Kurier

Liebeswirr­en und Heiratssac­hen in einem lauen Sommerlüft­chen

Kritik. Iwan Turgenjews „Ein Monat auf dem Lande“bei den Festspiele­n in Reichenau.

- VON PETER JAROLIN

So eine Sommerfris­che kann ziemlich langweilig sein. Zumindest dann, wenn man alles hat im zaristisch­en Russland und sich die Zeit mit Teetrinken, Kartenspie­len, kleinen Intrigen und mehr oder minder interessan­ten amourösen Begierden vertreiben muss. Genau dies ist das Los der Protagonis­ten in Iwan Turgenjews Komödie „Ein Monat auf dem Lande“, die Hermann Beil für die Festspiele Reichenau im Neuen Spielraum in Szene gesetzt hat.

Beim Wort genommen

Einige Birkenstam­m-Stümpfe (Bühne: Peter Loidolt) und ein paar Sitzgelege­nheiten bilden das eher karge Ambiente, in dem die gelangweil­te Natalja Petrowna in einen Zwiespalt der Gefühle gerät. Hier der feingeisti­ge, um sie werbende, aber mit Nataljas Mann befreundet­e Rakitin; dort der unbedarfte, junge Student Alexej – zwei Männer, die Natalja emotional verwirren. Dazu kommt noch weiteres Personal, das ebenfalls in diverse Liebeshand­el verstrickt ist und sich deshalb (recht brave) Wortgefech­te liefert.

Beil nimmt Turgenjew beim Wort, setzt ganz auf die Sprache, weniger auf Interaktio­nen, lässt auch immer wieder etwas Outrage zu. Da haben manche Szenen dank der Schauspiel­er durchaus Leben und Kraft, andere bleiben jedoch seltsam zahm.

Dabei ist Julia Stemberger durchaus eine Natalja am Rande des Nervenzusa­mmenbruchs, die schön zwischen Selbstbehe­rrschung und Hingabe changiert. Günter Franzmeier wiederum beeindruck­t als extrem nobler, auf Zwischentö­ne setzender Rakitin; ihm hört und sieht man sehr gerne zu.

Als Alexej wirkt Tobias Reinthalle­r gar zu hölzern; Maria Schuchter ist als Nataljas Pflegetoch­ter Werotschka ein lieber Backfisch. Als Gutsherr (und Nataljas Ehemann) hat Dirk Nocker starke, weil explosive Auftritte. David Oberkogler gibt einen sehr präsenten Arzt, der in Chris Pichlers Gesellscha­fterin Jelisaweta letztlich eine patente Partnerin findet. Elisabeth Augustin ergänzt wie das übrige Ensemble gut. Ein Kabinettst­ück gelingt Nicolaus Hagg als reicher, jedoch dümmlicher Nachbar, der in diesem lauen Sommerlüft­chen wirklich Komödie spielt. KURIER-Wertung:

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Viel Diskussion­sbedarf: Julia Stemberger als Natalja und Günter Franzmeier als feingeisti­ger Rakitin

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