Kurier

Blaue beharren auf Kickl

WER SITZT IN DER NÄCHSTEN REGIERUNG?

- VON RAFFAELA LINDORFER UND CHRISTOPH SCHWARZ

Der seit der BVT-Affäre unter Beschuss geratene Parteistra­tege steht bei der FPÖ-Basis hoch im Kurs.

Er sei ein scharfsinn­iger Gesprächsp­artner, gebildet und wortgewand­t, hieß es über Herbert Kickl zur Blütezeit der türkis-blauen Koalition.

Schwierig, nicht ministrabe­l bis gefährlich, heißt es jetzt. Dazwischen liegen 18 Monate, eine BVT-Razzia und ein Ibiza-Video.

Kickl war nicht auf Ibiza, aus der BVT-Affäre wusste er sich herauszuwi­nden – ein Provokateu­r war er in der Regierung aber immer. Weil die FPÖ ihn nicht gehen lassen wollte, platzte Türkis-Blau.

Und Kickl bleibt eine Reizfigur: Eine Neuauflage von Türkis-Blau gehe sich mit ihm nicht aus – „wurscht, auf welchem Sessel“, machte ExÖVP-Minister Gernot Blümel erst am Sonntag im KURIERInte­rview klar.

Der Effekt: Die Blauen schließen ihre Reihen. „Herbert Kickl ist der beste Innenminis­ter aller Zeiten“; „die freiheitli­che Familie hält

zusammen“, heißt es beim KURIER-Rundruf von Vorarlberg bis ins Burgenland. Das scheinen mehr als nur Wahlkampf-Slogans zu sein. Es geht auch nicht nur um Kickl. Es geht ums Prinzip.

„Ibiza war ein einschneid­endes Ereignis“, sagt der Tiroler Landespart­eichef Markus Abwerzger. „Zuerst war da Schock, dann Selbstmitl­eid, schließlic­h Wut. Aber wir haben erkannt: Nur, wenn wir an einem Strang ziehen, überstehen wir das.“

Nach dem Post-Ibiza-Slogan „Jetzt erst recht“trommeln die Freiheitli­chen auf allen Kanälen den schon bei Jörg Haider und Heinz-Christian Strache erprobten Spruch: „Sie sind gegen ihn, weil er für Euch ist.“Ihr neue Märtyrer heißt Herbert Kickl.

Ein Redenschre­iber ...

Aber was – ganz nüchtern betrachtet – ist aus blauer Sicht an ihm so besonders?

Kickl begann im Jahr 1995 als 27-Jähriger in der Wahlkampfo­rganisatio­n bei der FPÖ-Parteiakad­emie. Sein Studium der Philosophi­e und Geschichte schloss er nie ab, stattdesse­n arbeitete er sich zum Redenschre­iber von Jörg Haider hoch. 2005 holte ihn Heinz-Christian Strache nach Wien und machte ihn zum Mastermind hinter jeder FPÖ-Kampagne. „Die Richtung, in die sich die Freiheitli­che Partei entwickelt hat, ist sicher zu einem großen Teil ihm zuzuschrei­ben“, sagt ein hochrangig­er Parteifunk­tionär und kommt ins Schwärmen: „Wenn er in Sitzungen das Wort ergreift, sind alle still. Im Nachhinein hat sich immer herausgest­ellt, dass er recht hatte mit dem, was er sagte.“

In der ÖVP hat man Kickl offenbar falsch eingeschät­zt. Als er 2017 als Innenminis­ter im Gespräch war, wurde er belächelt: Der Kärntner, der Asket, der maximal unter Zwang ein Bierzelt betritt und lieber in den Bergen herumkraxe­lt, soll oberster Chef der Polizei werden? Man gab ihm das Innenminis­terium, ein schwarz dominierte­s Haus, und Sebastian Kurz schenkte ihm das Migrations­thema. Kickl war viel radikaler, er war unverhohle­n rechts. Rufe der Empörung prallten an ihm ab. In den sozialen Netzwerken inszeniert­e er sich im Kreise von Polizeibea­mten, mit Polizeihun­den und -pferden, und überhaupt überall, wo man ihn vorher nicht vermutet hätte.

„Er hat seinen Job zu gut gemacht“, sagt man in der FPÖ mit verschwöre­rischer Stimme – freilich ein sehr subjektive­r Eindruck. „Deshalb will ihn die ÖVP weg haben.“Blümel, die rechte Hand von ÖVP-Parteichef Sebastian Kurz, sperrt ihn mit dem „Wurscht, auf welchem Sessel“-Sager auch für sämtliche andere Ministerpo­sten.

Fragt sich: Pokert die ÖVP – die Landeshaup­tleute im Westen als treibende Kraft – zu hoch? Würden die Freiheitli­chen Kickl opfern, um wieder regieren zu können? Daran denkt ( jetzt) niemand (laut) nach. „Die Personalau­swahl machen wir immer noch selber“, winkt Wiens FPÖ-Chef Dominik Nepp ab.

Es sei absurd, wenn andere Parteien beginnen, sich Personen auszusuche­n, meint auch Christof Bitschi aus Vorarlberg: „Die ÖVP sollte lieber über Inhalte nachdenken – da haben wir viel gemeinsam, wie man am Regierungs­programm sieht.“

Die FPÖ-Steiermark, für die Ex-Minister Mario Kunasek als Spitzenkan­didat antritt, blockt klar ab: „Kickl steht nicht zur Diskussion.“

... und Stratege

Tirols Landeschef Abwerzger appelliert derweil an die „Vernunft“der Türkisen: „Ihnen müsste klar sein, dass sie das Programm, das ihnen wichtig ist, nur mit der FPÖ in die Tat umsetzen können. Wenn sie sich das eingestehe­n, sind wir offen dafür.“

Andreas Mölzer, blaues Urgestein, sieht die Situation recht entspannt: „Wir sind im Wahlkampf, das ist doch nur Geplänkel.“Die ÖVP, so

glaubt er, wolle eine „möglichst billige FPÖ“, einen „willfährig­en Vizekanzle­r“wie damals, im Jahr 2002, nach Schwarz-Blau I und vor Schwarz-Blau II. „Aber das wird’s nicht spielen“, winkt er ab. In letzter Konsequenz, so glaubt Mölzer, könnte Kickl selbst derjenige sein, der sich opfert: „Er ist ein kühler, rationaler Stratege. Er wird noch andere Wirkungsbe­reiche für sich sehen.“

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 ??  ?? Als Innenminis­ter verfolgte er ab 2017 einen kompromiss­losen Rechtskurs – Empörung und Kritik von außen prallten an ihm ab
Als Innenminis­ter verfolgte er ab 2017 einen kompromiss­losen Rechtskurs – Empörung und Kritik von außen prallten an ihm ab
 ??  ?? Herbert Kickl im Jahr 2008 – damals noch Chef-Reimer und Mastermind im Hintergrun­d. Als solcher war er intern hoch angesehen
Herbert Kickl im Jahr 2008 – damals noch Chef-Reimer und Mastermind im Hintergrun­d. Als solcher war er intern hoch angesehen
 ??  ?? „Es ist völlig wurscht, auf welchem Sessel Kickl sitzt, das geht sich dann nicht aus.“
Gernot Blümel
Ex-ÖVP-Minister
„Es ist völlig wurscht, auf welchem Sessel Kickl sitzt, das geht sich dann nicht aus.“ Gernot Blümel Ex-ÖVP-Minister
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Markus Abwerzger
FPÖ-Chef in Tirol
„Der ÖVP muss klar sein, dass sie das, was ihr wichtig ist, nur mit der FPÖ in die Tat umsetzen kann.“ Markus Abwerzger FPÖ-Chef in Tirol

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