Aufstand der kleinen Händler
Amazon im Visier. Online-Gigant ändert Knebelverträge – EU startet dennoch Kartellprüfung
Der Handelsverband (HV) gilt in Österreich als Interessensvertretung der großen Handelsunternehmen. Doch Größe ist bekanntlich relativ – gemessen am Online-Giganten Amazon sind alle Winzlinge. Dennoch gab es im Match österreichischer David gegen US-Goliath am Mittwoch einen Außenseiter-Erfolg zu vermelden. Es ging um eine Beschwerde, die der HV im Dezember 2018 bei der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) eingebracht hatte.
Diese hat nun Konsequenzen. Amazon gibt klein bei und ändert seine umstrittenen Knebel-Konditionen für Dritthändler, die Produkte über den sogenannten Marktplatz anbieten. Das ist für Amazon extrem wichtig: 58 Prozent des weltweiten Bruttowarenumsatzes von Amazon kommen über Drittanbieter.
So vermeidet der US-Konzern langwierige Verfahren vor den Kartellgerichten. Der Prüfung von Österreichs Wettbewerbshütern gemeinsam mit Deutschland hatten sich auch die Behörden in Italien und Luxemburg angeschlossen. In den USA musste sich Amazon jüngst ebenfalls kritischen Fragen stellen.
Einen „richtungsweisenden Erfolg“sieht HV-Geschäftsführer Rainer Will: „Es zeigt, dass der digitale Raum nicht rechtsfrei ist und sich auch digitale Giganten an die Gesetze halten müssen.“
Niemand erreichbar
Konkret wird Amazon ab 16. August seine Geschäftsbedingungen so anpassen, dass die Rechte der Verkäufer gestärkt werden. Vertragskündigungen, die jederzeit und ohne Gründe erfolgen konnten, folgen dann einer Drei-MonatsFrist. Der Gerichtsstand muss nicht mehr Luxemburg Stadt sein. Die Verkäufer müssen auch nicht mehr unbegrenzt Rechte und Lizenzen abtreten. Haftungsausschluss und Schadenersatzforderungen werden enger eingegrenzt.
Die BWB will wachsam bleiben und behält sich weitere Ermittlungen vor, falls die Änderungen nicht die gewünschte Fairness bringen. Amazon wird geraten, eine Ansprechperson zu benennen – viele Händler gaben an, dass bei Problemen niemand erreichbar sei.
Umsatz 300 Mio. Euro
Die BWB hatte im Frühjahr 400 der umsatzstärksten österreichischen Marktplatzhändler von Amazon.de befragt. Bei den 80 Prozent, die Unterlagen retourniert hatten, habe sich eine hohe Abhängigkeit gezeigt: Ein Großteil der befragten Händler sieht kaum andere Wege, um Kunden online zu erreichen. Heimische kleine und mittelständische Händler verkaufen jährlich Produkte im Wert von 300 Millionen Euro über den Amazon-Marktplatz. Insgesamt wurden 2017 in Österreich laut BWB 1,7 Milliarden Euro auf Amazon.de umgesetzt. Das ist jeder zweite Euro, der im Netz ausgegeben wird.
EU-Kommission prüft
Nicht ausgeräumt sind damit die Bedenken der EU-Kommission. Sie hat am Mittwoch eine offizielle Prüfung eingeleitet, ob Amazons Umgang mit sensiblen Daten von Drittanbietern gegen EU-Wettbewerbsregeln verstößt. Der Verdacht: Weil Amazon in einer Doppelrolle als Marktplatzbetreiber und Anbieter eigener Waren agiert, könnte es die Daten der anderen Händler missbräuchlich verwenden.
Amazon war bereits 2017 ins EU-Visier geraten: Damals ging es um Preisvorgaben für eBooks sowie um eine Steuernachzahlung von 250 Millionen Euro an Luxemburg.