Der ÖVP geht es nicht (nur) um Kickl
Sebastian Kurz hat der FPÖ ein zu wichtiges Amt überlassen. Das hat er nun aufwendig korrigiert.
Für hartgesottene Blaue bleibt er wohl der „beste Innenminister aller Zeiten“(Copyright: FPÖ). Seine Gegner haben eine lange Liste an Verfehlungen parat – von der BVT-Affäre über die boshafte Umbenennung der Erstaufnahme- in Ausreisezentren bis hin zu skandalträchtigen Sagern („Das Recht hat der Politik zu folgen“). Herbert Kickl polarisiert. Wer nicht für ihn ist, ist gegen ihn.
Die ÖVP hat in dem Spiel relativ geschmeidig die Seiten gewechselt. Nach 17 Monaten beendete Sebastian Kurz nicht nur Türkis-Blau. Er zerstörte dabei auch gleich sein mühsam gezeichnetes Trugbild von der harmonischsten Koalition aller Zeiten. Zumindest Zweiteres kam angesichts des Schauspiels, das man der Bevölkerung zuvor geboten hatte, überraschend.
Was bewog die ÖVP zum Meinungsumschwung? Wieso kommt Kickl für die Türkisen plötzlich – für jetzt und alle Zeit – nicht mehr als Minister infrage? Seine rechten Ansichten waren lang bekannt, Kurz nahm das stets wissentlich in Kauf. Die ÖVP-Argumentation, dass Kickl zur Zeit des Ibiza-Abends FPÖ-Generalsekretär gewesen und daher untragbar sei, klingt gut. Sie ist aber nicht die ganze Wahrheit.
Die ÖVP hat nicht nur Kickl unterschätzt, sondern auch den Einfluss, den er Kraft seines Amtes im Innenministerium nahm. Kickl begann auszutauschen, umzufärben und drang in ÖVP-Machtzirkel vor. Zudem nutzte er das Ministerium (etwa in Ausländerfragen) zu offensichtlich für Parteipolitik. Den strategischen Fehler, Kickl – und der FPÖ – ein so wichtiges, sensibles Ressort zu überlassen, haben die Türkisen nun korrigiert. Nicht mit der feinen Klinge, sondern mit dem Holzhammer. Dass bei einer Neuauflage der Koalition eine der Seiten ihr Gesicht verlieren würde, nimmt die ÖVP in Kauf. Sie hat derzeit offenbar genug andere Optionen.
christoph.schwarz@kurier.at