Die Gewinner und Verlierer im EU-Postenpoker
Analyse. Osteuropa und Spitzenkandidaten gehen leer aus, das Parlament protestiert – und wählt doch zahm einen neuen Chef
Wäre die Suche nach Europas Spitzenpersonal ein Match zwischen zwei Teams gewesen, würde das Ergebnis nun 1:0 lauten – Sieg der 28 EUStaats- und Regierungschefs (Europäischer Rat) über das EU-Parlament. Denn die fünf wichtigsten Jobs in der EU haben nur Politiker erhalten, die vom Parlament nie vorgeschlagen wurden.
Überraschungskandidatin Ursula von der Leyen, derzeit Deutschlands Verteidigungsministerin, wird die EU-Kommission leiten; die Französin Christine Lagarde die Europäische Zentralbank; der Spanier Josep Borrell den Auswärtigen Dienst; der Belgier Charles Michel den Rat und der Italiener David-Maria Sassoli das EU-Parlament.
Ein „wenn auch mit viel Krampf gewonnenes, doch bemerkenswertes Ergebnis“, meint Europa-Experte Stefan Lehne. „Allen fünf Personen traut man den Job durchaus zu. Und noch dazu rücken zwei Frauen an die Spitze der zwei wichtigsten Ämter in der EU“, sagt der für den Thinktank Carnegie Europe tätige, frühere österreichische Spitzendiplomat im Gespräch mit dem KURIER.
Alle Spitzenkandidaten des EU-Wahlkampfes gingen hingegen leer aus. EVP-Mann Manfred Weber bleibt Fraktionsführer im EU-Parlament. Frans Timmermans (Sozialdemokrat) und Margrethe Vestager (Liberale) winkt als Trostpreis ein Vizepräsidentenposten in der Kommission. Die Verantwortung dafür sieht Lehne beim Abgeordnetenhaus: „Das Parlament hat es nicht geschafft, eine Koalition hinter einem Kandidaten zu bilden. Hätte es einen Kandidaten präsentiert, wäre dem Rat nichts anderes übrig geblieben, als ihn anzunehmen.“
So aber stellten die EUAbgeordneten ihre eigene Partei über alle anderen Ziele – und die Regierungschefs übernahmen die Spielführung. Und zwar nach ihren eigenen Regeln.
„Hinterzimmerdeals“beim Personalpoker um die Top-Jobs aber seien dies nicht gewesen, weist Lehne diesen Vorwurf zurück. „Anders zu verhandeln, wäre gar nicht möglich gewesen. Wie sollen 28 Regierungschefs transparent und in öffentlicher Debatte diskutieren?“
Eine Deutsche, eine Französin, ein Spanier, ein Italiener und ein Belgier – ausschließlich Westeuropäer kamen bei dieser Neuvermessung der europäischen Macht zum Zug, während Osteuropa leer ausging. Für den Chefposten des Parlaments hatte der Rat zunächst den bulgarischen Expremier Stanischew vorgeschlagen.
Neuer Parlamentschef
Da aber schlug das Parlament andere Wege ein – und kürte gestern den Italiener David Sassoli (63) zum neuen Chef. Der Sozialdemokrat und ehemalige TV-Journalist war von seiner Kür selbst überrascht. Und es hatte den Anschein, als wollten die EU-Abgeordneten hauptsächlich jemanden wählen, der nicht von den Regierungschefs suggeriert worden war.
An der künftigen europäischen Spitze wird kein Osteuropäer mehr mitspielen. „Die osteuropäischen Regierungschefs haben während der Verhandlungstage ihre ganze Energie darauf verwendet, Frans Timmermans abzuwehren“, sagt Stefan Lehne. Das sei ihnen wichtiger gewesen, als selber für Ämter zu kämpfen. Doch die Rechnung, sich den in Polen und Ungarn unbeliebten, für Rechtsstaatlichkeit verantwortlichen Vizekommissionschef vom Hals zu halten, dürfte nicht aufgehen. Lehne: „Eine Kommissionschefin Von der Leyen wird mindestens so heftig für den Erhalt