Sprungbrett oder Schleudersitz
AKK. Als Verteidigungsministerin kann sie viel gewinnen und verlieren
Der Tag eines Berliner Bürgermeisters ist selten langweilig, gibt es doch genug Baustellen. Gestern durfte Michael Müller (SPD) für ein paar Stunden zudem Staatsoberhaupt sein. Er hatte in seiner Funktion als Vizepräsident des Bundesrates die Urlaubsvertretung für den deutschen Bundespräsidenten inne. Und das derzeit mächtigste Frauentrio vor sich: Kanzlerin Angela Merkel gratulierte er zum 65er, Ursula von der Leyen verabschiedete er nach Brüssel und Annegret Kramp-Karrenbauer (AKK) ernannte er zur Verteidigungsministerin.
Die Nachricht ihres Wechsels sorgte Dienstagabend für großes Staunen in Berlin. Denn die CDU-Chefin greift nach einem heiklen Posten, der schon viele potenzielle Kanzlerkandidaten anzog. Allerdings gelang es weder Karl-Theodor zu Guttenberg, Thomas de Maizière noch Ursula von der Leyen, darüber hinaus als Nachfolger ins Spiel zu kommen. Zwar hielt sich von der Leyen am längsten, doch sie hinterlässt ein schweres Erbe: Hohe Kosten beim Schulschiff „Gorch Fock“, eine Berateraffäre, und dann wäre da noch der Unmut der Truppe über von der Leyens Generalverdacht: Die Bundeswehr hätte ein „Haltungsproblem“in puncto Rechtsextremismus.
Dass AKK trotz möglicher Fallstricke zugreift, gilt als Machtdemonstration und Versuch, das Ruder umzureißen. Bisher beteuerte sie stets, nicht ins Kabinett zu wollen, sich ganz der Erneuerung der CDU zu widmen. Doch in dieser Rolle passierten der Parteichefin zuletzt einige Fehler. Ihr Umgang mit YouTuber Rezo ließ sie altbacken aussehen. Ihre Absetzbewegungen von Merkels Flüchtlingspolitik verärgerten die liberalen Anhänger. AKKs Umfragewerte sanken, einige Beobachter schrieben sie als Kanzlerkandidatin ab. Insofern ist der Griff nach diesem „Bewährungsposten“eine Kampfansage – auch mit Blick auf die Konkurrenz.
Präsent durch Amt
Bis zum frühen Abend des Dienstags galt Gesundheitsminister Jens Spahn als Favorit. Er hat das Rennen um den CDU-Vorsitz zwar verloren, aber seither an Respekt gewonnen. Das Verteidigungsministerium hätte ihm viel Aufmerksamkeit gebracht. Sein Biograf twitterte gar den Wechsel als Eilmeldung und musste dann zurückziehen.
Mangelnde Regierungserfahrung wird sich AKK künftig nicht mehr anhören müssen. Ebenso wenig die fehlende Präsenz. Durch das Ministerium wird sie sichtbarer und kann bei Regierungsentscheidungen mitbestimmen. Gleichzeitig bietet sich ihr eine internationale Bühne. Damit wäre sie besser gewappnet, sollte die Kanzlerin ihr Amt vorzeitig aufgeben.
Bis dahin ist sie jedenfalls in deren Kabinettsdisziplin eingebunden. Ihr Plan, sich von Merkel zu emanzipieren, die CDU neu auszurichten, wird so schwer umzusetzen sein. Und von Konkurrenten wie Kritikern wird sie genau beobachtet.