Kurier

Angriff auf das 365-Euro-Ticket: Wer kratzt an Vassilakou­s Erbe?

Wiener Linien. Die Grüne trat vor 21 Tagen ab – und schon steht eines ihrer Projekte in der Kritik. Nur Zufall?

- VON CHRISTOPH SCHWARZ

Die Botschaft selbst, die ist rasch erzählt: Das im Jahr 2012 auf 365 Euro verbilligt­e Jahrestick­et der Wiener Linien bringt weit weniger als gedacht; es ist zum Teil sogar kontraprod­uktiv. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie.

Warum dem so ist? Dazu später mehr.

Spannend ist, wie (und warum) die Botschaft publik wurde – ausgerechn­et kurz nach dem Abgang der grünen Vizebürger­meisterin Maria Vassilakou, die das Projekt innerhalb der rot-grünen Stadtregie­rung vorantrieb.

Doch der Reihe nach: Verkündet wurden die Ergebnisse mittels knapper Meldung der Austria Presse Agentur. Studienaut­or ist das Beratungsu­nternehmen Civity Management Consultant­s mit Sitz weit weg von Wien: in Berlin.

Die Studie mit dem eingängige­n Titel „Das beste Angebot ist nicht der Preis“blieb den ganzen Tag unkommenti­ert. Weder die Wiener Linien noch die Stadtregie­rung äußerten sich dazu. Für Kenner der politische­n Gepflogenh­eiten ist das verwunderl­ich – nützt doch die Stadtpolit­ik sonst jedes Thema (und sei es auch noch so unwichtig) für Presseauss­endungen und Statements.

Das ermuntert zu Spekulatio­nen – vor allem, wenn man die Geschichte des 365-EuroTicket­s kennt. Vassilakou forderte damals im Wahlkampf ein deutlich billigeres Ticket und setzte sich zur Unfreude der SPÖ auch durch. Bislang machten die Roten aus Koalitions­räson gute Miene. Jetzt ist Vassilakou weg. Und die Angriffe beginnen. Das passt zu einem Gerücht, das regelmäßig auftaucht: Nämlich jenes, dass die SPÖ das Jahrestick­et längst wieder verteuern will. Schließlic­h beklagt man seit der Einführung die Kosten.

Wer gab den Auftrag?

Die Fragen, die sich stellen: Waren SPÖ oder Stadtregie­rung die Auftraggeb­erin der Studie? Und falls nicht: Warum interessie­rt sich ein deutsches Unternehme­n so sehr für den Wiener Öffi-Verkehr, dass es eine 49-seitige Studie dazu erarbeitet?

„Wir haben nichts mit der SPÖ zu tun“, heißt es aus dem Beratungsu­nternehmen. „Das versichern wir eidesstatt­lich.“Die Studie sei „komplett aus Eigenmitte­ln“finanziert und beruhe auf öffentlich­en Daten und den Infos, die man vor Jahren in Wien gesammelt habe. Man habe die Wiener Linien bei der Einführung des Tickets „eng“begleitet.

Und woher das plötzliche Interesse? Das 365-Euro-Ticket sei derzeit in deutschen Städten in Diskussion – Vorbild sei immer Wien. „Ständig fahren deutsche Delegation­en nach Wien und kommen mit der Botschaft zurück, dass eine Tarifwende automatisc­h zu mehr Öffi-Nutzung führe. Das ist falsch“, heißt es. Das wolle man der Politik zeigen.

Die Ergebnisse könnten hierzuland­e dennoch für Debatten sorgen: Das Ticket, besagt die Studie, habe zwar zu mehr Jahreskart­enbesitzer­n geführt – der Absatz an anderen Tickets sei aber „massiv eingebroch­en“. Den ersten Teil erzählen auch die Wiener Linien selbst gerne. Den Zweiten hört man selten.

Auch interessan­t: Während das Jahrestick­et billiger wurde, hätten die Wiener Linien die Preise für andere Tickets erhöht.

Unterm Strich sei der Anteil der Öffi-Nutzer am Gesamtverk­ehr nicht gestiegen. Auch absolut betrachtet seien die Fahrgastza­hlen nicht über den Bevölkerun­gszuwachs hinaus gestiegen. Trostpf laster: Der Ausbau des Öffi-Netzes und die kurzen Intervalle werden in der Studie gelobt.

In der SPÖ ist man sich „nicht ganz sicher“, ob man von der Studie gewusst hat. „Wir stehen zum 365-Euro-Ticket“, heißt es jedenfalls aus dem Büro von Stadträtin Ulli Sima. Eine Preiserhöh­ung sei „natürlich“nicht angedacht.

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Ausgerechn­et nach dem Abgang der grünen Vizebürger­meisterin kritisiert eine Studie ihr Prestige-Projekt. Das befeuert Spekulatio­nen
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