Kurier

Frauenpowe­r für Europa

Kommission und Zentralban­k sollen künftig von zwei Frauen geführt werden. Christine Lagarde (re.) steht für Niedrigzin­sen und lockere Schuldenpo­litik. Ursula von der Leyen ist umstritten.

- VON ULRIKE BOTZENHART UND HERMANN SILEITSCH-PARZER

Der Mittwoch begann für die deutsche Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen wie so oft: mit einer Kabinettss­itzung im Berliner Bundeskanz­leramt. Doch danach ging es schon ab in den Flieger nach Straßburg: Die 60Jährige präsentier­te sich dort erstmals EU-Parlamenta­riern als nominierte EU-Kommission­spräsident­in. Sie ist es, die beim Ausloten der Interessen der Staats- und Regierungs­chefs als Kompromiss­lösung gefunden wurde. Und als solche ist sie auch umstritten: Sozialdemo­kraten, Grüne, Liberale, Rechtspart­eien – aus allen Richtungen setzte es Kritik daran, dass keiner der gewählten EU-Spitzenkan­didaten die politische Führung der Kommission übernehmen wird, sondern eine Frau, die sich der Wahl nicht gestellt hat.

Jetzt gilt es für die Deutsche, in Straßburg für sich zu werben, um die Abstimmung Mitte Juli zu überstehen.

Ihre Offensive startete sie in der eigenen Parteienfa­milie. Kerzengera­de und strammen Schrittes zog die CDUPolitik­erin in den Saal der Europäisch­en Volksparte­i (EVP) ein – an ihrer Seite Manfred Weber, EVP-Spitzenkan­didat für diesen Job. Im Saal herrschte dichtes Gewimmel, jeder und jede wollte sich einen eigenen ersten Eindruck machen von der Frau, „die wie das Kaninchen aus dem Zylinder gezogen“wurde ( © FDP-Chef Christian Lindner).

Politische­r Sprengstof­f

Auch innerhalb der deutschen Regierungs­koalition kriselt es wegen von der Leyens Nominierun­g. Ex-SPDChef Sigmar Gabriel legte seiner Partei am Mittwoch sogar einen Koalitions­bruch nahe. Von der Leyens Benennung gegen den Willen der SPD sei ein „beispiello­ser Akt der politische­n Trickserei“, sagte Gabriel dem Tagesspieg­el.

Derweil werden die politische­n Erfolge und Misserfolg­e der langjährig­en Merkel-Vertrauten analysiert. Auf der Habenseite der studierten Ärztin und siebenfach­en Mutter stehen vor allem erreichte Ziele als Familienun­d dann Arbeitsmin­isterin (Kinderbetr­euung und Elterngeld). Als Verteidigu­ngsministe­rin (ab Ende 2013) lief es hingegen überhaupt nicht rund, eine Krise jagte die andere: Ausrüstung­smängel, eine Affäre um teure Ministeriu­msberater und Ungereimth­eiten um die überteuert­e Sanierung des Segelschul­schiffs „Gorch Fock“sind einige davon.

Auf der Habenseite für den Europa-Job stehen ihre Weltgewand­theit, perfekte Englisch- und Französisc­hKenntniss­e, ihre langjährig­e Regierungs­erfahrung, ihre Vernetzung auf EU- und NATO-Ebene und ihre Zähigkeit, im schwersten Sturm die Nerven zu bewahren.

Das ABC von Lagarde

All das – abgesehen von der militärisc­hen Erfahrung – zeichnet auch die zweite Frau aus, die Europas währungspo­litische Geschicke lenken soll. Und noch mehr: Ausdauernd, blitzgesch­eit, charmant, disziplini­ert, eisern, fleißig, gut vernetzt , humorvoll – so könnte es wohl noch weitergehe­n. Von A bis Z fänden sich Eigenschaf­ten, die Christine Lagarde zugeschrie­ben werden. Ab 1. November wird die 63-jährige Französin die Europäisch­e Zentralban­k (EZB) leiten.

Er sei „persönlich sehr positiv berührt“über die Entscheidu­ng, sagte Österreich­s Notenbank-Chef Ewald Nowotny über Lagarde: „Eine gute Wahl.“Er habe sie schon als französisc­he Finanzmini­sterin kennen und schätzen gelernt. 2017 war Lagarde auf Einladung des Ex-Finanzmini­sters Hans-Jörg Schelling Gast beim Opernball.

Diplomatis­ches Geschick bewies Lagarde als Chefin des Internatio­nalen Währungsfo­nds (IWF). Sie musste kurzerhand übernehmen, als Managing Director Dominique Strauss-Kahn über einen Sexskandal stolperte. Ihm wurde – lange vor #MeToo – vorgeworfe­n, Frauen vielfach sexuell bedrängt zu

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