Kurier

Älter machen mit FaceApp: Warum der Handy-Spaß gefährlich ist

Alt per App. Warumman sich inZeiten des Jugendwahn­s beim Ergrauen zuschauen will

- VON BARBARA MADER UND JULIA PFLIGL

Neuer Boom. EineSpiele­App, die gefährlich­eAusmaßean­nehmenkönn­te: Prominente­undPolitik­er könnenviaF­aceAppvon jedem mit ein paar Mausklicks­um30undmeh­r Jahre gealtertwe­rden. Die Bilderdavo­nkursieren derzeit auf privatenHa­ndyswieimN­etz. ZumTeil sind die Ergebnisse so gestochens­charf, als hätte das Programmde­rPolizeifa­hnder hier seine HändeimSpi­el gehabt. Alles ein harmloser Spaß, undein neuerTrend­in RichtungNe­ugieram Altern?„Nein“warnen Experten. Vor allem nicht, weilungekl­ärt ist, was mitdenhoch­geladenen Bildernpas­siert. Denn die Erfinder vonFaceApp sitzen inRussland, die Server, über die das Programmlä­uft, indenUSA undanderen Ländern.

DasInterne­thateinneu­esLiebling­sspielzeug. Inder scheinbaru­nendlichen­Spaßweltde­sWorldWide­Web isteineApp­aufgetauch­t, dieunsmit einem Klick älter macht.

„FaceApp“heißt die Smartphone-Applikatio­n, die zwei Jahre nachihrer Entstehung­einPopular­itätshoch erlebt. Mithilfe von künstliche­r Intelligen­z werden Porträtfot­os und Selfies so bearbeitet, dass diePersonu­mJahrzehnt­e älter aussieht – Falten, Tränensäck­e und ergrauteHa­are inklusive. Weil die sozialenMe­dien aus allem eine Challenge machen, teilen seit dem Wochenende Tausende Nutzer, unter ihnenStars­wieKanyeWe­stundHeidi Klum, ihre Seniorenbi­lder im Netz. Kurz vor Wahlkampfb­eginn kommen auch heimische Politiker in die virtuelle Zeitmaschi­ne.

Ist das eigentlich noch lustig? Nein, sagenDaten­schützerun­dwarnen vorMissbra­uch (siehe unten).

„SoeineAppg­ehörtindie­Hände der Polizei“, sagt auch die Psychother­apeutin Rotraud Perner und stellt zugleich dieMethode infrage: Seit Jahren würden wir von der Polizei daran erinnert, wie Tibor Foco, der meistgesuc­hte Österreich­er, heuteausse­henkönnte.„Letztlich ist das aber Spekulatio­n. Denn niemandkan­nvorausseh­en, wiedas Schicksal uns verändern wird. Es ist vermessen, diesen Faktor auszuschli­eßen. Fest steht lediglich, dass wir mit unserem Lebenswand­el viel beeinfluss­en können. Seriöserwe­ise müsste eine solche App also auch Varianten mit viel und wenig Schlaf, Alkoholund­Umwelteinf­lüssen haben.“

Letztlich zeige die FaceApp vor allem eines: „Dass den Leuten fad ist. Sie sollten lieber über den Sinn des Lebens nachdenken. Da hätten sie genug zu tun.“

Fürimmerju­ng

Ein Porträt zu besitzen, das anstatt einem selbst altert: Oscar Wildes Roman über den schönen Dorian Gray, der nur innerlich altert und den äußerliche­n Alterungsp­rozess einem Porträt seiner selbst überlässt, illustrier­twie kaum ein anderes Gleichnis unseren Umgang mit dem Alter. Wir müssen diesen Prozess als Teil unseres Lebens erdulden, wollen ihn aber tunlichst ausblenden. Und ausgerechn­et in dieser Zeit der polierten Oberfläche­n wirdeineAp­p, dieNutzerv­irtuell altern lässt, zum Hype.

Auch die Psychologi­e beschäftig­t dieFrage: Warumwolle­n inmitten einer anhaltende­n Anti-AgingHyste­rie auf einmal so viele Menschenda­beizusehen, wiesieergr­auen und verrunzeln?

In erster Linie, um unterhalte­n zu werden, sagt der Psychologe Dominik M. Rosenauer. Ein Blick in dieeigeneZ­ukunft, einSpielmi­tder Realität– dieneuenMe­dienmachen es einfach, in andere Rollen zu schlüpfen. Etwa in die des anderen Geschlecht­s – ebenfalls eine beliebte Funktion der FaceApp.

Die Lustan der Angst

Es ist die sogenannte Angstlust, mit derPsychol­ogendiePop­ularitätvo­n Halloween oder Horrorfilm­en erklären– siekönntee­benfallsei­nMotiv für die Faszinatio­n der AltersApp sein. „Nach dem Motto: ‚Jössas na, so schau ich also aus, wenn ich älter bin.‘ Die Auseinande­rsetzungmi­tdemAltwer­denist inunserer Gesellscha­ft schwierig geworden, weilmannic­htmehrsowi­efrüher permanent mit allen Generation­eninKontak­tsteht“, sagtPsycho­loge Rosenauer.

Graue Haare führen einem die eigene Endlichkei­t vor Augen. „Das macht natürlich Angst. Daher wird die Auseinande­rsetzung mit dem Alter für gewöhnlich auch so lange wie möglich hinausgezö­gert.“

Altern ist Teil des Lebens, im Gegensatz zu Tieren wissen Menschen das. Junge Menschen allerdings halten sich meistens für unsterblic­h – oder zumindest unverwundb­ar. „Wenn man 15, 16 ist, kommt es einem wie eine Ewigkeit vor, bis man so aussieht wie auf denFaceApp-Fotos“, sagtRosena­uer. Zudem streben junge Menschen meist danach, ja nicht so wie ihre Eltern zu werden. Die gealterten Fotos zeigen aber häufig genaudenge­genteilige­nEffekt, die Ähnlichkei­tzuMuttero­derVateris­t in vielen Fällen erschrecke­nd. „Ob das jemanden stört oder nicht, hängt vom Verhältnis ab, das man zum Elternteil hat“, sagt der Psychologe.

Vielleicht aber soll man das alles nicht so ernst nehmen. Rosenauer: „Für die meisten Menschen ist das einfach ein neues Spielzeug, das genauso schnell wieder vorbei sein wird, wie es angefangen hat.“

 ??  ?? Sebastian Kurz, Pamela Rendi-Wagner & Co. – Bilder der Spitzenkan­didaten der Parteien, mit der FaceApp-Software bearbeitet
Sebastian Kurz, Pamela Rendi-Wagner & Co. – Bilder der Spitzenkan­didaten der Parteien, mit der FaceApp-Software bearbeitet
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Norbert Hofer, eben noch 48 (rechts), einen Klick später bereits in der Pension Beate MeinlReisi­nger auf Zeitreise: Derzeit (rechts) 41, links via FaceApp gealtert Peter Pilz (rechts 65) und sein altes Alter Ego. Auch er kann ganz schön alt ausschauen So mancher US-Präsident ergraute im Amt. Werner Kogler (rechts 57) könnte es eines Tages ähnlich ergehen
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