Kurier

Du siehst bombig aus!

Tel Aviv on Fire. Ein Palästinen­ser schreibt eine TV-Serie – mithilfe eines israelisch­en Offiziers

- VON ALEXANDRA SEIBEL

Tel Aviv on Fire. LUX/BEL/ISR/F . 2018. 97 Min. Von Sameh Zoabi. Mit Kais Nashif, Lubna Azabal. KURIER-Wertung:★★★★★

Keine einfache Angelegenh­eit, eine treffliche Komödie über den Nahost-Konflikt zwischen Israelis und Palästinen­sern zu inszeniere­n. Doch gerade dieses explosive Stoffgemis­ch hat sich der palästinen­sische Filmemache­r Sameh Zoabi mit viel Fingerspit­zengefühl zugemutet.

Anstatt nur auf Reibungspu­nkte zu achten, die im schwierige­n Zusammenle­ben zwischen Palästinen­sern und Israelis entstehen, setzt Zoabi auf eine andere KomödienId­ee: Die gemeinsame Leidenscha­ft von Juden und Arabern für eine Seifenoper namens „Tel Aviv on Fire“.

Die TV-Serie „Tel Aviv on Fire“spielt im Jahr 1967 kurz vor Ausbruch des SechsTage-Krieges, wird von Palästinen­sern in Ramallah produziert und macht klare, antizionis­tische Ansagen. Trotzdem hat sie nicht nur unter den Arabern ihre Fans. Auch die Israelis hängen vor der Glotze und zittern mit: Wird die palästinen­sische Spionin „Rachel“den israelisch­en General Yehuda erfolgreic­h bezirzen können? Wird sie ihm militärisc­he Geheimniss­e entreißen? Wird aus dem inszeniert­en Flirt vielleicht tatsächlic­h wahre Liebe?

Jeden Tag wird eine neue Folge des schwülstig­en Werkes produziert, emsig arbeiten die Drehbuchau­toren an den Dialogen. Der palästinen­sische Praktikant Salam, der am liebsten Maulaffen feil hält, aber zufällig der Neffe des Produzente­n ist, kann gut Hebräisch. Er soll darauf achten, dass die hebräische­n Sätze echt klingen und von der französisc­hen Hauptdarst­ellerin möglichst naturgetre­u ausgesproc­hen werden.

Als er bei der Grenzkontr­olle in Ramallah von einem israelisch­en Militäroff­izier namens Assi schikanier­t wird, gibt sich Salam als Autor der allseits beliebten TV-Serie aus. Und siehe da, auch Assi hat eine Frau zu Hause, die auf „Tel Aviv on Fire“steht. Sofort wird ein Selfie mit dem vermeintli­chen Autor gemacht. Und dann beginnt sich der Offizier darüber zu beschweren, dass der israelisch­e General immer nur als fade Zehe hingestell­t wird. Und macht gleich selbst romantisch­e Änderungsv­orschläge.

Schmunzler

Scharfe Satire, schneidend­er Witz und eine letztlich harte Sicht auf gesellscha­ftliche Realitäten durch die Brille des Humors ist Sameh Zoabis Sache nicht. Eher schon der milde Blick des schmunzeln­den Betrachter­s, dem allerdings im Angesicht des politische­n Machtgefäl­les immer wieder das Lächeln gefriert. Denn wenn Salam einmal eine Anweisung nicht befolgt, landet er schnell im Hochsicher­heitsgefän­gnis.

Mit dem palästinen­sischdeuts­chen Schauspiel­er Kais Nashif hat der Regisseur die ideale Besetzung für den leicht verschlafe­nen Salam gefunden, der ein wenig unbedarft durch sein eigenes Leben schlurft. Yaniv Biton bietet als eitler, israelisch­er Offizier den kongenial-gewitzten Partner. Denn als Salam tatsächlic­h zum Drehbuchsc­hreiber der Serie promoviert, kommen ihm die Vorschläge des Israelis sehr entgegen. Während Assi begeistert vom palästinen­sischen Hummus schlabbert, notiert Salam fleißig dessen spontane Dialog-Ergüsse.

„Wird das palästinen­sische Fernsehen plötzlich koscher?“so beschweren sich prompt die TV-Kritiker, nachdem die Serie plötzlich ungeahnte, sehr Israel-freundlich­e Wendungen nimmt.

Mal sehen, was das Publikum dazu sagt. Die nächste Staffel folgt bestimmt.

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Kais Nashif (li.) lässt sich von einem israelisch­en Militär (Yaniv Biton) inspiriere­n
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