Bühnenspektakel zum Staunen
Kritik. GiuseppeVerdis „Rigoletto“in der Inszenierung von Philipp Stölzl bei denBregenzer Festspielen
Was für ein monumentaler Clownkopf! Mitknapp14Meter beeindruckend hoch und ein technischesWunderwerk: Beweglich in alle Richtungen, mit rollenden und sich schließenden Augen, einem sich öffnenden Mund mit Zähnen, einem durch Lichteinsatz verblüffend veränderbaren Gesichtsausdruck.
Und er wird als Parabel auf das Libretto sinnbildlich immer mehr demontiert: Zuerst verliert er seine Augäpfel – nachdem Rigoletto seine Gilda verloren hat –, dann die Nase und schlussendlichwerdenihmaucheinzelneZähnegezogen. Undso, wenn das letal endende Spiel fortschreitet, mutiert er immer mehr zum Totenkopf. Er dient aber auch als Spielfläche: Kragen, Scheitel, Augenund Nasenhöhlen, wie auch der Mund als „Liebesnest“.
UnglaublicheOpulenz
Aber nicht nur der bühnendominante Kopf macht staunen, sondern das gesamte opulente, technische Bühnenwunderwerk bei Giuseppe Verdis „Rigoletto“– erstmaligbeidenBregenzerFestspielen – als Spektakel, wie esaufderSeebühneüberJahre noch nie zu sehen war. So sieht man seine riesige rechteHandmiterstaunlicherBeweglichkeit: Sie ist Theaterskulptur wie auch Spielort, das Haus des Titelhelden und Brücke zum Clownkopf.
Unter ihren Fingern taucht Gilda erstmalig auf, hier schaukelt sie, trifft ihren Geliebten, und hier stirbt sie. Die gigantische linke Hand umfasst einen Ballon, in dem Gilda ihr „Caro nome“singt und damit symbolhaft in den Himmel schwebt. Aus dem Ballon heraus wird sie waghalsigentführtundmiteinem Schwebeseil heruntergeholt.
PhilippStölzl, bekanntfür seinenichtgeradezurückhaltenden Operninszenierungen, aber auch als Filmregisseur (etwa „Der Medicus“), hat dieses Wunderwerk als Bühnenbildner gemeinsam mitHeikeVollmererdacht. Er arbeitet auch sonst mit vielen Symbolen, befüllt es mit spektakulären Szenen und vibrierendem Leben.
Unglaublicher Zirkus
Er siedelt die Story grotesk, bunt und grell im Zirkusmilieuan. DerHerzogist ausstaffiert wie ein ZirkusdirektormitPeitsche, seinHofstaat sind Artisten, teils mit Affenund anderen Tierköpfen. Aber die Konzeption wird nicht zum Selbstzweck, sondern geht auf. Spektakulär sind auch die vielen sensationellen Stuntszenen (Wired Aerial Theatre). Aber es gelingen dem deutschen Regisseur auch Momente eines intimen Kammerspiels.
Stephen Costello singt den Herzog mit schmelzigem Tenor und müheloser Höhe, bei dessen Gassenhauer „La donna èmobile“Frauen mit unzähligen Brüsten ziemlich plakativ zappelnd herumschweben. Vladimir Stoyanov in der Titelrolle im Clownkostüm singt mit kernigemBariton.
MelissaPétitalsseinesehr kindlich gezeigte Tochter Gilda singt sie mit glasklarer Höhe und flexiblen Koloraturen. Katrin Wundsam ist eine dunkelgefärbte Maddalena, die Sparafucile anfänglich als Zielscheibe für seine Messerwürfe verwendet. Dieser wird vonMiklós Sebestyénsehrprofundgesungen. Auch die kleineren Rollen, der Prager und Bregenzer Festspielchor überzeugen.
Verdis Musik ist bei den Wiener Symphonikern unter dem sehr deutlich agierenden Enrique Mazzola in besten Händen, wobei mitreißend musiziertwird. Jubel! KURIER-Wertung: