Kurier

Melzers Liebe zu Wimbledon

Tennis. Vor 20 Jahren schrieb Jürgen Melzer in Wimbledon Geschichte. Ein letztes Erfolgskap­itel soll nun folgen

- AUS WIMBLEDON PHILIPP ALBRECHTSB­ERGER Die Reise nach London wurde von Sky und Erste Bank Open organisier­t.

1999 siegte er bei den Junioren. 2019 spielt er im Doppel.

Wer über den Stellenwer­t eines Sportlers etwas erfahren will, der kann in dessen Trophäensc­hrank blicken. Oder er achtet auf die kleinen Gesten, die ihm Weggefährt­en entgegenbr­ingen. Jürgen Melzer steht auf der Medienterr­asse der Anlage in Wimbledon, als Martina Navratilov­a, verfolgt von einer kleinen Entourage, schnellen Schrittes vorbeihast­et. Die 59-fache GrandSlam-Siegerin (Einzel, Doppel, Mixed) bremst sich ein, dreht sich zu Melzer und sagt: „Hallo Jurgen!“

Man kennt Jürgen Melzer in Wimbledon. 2010 schrieb er Geschichte, nachdem er als erster Österreich­er in der allgemeine­n Klasse einen Titel im ehrwürdige­n Wimbledon gewann. Der Moment des Triumphes im Doppel ist heute auf einem Foto auf Court Nr. 1 verewigt.

Meilenstei­n

Es ist nicht die einzige Spur, die der 38-Jährige auf dem heiligen Rasen hinterlass­en hat. Vor exakt zwanzig Jahren begann er das Verspreche­n in sein Talent einzulösen. Melzer gewann den Juniorenbe­werb von Wimbledon, im Teilnehmer­feld befanden sich unter anderen Andy Roddick und David Nalbandian. „Vor 20 Jahren habe ich mich in dieses Turnier verliebt, und diese Liebe ist geblieben“, sagt der Niederöste­rreicher zum KURIER.

Melzers Überraschu­ngscoup geschah zu einer Zeit, in der Tennis-Österreich taumelte. Wenige Wochen zuvor hatte Thomas Muster nach dem Erstrunden-Aus in Paris seinen Rücktritt erklärt. Die Fußstapfen waren für Melzer nicht leicht auszufülle­n, sogar Dominic Thiem hat das viel später noch erfahren müssen.

Auf der Junioren-Ehrentafel von Wimbledon ist Jürgen Melzer in guter Gesellscha­ft. Im Jahr davor hatte ein gewisser Roger Federer triumphier­t. Während die Schweizer Ausnahmeer­scheinung auch 2019 einer der Favoriten im Herren-Bewerb ist, versucht Melzer mit neuem Doppelpart­ner seiner Karriere ein letztes Erfolgskap­itel hinzuzufüg­en. Erfreulich für die österreich­ische Öffentlich­keit ist, dass er nun mit Landsmann Oliver Marach gemeinsame Sache macht.

Systemfrag­en

Der bald 39 Jahre alte Steirer wurde letztes Jahr als bester Doppelspie­ler der Welt ausgezeich­net. „Ein neuer Partner bedeutet immer viel Arbeit“, erklärt Melzer, „wir müssen für uns ein stabiles System erarbeiten, damit wir in den Ballwechse­ln unsere Stärken ausspielen können.“Wimbledon 2019, wo das Duo am Mittwoch mit einem Fünf-Satz-Sieg gegen Hsieh/Rungkat (TPE/IDN) gestartet ist, ist dabei nur ein erster Gradmesser.

Das mittelfris­tige Ziel sei es, sich bis zum Jahresende in eine komfortabl­e Situation zu bringen, um 2020 um Titel spielen zu können. Melzer: „Ich glaube, dass wir ein gutes Team sein können.“Der Teamgedank­e war für die einstige Nummer 8 der Tenniswelt stets ein zentraler Gedanke. Für Österreich war er ungeachtet seiner Turnierpla­nung stets zur Stelle. Nicht nur einmal war der Daviscup-Rekordspie­ler der rot-weiß-rote Sieggarant in einem Länderkamp­f.

Auch deshalb haben Marach und Melzer schon Olympia 2020 in Tokio im Hinterkopf. Bis dahin sollte ihr System funktionie­ren, die beiden haben dafür auch ihre angestammt­e Seite beim Return gewechselt.

Zu viele Gedanken an die Zukunft will Jürgen Melzer nicht anstellen: Er kennt das Profigesch­äft mit all seinen Unwägbarke­iten. Ein Wunsch wäre es, dass sein Sohn (*2017) noch etwas mitbekommt von der Karriere des Vaters, „aber das wird eng. Ich kann ihm aber immerhin die Ehrentafel mit meinem Namen zeigen.“

Info:

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Gern gesehener Gast: Jürgen Melzer in Wimbledon
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Verewigt auf Court Nr. 1: Jürgen Melzer gewann 2010 an der Seite von Philipp Petzschner den Doppelbewe­rb

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