#MeToo-Folgen: „Frauen trauen sich heute mehr als früher“
Arbeitsplatz. US-Frauen fühlen sich weniger belästigt – auch in Österreich stieg das Bewusstsein.
Seit knapp zwei Jahren halten sich zwei kleine Worte konstant in den Schlagzeilen. #MeToo – ich auch – begann als Twitter-Hashtag (siehe unten) und wuchs rasant zu einer gesellschaftlichen Debatte über Sexismus und Geschlechterdiskriminierung. Grenzen im Umgang zwischen Mann und Frau wurden neu verhandelt, einst mächtige Männer wie Harvey Weinstein und Bill Cosby stolperten vor den Augen der Weltöffentlichkeit über Missbrauchsskandale.
Welchen Einf luss die #MeToo-Bewegung jenseits von Künstlerbiografien auf die Situation von Frauen am Arbeitsplatz hatte, konnte bisher nur vermutet werden. Jetzt legen US-Forscher im Fachjournal Plos One erstmals eine Analyse vor: Insgesamt hatten sie mehr als 500 US-Amerikanerinnen im Alter von 25 bis 45 Jahren zu Vorfällen von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz und ihrem Selbstwertgefühl befragt – die eine Hälfte 2016, also vor #MeToo, die andere 2018, also ein Jahr danach.
87 Prozent berichteten, mindestens einmal sexuell belästigt worden zu sein – schwere Übergriffe wie sexuelle Nötigung oder Begrapschen kamen in der Gruppe jener, die nach Ausbrechen der #MeToo-Debatte befragt wurden, aber deutlich seltener vor. Außerdem waren in dieser Gruppe viel mehr Frauen bereit, Vorfälle zu melden, gestärkt durch die Solidarität und die Erfahrungen anderer, während 2016 Angst, Scham sowie Schuldgefühle bei weiblichen Opfern vorherrschend waren.
Mehr Beschwerden
Auch an Österreich ist die #MeToo-Bewegung nicht spurlos vorübergegangen. Zwar gibt es (noch) keine vergleichbaren Befragungen österreichischer Arbeitnehmerinnen – das Bewusstsein und die Sensibilisierung seien aber merkbar angestiegen, berichtet Flora Alvarado-Dupuy, Juristin bei der Gleichbehandlungsanwaltschaft in Wien. Im ersten Halbjahr 2017 gingen 145 Beschwerden zu sexueller Belästigung am Arbeitsplatz ein, im zweiten Halbjahr doppelt so viele – im Oktober 2017 waren die ersten #MeToo-Fälle bekannt geworden. Das hohe Niveau an Anfragen sei auch im ersten Halbjahr 2019 konstant, berichtet Alvarado-Dupuy. Was zunächst besorgniserregend klingt, wertet die Expertin durchaus positiv: „Die gestiegenen Anfragen deuten darauf hin, dass sich die Betroffenen heute mehr trauen und es ein stärkeres Problembewusstsein gibt.“
Sexuelle Belästigung im beruflichen Umfeld beginnt schon lange vor dem berühmten „Pograpscher“: mit schlüpfrigen Bemerkungen, unangenehmen Blicken
oder Nacktfotos über dem Schreibtisch. Gemäß Gleichbehandlungsgesetz wird in solchen Fällen Schadensersatz fällig, straf bar sind lediglich schwere körperliche Übergriffe. „Diese bahnen sich aber oft mit verbalen Übergriffen an“, warnt die Expertin. Durch #MeToo sei aber vielen Männern klarer geworden, wo die Grenzen liegen.
Aktivere Chefs
Kurz vor dem zweiten Jahrestag der #MeToo-Bewegung hat das Thema also nichts an Relevanz verloren. Drei Viertel aller Frauen in Österreich wurden
„Es hat sich herumgesprochen, dass sexuelle Belästigung nicht okay ist.“Flora Alvarado-Dupuy Gleichbehandlungsanwaltschaft
laut dem Institut für Familienforschung schon mindestens einmal sexuell belästigt, die meisten Übergriffe finden im beruflichen Umfeld statt. „Es hat sich mittlerweile herumgesprochen, dass sexuelle Belästigung nicht okay ist“, sagt Anwältin Alvarado-Dupuy. „Ein Manko ist noch, dass die Unternehmen nicht wissen, wie sie damit umgehen sollen. Es gibt immer mehr Führungskräfte, die sich proaktiv an uns wenden und Schulungen machen wollen.“
Die Studienautoren aus den USA zeigten sich ob der Ergebnisse ihrer Befragungen jedenfalls erfreut: „Die mutigen Frauen, die sich in der #MeToo-Bewegung engagieren, sollen wissen, dass ihre Anstrengungen etwas bewirken.“