Kurier

Der ÖVP geht es nicht (nur) um Kickl

Sebastian Kurz hat der FPÖ ein zu wichtiges Amt überlassen. Das hat er nun aufwendig korrigiert.

- CHRISTOPH SCHWARZ

Für hartgesott­ene Blaue bleibt er wohl der „beste Innenminis­ter aller Zeiten“(Copyright: FPÖ). Seine Gegner haben eine lange Liste an Verfehlung­en parat – von der BVT-Affäre über die boshafte Umbenennun­g der Erstaufnah­me- in Ausreiseze­ntren bis hin zu skandalträ­chtigen Sagern („Das Recht hat der Politik zu folgen“). Herbert Kickl polarisier­t. Wer nicht für ihn ist, ist gegen ihn.

Die ÖVP hat in dem Spiel relativ geschmeidi­g die Seiten gewechselt. Nach 17 Monaten beendete Sebastian Kurz nicht nur Türkis-Blau. Er zerstörte dabei auch gleich sein mühsam gezeichnet­es Trugbild von der harmonisch­sten Koalition aller Zeiten. Zumindest Zweiteres kam angesichts des Schauspiel­s, das man der Bevölkerun­g zuvor geboten hatte, überrasche­nd.

Was bewog die ÖVP zum Meinungsum­schwung? Wieso kommt Kickl für die Türkisen plötzlich – für jetzt und alle Zeit – nicht mehr als Minister infrage? Seine rechten Ansichten waren lang bekannt, Kurz nahm das stets wissentlic­h in Kauf. Die ÖVP-Argumentat­ion, dass Kickl zur Zeit des Ibiza-Abends FPÖ-Generalsek­retär gewesen und daher untragbar sei, klingt gut. Sie ist aber nicht die ganze Wahrheit.

Die ÖVP hat nicht nur Kickl unterschät­zt, sondern auch den Einfluss, den er Kraft seines Amtes im Innenminis­terium nahm. Kickl begann auszutausc­hen, umzufärben und drang in ÖVP-Machtzirke­l vor. Zudem nutzte er das Ministeriu­m (etwa in Ausländerf­ragen) zu offensicht­lich für Parteipoli­tik. Den strategisc­hen Fehler, Kickl – und der FPÖ – ein so wichtiges, sensibles Ressort zu überlassen, haben die Türkisen nun korrigiert. Nicht mit der feinen Klinge, sondern mit dem Holzhammer. Dass bei einer Neuauflage der Koalition eine der Seiten ihr Gesicht verlieren würde, nimmt die ÖVP in Kauf. Sie hat derzeit offenbar genug andere Optionen.

christoph.schwarz@kurier.at

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