, aber das sind dann 300 Millionen, freue ich mich auch.

Es haben aber nicht alle so grandiose Streamingz­ahlen wie Sie. Halten sie Streaming-Dienste trotzdem für fair?

Die Leute sagen immer: „0,004 Cent für einen Stream, das ist doch nichts. Früher habe ich eine CD verkauft und si und so viel dafür gekriegt!“Richtig, das Geld hat man dann in der Tasche gehabt. Aber bei Spotify bekommst du das auf Raten über viele Jahre hinweg. Denn keiner kauft eine CD zwei Mal. Aber wenn du Musik machst, die ein bisschen zeitlos ist, wird das über viele, viele Jahre hinweg immer wieder gestreamt. Ich finde diesen Ansatz nicht so schlecht.

Was hat Sie bewogen, zum Elwood-Festival zu kommen?

Wir haben die Wiener Stadthalle ausverkauf­t und hatten heuer wieder ein Angebot, dort zu spielen. Aber da bin ich zu sehr Künstler und denke mir: Was kann ich dort erreichen? Ich kann es nur wiederhole­n! Und ich versuche, in Österreich immer wo zu spielen, wo wir noch nicht waren. Es ist irgendwie abstrakt, dort zu spielen, und genau das freut mich. Genauso wie es mich freut, uralte Musik mit elektronis­cher zu kombiniere­n.

Diese Kombinatio­n hat Sie zum Weltstar gemacht. Was war der schönste Auslandsau­ftritt?

Vor 12 Jahren im Kosovo in einem Bunker. Während des Auftritts kamen Militärpat­rouillen rein. Das war beängstige­nd, aber gleichzeit­ig auch ein unglaublic­hes Erlebnis, weil ich gesehen habe, wie diese Mensch vom Krieg so durchgesch­üttelt worden sind, dass man denken könnte, sie müssten emotional zerstört sein. Sie haben das Konzert aber so dankbar aufgenomme­n, weil sie dabei 90 Minuten Urlaub von ihrer Realität machen konnten.

 ??  ?? Marcus Füreder, der Mann hinter Parov Stelar, stellt am Elwood Festival Sängerin Elena Karafizi vor, die die aus persönlich­e Gründen ausgestieg­ene Cleo Panther ersetzt
Marcus Füreder, der Mann hinter Parov Stelar, stellt am Elwood Festival Sängerin Elena Karafizi vor, die die aus persönlich­e Gründen ausgestieg­ene Cleo Panther ersetzt

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