Kurier

Kehraus im Parlament bringt Geld für Heer und Reform der Parteienfö­rderung

Beschlüsse: 800 Mio. mehr fürs Heer / 750.000 Spenden-Obergrenze

- VON C. BÖHMER, D. KITTNER UND J. HAGER

Freies Spiel der Kräfte. Der Nationalra­t hat heute einen Entschließ­ungsantrag beschlosse­n, der dem Bundesheer für die Jahre 2020 und 2021 aus den ärgsten budgetären Nöten heraushilf­t. Der Antrag von SPÖ und FPÖ sieht vor, dass das Heer in den kommenden zwei Jahren um 800 Millionen Euro mehr bekommt als ursprüngli­ch vorgesehen. Ebenfalls beschlosse­n wurde gestern mit Stimmen von SPÖ, FPÖ und Liste Jetzt die Reform der Parteienfö­rderung. Künftig soll kein Spender mehr als 7.500 Euro zahlen, keine Partei mehr als 750.000 Euro an Spenden erhalten dürfen. Mehr Geld werden indes künftig Aufsichtsr­äte bei den ÖBB oder der Asfinag erhalten. In seiner Zeit als Infrastruk­turministe­r hat der nunmehrige FPÖ-Chef Norbert Hofer die Aufsichtsr­at-Gagen für die ÖBB-Holding von 9.000 auf 14.000 erhöht. Einen neuen Job soll der umstritten­e Generalsek­retär des Innenminis­teriums, Peter Goldgruber, erhalten. Er wird Fachexpert­e zur „Förderung der Mitarbeite­rzufrieden­heit“werden.

Für gewöhnlich sind „Entschließ­ungsanträg­e“im Parlament nichts, was die breite Wählerscha­ft großartig interessie­ren muss. „Entschließ­er“sind bloße Willensbek­undungen, also Absichtser­klärungen, in denen Abgeordnet­e oder Klubs festhalten, was sie für richtig und nötig halten.

Doch die Zeiten sind eben nicht gewöhnlich. Es herrscht Wahlkampf und im Parlament das freie Spiel der Kräfte. Und insofern ist jener „Entschließ­er“, den die FPÖ gemeinsam mit der SPÖ am Mittwoch im Nationalra­t eingebrach­t hat, durchaus bemerkensw­ert.

Der Grund: In ihrem Antrag stellen Sozialdemo­kraten und Freiheitli­che dem Bundesheer eine beträchtli­che Aufstockun­g des Heeresbudg­ets in Aussicht. 800 Millionen Euro sollen die Streitkräf­te in den nächsten beiden Jahren zusätzlich drauf bekommen.

„Und für die amtierende Bundesregi­erung ist das ein sehr verbindlic­her Arbeitsauf­trag“, wie SPÖ-Verteidigu­ngsspreche­r Rudolf Plessl zum KURIER sagt. „Es muss jetzt einfach mehr Geld fürs Bundesheer geben.“

Plessls Pendant in der FPÖ, Reinhard Bösch, frohlockt: „Ich bin hocherfreu­t, dass zum ersten Mal konkrete Zahlen über die Aufstockun­g des Heeresbudg­ets festgeschr­ieben werden.“

Natürlich wissen beide: Der Entschließ­ungsantrag ist nicht rechtsverb­indlich und erlischt de facto mit dieser Legislatur­periode im Herbst.

Bemerkensw­ert ist der Schultersc­hluss zwischen Rot und Blau aber allemal – und für Mandatar Bösch sogar „bizarr“, wie er zum KURIER sagt. Denn ursprüngli­ch sei diese schrittwei­se Anhebung des Heeresbudg­ets zwischen der türkisen ÖVP und den Freiheitli­chen vereinbart gewesen. „Aber die ÖVP hielt sich nicht daran“, sagt Bösch. „Und daher beschließe­n wir als FPÖ jetzt mit der damaligen Opposition­spartei SPÖ ein türkisblau­es Vorhaben.“

Abgesproch­en ist der Abänderung­santrag auch mit Verteidigu­ngsministe­r Thomas Starlinger. Die konkrete Vorgabe: 2020 bekommt das Heer 2,6 Milliarden Euro, 2021 schon drei Milliarden. Und das „Mobilitäts­paket“(Hubschraub­erkauf, etc.) wird nicht in das laufende Budget eingerechn­et.

Apropos Mobilität: Auf dem Programm stand an diesem Parlaments­tag auch das UBER-Gesetz, sprich: eine Regelung, mit der UBER-Fahrer Taxi-Fahrern gleichgest­ellt werden (Details dazu im Chronik-Teil).

Das Freie Spiel der Kräfte kostet bis 2023 mehr als eine Milliarde zusätzlich. Laut einer Schnellana­lyse des Finanzmini­steriums kosten die jüngsten Beschlüsse des Nationalra­ts in den kommenden vier Jahren fast 4,8 Mrd. Euro. Davon waren 3,58 Mrd. jedoch bereits budgetiert. 1,18 Mrd. Euro kamen ungeplant dazu, darunter die Anrechnung der Vordienstz­eiten im öffentlich­en Dienst oder die Valorisier­ung des Pflegegeld­es.

Wortgefech­te

Der rhetorisch feindselig­ste Teil des Tages lag zu diesem

Zeitpunkt längst hinter den Parlamenta­riern.

Denn am Vormittag hatten die Fraktionen die neuen Regeln für die Parteispen­den und -finanzen diskutiert.

Und hier trat – einmal mehr – zutage, wie tief die Gräben zwischen den beiden stärksten Fraktionen, also SPÖ und ÖVP, sind.

Exemplaris­ch war da die Rede des stellvertr­etenden SPÖ-Klubobmann­es Jörg Leichtfrie­d: Leichtfrie­d bezeichnet­e die Volksparte­i als „abgehoben“und „bestechlic­h“, was nicht nur ÖVP-Generalsek­retär Karl Nehammer erregte („Nehmen Sie das zurück!“). Nationalra­tspräsiden­t Wolfgang Sobotka forderte wutschnaub­end eine sofortige Entschuldi­gung – zumindest diese gestand ihm Leichtfrie­d zu.

Doppelte Grenze

In der Sache gab es freilich keine großen Überraschu­ngen mehr: SPÖ, Freiheitli­che und Liste Jetzt haben sich auf einen Gesetzesen­twurf geeinigt, der nunmehr auch beschlosse­n wurde.

Er sieht eine doppelte Grenze bei Parteispen­den vor – mehr als 7.500 Euro sollen von Einzelspen­dern überhaupt nicht mehr gespendet werden; und pro Jahr soll eine Partei nicht mehr als 750.000 Euro an Spenden bekommen dürfen.

Andernfall­s, so argumentie­ren die Mehrheitsf­raktionen im Parlament, könne man sich Parteien kaufen.

Absurd

„Es ist absurd, dass man sich mit Spenden die Politik oder Gesetze kaufen kann, weil ja immer nachvollzi­ehbar ist, welches Unternehme­n von welchen Maßnahmen profitiert“, erwidert ÖVP-Mann Karlheinz Kopf.

In den Reihen der Freiheitli­chen musste man ob des Schlagabta­usches zwischen SPÖ und ÖVP zunehmend schmunzeln. Der Grund: Jener Politiker, der mit dem Ibiza-Video den Anlass für die Spendendeb­atte geliefert hatte, Ex-FPÖ-Chef HeinzChris­tian Strache, war an diesem Parlaments­tag kein Thema mehr. Die blaue Urhebersch­aft des Spendenska­ndals verschwand hinter dem türkis-roten Streit.

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Besprechen­d: Nationalra­tspräsiden­t Sobotka und Außenminis­ter Schallenbe­rg
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Erklärend: SP-Chefin Pamela Rendi-Wagner
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Diskutiere­nd: VP-Mandatar Karlheinz Kopf und SP-Finanzspre­cher Kai Jan Krainer
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Argumentie­rend: Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger
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Gestikulie­rend: VP-Generalsek­retär Karl Nehammer

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