76 € verursachten Schredder-Gate
„Operation Reißwolf“: Opposition schießt sich auf Volkspartei ein
Ein Mitarbeiter von Sebastian Kurz hat sechs Tage nach Bekanntwerden der Ibiza-Affäre eine Festplatte eines Kopierers schreddern lassen, ohne die Rechnung dafür zu begleichen. Das ist der Kern der für die ÖVP unangenehmen „Operation Reißwolf“, über die der KURIER bereits am Samstag berichtet hat. Aufgeflogen ist die Akten-Vernichtung nur, weil der besagte Mitarbeiter eine Rechnung in der Höhe von 76 Euro nicht bezahlt hat.
„SOKOIbiza“
Im Bundeskanzleramt, von wo aus der Kurz-Vertraute die Festplatten mitgenommen hat, waren zumindest zwei Mitarbeiter über die „externe“Vernichtung informiert. Insbesondere der Chef der IT-Abteilung soll wenig erfreut gewesen sein – immerhin gibt es ein striktes Prozedere für derartige Vernichtungen. Die ÖVP erklärt die Außer-Haus-Vernichtung mit der Sorge, von SPÖ-nahen Beamten „ausspioniert“zuwerden.
Die Opposition fordert Aufklärung – unter anderem mit parlamentarischen Anfragen.
Der KURIER-Bericht über die „Operation Reißwolf“der ÖVP hat riesigen Wirbel ausgelöst. Über Kanzlerin Brigitte Bierlein bricht jetzt als Behördenleiterin eine wahre Anfragenflut herein. SPÖ, Liste Jetzt, Neos und FPÖkündi gen parlamentarische Anfragen zur Vernichtung von Daten aus dem Bundeskanzleramt an.
Aber auch die ÖVP, Urheberin der „Operation Reißwolf“, wird tätig: Sie wird ebenfalls eine Anfrage stellen: Wie wurde mit der Datenvernichtung beim Kanzlerwechsel von Christian Kern zu Sebastian Kurz vorgegangen? Sie habe beim Einzug ins Kanzler am tim Dezember 2017 ebenfalls lauter leere Festplatten vorgefunden. Löschen und Vernichten von Festplatten sei bei einem Kanzlerwechsel „ein üblicher Vorgang“, will dieÖVP damit sagen.
FragwürdigeAktion
Zur Vorgeschichte: Ein KurzMitarbeiter– hierMaxMüller genannt (Name der Redaktion bekannt) – hat am 23. Mai, vier Tage vor der angekündigten Abwahl von Kanzler Sebastian Kurz durch den Nationalrat, im Zuge des Koffer packens im Kanzler amt eine sehr fragwürdige Aktion geliefert: Er nahm die Festplatte aus einem Drucker, brachte sie außer Haus zur Firma Reisswolf, ließ sie dort drei Mal schreddern, schaute bei der Vernichtung zu – und blieb die Rechnung schuldig. Wegen dieser unbezahlten Rechnung flog die Aktion schließlich auf. Denn Müller hatte bei Reisswolf einen falschen Namen aber die richtige Telefonnummer angegeben. Reisswolf konnte die Mahnung nicht zustellen und informierte die Polizei. Die Polizei stellte fest, es handelte sich um einen Mitarbeiter des Kanzleramts. Besonders das Vern ich tungsdatumsta ch den Ermittlern ins Auge: der 23. Mai–sechs Tagen ach Aufflie gen desIbiza-Skand als. Daraufhin übernahm die „SOKO Ibiza“im Auftrag der Korrupt ions staatsanwaltschaft Graz den Fall. Sie durchsuchte Müllers Wohnung und ermittelt nun gegen ihn wegen des Verdachtsder Beweis mittel unterdrückung.
Seit der Kurz-Abwahl ist MüllerÖVP- Mitarbeiter, zuvor war er Kanzler amts mitarbeiter. Laut KURIER-Informationen gab er der Polizei gegenüber an, dass zwei Kanzler amts mitarbeiter von der Aktion wussten. Der eine, Bernd Pichlmayer, war zuvor im Kabinett von G er notBlümelundi st jetzt Gruppenleiter. Der andere, Erwin Albrechtowitz, leitet die ITAbteilung. Es soll eine „Dreieckskommunikation MüllerPichlmayer-Albrechtowitz“stattgefunden haben, wobei der IT-Leiter „wenig erfreut“gewesen sein soll über die Außer-Haus-Vernichtung. Er habe auf den vorschrifts gemäßen Weg von Daten vernichtungen durch dasKanzl er amtselbstv erwiesen.
Albrechtowitz konnte ab Freitag, früher Abend, vom KURIER nicht befragt werden, ein Sprecher des Kanzleramts verwies auf Montag.
Müller sagt jedenfalls aus, dass erdi ekle ing eschreddertenRe st eder Festplatte wie vereinbart von der Firma Reisswolf zum Kanzleramt zurückgebracht und dort übergeben habe.
Die eigenhändige AußerHaus-Vernichtung begründetdieÖVPmitd er Sorge, von SPÖ-nahen Beamten „ausspioniert“zu werden.
Flut vonVorwürfen
Die ÖVP sieht sich mit vielen Vorwürfen konfrontiert. SPÖ-Geschäftsführer Thomas Drozda, Neos, Liste Jetzt fordernAufklärungund forensische Untersuchungen; die FPÖ übt sich in Verschwörungstheorien.
Die unbezahlte Rechnung, die Müller auffliegen ließ, betrugübrigens76Euro. Sie ist inzwischen beglichen.