Kurier

Hütchenspi­eler auf der MaHü

Hütchenspi­eler. Eine Psychologi­n erklärt, warum Menschen mitmachen, obwohl sie wissen, dass sie verlieren

- VON BIRGIT SEISER

Die Hütchenspi­eler sind zurück in der Stadt. Eine Psychologi­n erklärt, warum Menschen mitmachen, obwohl sie wissen, dass sie verlieren.

Lokalaugen­schein.

Eine Menschentr­aube hat sich auf der Mariahilfe­r Straße um einen jungen Mann versammelt, der auf dem Boden hockt. Blitzschne­ll verschiebt er kleine Becher mit einer Kugel darunter, es dauert nicht lange, bis die ersten Zuschauer 50-Euro-Scheine zücken. Und das, obwohl eigentlich hinlänglic­h bekannt ist, dass man beim Hütchenspi­elen nicht gewinnen kann.

Beim KURIER-Lokalaugen­schein wirkt es aber, als ob einige sehr wohl Glück hätten. Doch der Schein trügt: Meist sind es nur ein oder zwei Personen, die nichts ahnend den Betrügern auf den Leim gehen. Die vielen ande

„Es geht um Geschick, und man bekommt das Gefühl, man wäre den Betrügern überlegen.“Izabela Horodecki Spielsucht­hilfe

ren Zuschauer und Mitspieler gehören zur Bande. Drei bis fünf Personen werden als Lockvögel eingesetzt. Zunächst „spielen“sie und gewinnen. Ihre Einsätze sind rund 50 bis 100 Euro hoch und werden in wenigen Minuten verdoppelt oder verdreifac­ht.

Fingerfert­ig

Hat man sich dann entschiede­n mitzuspiel­en, gewinnt man beim ersten Spiel auch. Danach sind die einzigen Gewinner aber die Hütchenspi­eler, die ihre Masche so perfektion­iert haben, dass sie die Kugel unter der Nussschale oder dem Hütchen erst nach der Auswahl des Spielers unbemerkt vertausche­n. Obwohl diese Masche auf der ganzen Welt bekannt ist, lassen sich immer wieder Menschen darauf ein. Den Grund dafür kann Izabela Horodecki von der Spielsucht­hilfe erklären: „Beim Hütchenspi­elen ist es das Gleiche wie zum Beispiel bei Automaten oder beim Roulette. Es gibt zunächst den Reiz, am Geschehen teilzuhabe­n. Die angebliche­n Gewinne der Mitspieler fixen einen noch weiter an.“

Die Erfahrung zeigt der Psychologi­n, dass dieser Reiz von sozialen Schichten oder der Ausbildung unabhängig ist. „Gerade beim Hütchenspi­elen kommt noch dazu, dass es nicht nur vom Glück, sondern eigentlich auch vom Geschick abhängt. Man muss ja erkennen, unter welcher Nussschale die Kugel liegt. Da bekommt man das Gefühl, man wäre den Betrügern überlegen“, sagt Horodecki. Auch der Vergleich zum Lottospiel­en ist nicht weit hergeholt. „Das ist ähnlich. Man weiß, dass es nur sehr geringe Chancen gibt, zu gewinnen, aber man hofft, dass man eben mehr Glück hat als die anderen.“Im Jahresberi­cht der Spielsucht­hilfe kamen 2018 Spielsücht­ige zu Wort. Einer erklärt den Reiz so: „Spielrausc­h ist die Zeitphase, wo der Kopf sagt ‚Geh‘ ma nach Hause‘ und der Körper nicht reagiert. Man will nach Hause, weil man schon genug verspielt oder gewonnen hat und man es mitnehmen könnte. Die Kontrolle funktionie­rt aber nicht.“In abgeschwäc­hter Form passiert das auch beim Hütchenspi­elen.

Banden kamen zurück

Als der KURIER auf der Mariahilfe­r Straße die Hütchenspi­eler beobachtet, fahren auch immer wieder Streifenwa­gen der Polizei vorbei. Sehen die Betrüger einen solchen, machen sie sich schnell aus dem Staub. Das ist auch der Grund, warum sie sich meistens im Umfeld von U-Bahn-Stationen auf halten. Droht eine Kontrolle, f lüchten sie in verschiede­ne Richtungen und sind später nur schwer zu finden.

Die Stadt Wien führt gemeinsam mit der Polizei seit Jahren Schwerpunk­tkontrolle­n durch, um die Banden zu vertreiben, die meist aus Osteuropa kommen. Im vergangene­n Jahr konnte man sie dadurch aus der Stadt fernhalten. Doch so lange es Menschen gibt, die auf die Masche hereinfall­en, werden die Betrüger wohl weiter nach Wien kommen.

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Täuschungs­manöver: Der Hütchenspi­eler schiebt die Kugel blitzschne­ll unter einen anderen Becher, nachdem der Mitspieler seine Wahl getroffen hat
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Die meisten Zuschauer gehören zu der Bande des Hütchenspi­elers

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