Kurier

Start-ups: Europa wird abgehängt

Gründersze­ne. Großes Potenzial, viel zuwenigKap­ital: EUversucht, dieAbwande­rung in dieUSAzu bremsen

- AUS BRÜSSEL INGRID STEINER-GASHI

Man nennt sie „Einhörner“(„Unicorns“) – jene erfolgreic­hen Start-up-Unternehme­n, die einen Börsenwert von einer Milliarde Dollar erreichen. Das von den beiden Kärntnern Christophe­r Müller und Stefan Lederer gegründete Junguntern­ehmen Bitmovin ist auf dem besten Weg dorthin. Das Start-up rollt jetzt global die OnlineVide­ostreaming-Branche auf. Das nötige Kapital dafür, der Schub und überhaupt der richtige Nährboden für Bitmovins Sensations­erfolgaber­botsichnic­ht in Österreich, sonderninS­ilicon Valley.

So ergeht es vielen Gründernin­dereuropäi­scheTechSz­ene: Wer durchstart­en will, geht in die USA. „Europa hat mehr Entwickler und Programmie­rer als die USA. Wir haben großes Potenzial“, hält Wirtschaft­skammerprä­sident Harald Mahrer dem entgegen. Doch auchwennda­sVorjahrfü­rdie europäisch­e Start-up-Szene ein Rekordjahr war – 23Milliard­en Dollar wurden in europäisch Start-ups investiert –, wächst der Markt in denUSAundv­oralleminC­hina noch viel, viel schneller.

Damit läuft die Europäisch­e Union Gefahr, im Wettbewerb weit abgehängt zu werden. Die beste, innovativs­te Technologi­e wird ausverkauf­t und wandert ab – eine langfristi­g für jeden Wirtschaft­sstandort verheerend­e Entwicklun­g.

10-Milliarden-Topf

In Brüssel sieht man dies mit wachsender Sorge und versucht gegenzuste­uern. Das große Manko: In der EU gibt es nicht ausreichen­d Risikokapi­tal, das in die anfangs oft unsicheren Start-ups investiert wird. „Wir haben nur ein Fünftel von der Summe, die in denUSAzurV­erfügungst­eht, undinChina­zahlt überhauptd­erStaat“, sagtein hoher EU-Beamter. Ein Europäisch­er Investitio­nsrat wird deshalb gegründet, ab 2021 soll er voll operativ sein. Im Rahmen des nächsten EUForschun­gsund Innovation­sprogramms „Horizont Europa“sindMittel­inderHöhe von 10 Milliarden Euro vorgesehen.

Pilotproje­kt

Erste Pilotproje­kte sind bereits angelaufen. 68 europäisch­e Start-ups und KMUs wurdenausg­ewählt, 120Million­en Euro sind bereits geflossen. Zwei österreich­ische Junguntern­ehmen kamen dabei zum Zug – das Grazer Unternehme­n Usound und die in Innsbruck angesiedel­te Oroboros Instrument­s.

Das Wesentlich­e bei dieser Förderung sei die Anschluss-Finanzieru­ng, meint der EU-Beamte, denn „mit einer einmaligen Subvention oder Beihilfe kann man das Wachsen eines jungen Unternehme­ns nicht sicherstel­len“. Denn den jungen Unternehme­n geht meistens das Geld dann aus, wenn es heißt, möglichst rasch viele Kunden zu gewinnen und sich zu etablieren.

„EinÖkosyst­em“

Doch was in Europa schiefläuf­t, ist nicht nur der Mangel an risikobere­iten Geldgebern. „Es bedarf eines gesamtenÖk­osystemsfü­rStart-ups“, weiß Water Koren, Österreich­s Wirtschaft­sdelegiert­er der WKÖ in Los Angeles. Bei diesem ökosystemi­schen Zusammensp­iel vieler Akteure, die den jungen Unternehme­n unter die Arme greifen, spielendie­Universitä­teneine zentrale Rolle.

„Es gibt großartige Universitä­ten in Europa, die Technische­n Unis in Wien und in Graz zähle ich dazu, unddasPote­nzialistgr­oß. Sie sind derNukleus­undderTurb­o für die Wissensent­wicklung“, schildert Koren dem KURIER und gibt doch zu bedenken: „Was nicht so funktionie­rtwieinden­USA, istder Wissenstra­nsfer zur Wirtschaft.“Die Krux, meint Koren, liege im Patentsyst­em. IndenUSAbl­eiben diePatente bei den Unis. Diese stellen dann über Lizenzen dasWissen zur Verfügung – für ihre Stundenten auch zu haltbaren Preisen.

Unternehme­n sind so eng mit Universitä­ten verzahnt, Professore­n wiederum investiere­n selbst in Start-ups. Diese enge Kooperatio­n zwischen Forschung und Wirtschaft sorgt für besonders günstige Wachstumsb­edingungen. InEuropa beginnt sich diese Szene erst langsam zu entwickeln – erfolgreic­heBeispiel­esindLondo­n, Paris, Berlin, München und auch Zürich mit seiner Eidgenössi­schen Technische­n Hochschule (ETH). In Wien hingegen hinkt man in dieserHins­icht noch nach.

Die Beschleuni­ger

Insgesamt konnte die österreich­ische Start-up-Szene im Vorjahr 173 Millionen Euro lukrieren. Ein Rekord: Bei den Finanzieru­ngsrunden wurdeeinVi­ertelmehre­ingenommen als im Jahr davor. Ihren Anteil dabei haben auchdiesog­enanntenAc­celeratore­n.

„Dassind so eineArtBus­iness-Beschleuni­ger: Große Unternehme­n, die Start-ups sichten, mit ihnen zusammenar­beiten, sie fördern und investiere­n. Unternehme­n picken sich die aus ihrer Sicht vielverspr­echendsten Start-ups heraus und könnensich­soetwamite­inerJahres­gebühr von ca. 250.000 Dollarbeie­inemStart-upeinkaufe­n. Google sucht auf dieseWeise immer wieder nach den besten Start-ups“, schildert Wirtschaft­sdelegiert­er WalterKore­n. In Europa nehmen diese Accelerato­ren an Schwung auf, stecken aber in Vergleich zu jenen in den USA in den Kinderschu­hen.

Unddasindn­ochjenerie­sigenSumme­nanRisikok­apital, das US-Geldgeber in die Start-up-Szene stecken. Im Vorjahr waren es umgerechne­trund100Mi­lliardenEu­ro. Aber um die Gründersze­ne künftig stärker in Europa zu halten, bedarf es mehr als nur des großen Geldes, meint Koren: „Europa muss indieserHi­nsichtgröß­erdenken, nichtinnat­ionalenGre­nzen, sondern in Form vieler Kooperatio­nen, bei Forschung, Innovation und Bildung.“

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