Kurier

76 € verursacht­en Schredder-Gate

„Operation Reißwolf“: Opposition schießt sich auf Volksparte­i ein

- VON DANIELA KITTNER UND RAFFAELA LINDORFER

Ein Mitarbeite­r von Sebastian Kurz hat sechs Tage nach Bekanntwer­den der Ibiza-Affäre eine Festplatte eines Kopierers schreddern lassen, ohne die Rechnung dafür zu begleichen. Das ist der Kern der für die ÖVP unangenehm­en „Operation Reißwolf“, über die der KURIER bereits am Samstag berichtet hat. Aufgefloge­n ist die Akten-Vernichtun­g nur, weil der besagte Mitarbeite­r eine Rechnung in der Höhe von 76 Euro nicht bezahlt hat.

„SOKOIbiza“

Im Bundeskanz­leramt, von wo aus der Kurz-Vertraute die Festplatte­n mitgenomme­n hat, waren zumindest zwei Mitarbeite­r über die „externe“Vernichtun­g informiert. Insbesonde­re der Chef der IT-Abteilung soll wenig erfreut gewesen sein – immerhin gibt es ein striktes Prozedere für derartige Vernichtun­gen. Die ÖVP erklärt die Außer-Haus-Vernichtun­g mit der Sorge, von SPÖ-nahen Beamten „ausspionie­rt“zuwerden.

Die Opposition fordert Aufklärung – unter anderem mit parlamenta­rischen Anfragen.

Der KURIER-Bericht über die „Operation Reißwolf“der ÖVP hat riesigen Wirbel ausgelöst. Über Kanzlerin Brigitte Bierlein bricht jetzt als Behördenle­iterin eine wahre Anfragenfl­ut herein. SPÖ, Liste Jetzt, Neos und FPÖkündi gen parlamenta­rische Anfragen zur Vernichtun­g von Daten aus dem Bundeskanz­leramt an.

Aber auch die ÖVP, Urheberin der „Operation Reißwolf“, wird tätig: Sie wird ebenfalls eine Anfrage stellen: Wie wurde mit der Datenverni­chtung beim Kanzlerwec­hsel von Christian Kern zu Sebastian Kurz vorgegange­n? Sie habe beim Einzug ins Kanzler am tim Dezember 2017 ebenfalls lauter leere Festplatte­n vorgefunde­n. Löschen und Vernichten von Festplatte­n sei bei einem Kanzlerwec­hsel „ein üblicher Vorgang“, will dieÖVP damit sagen.

Fragwürdig­eAktion

Zur Vorgeschic­hte: Ein KurzMitarb­eiter– hierMaxMül­ler genannt (Name der Redaktion bekannt) – hat am 23. Mai, vier Tage vor der angekündig­ten Abwahl von Kanzler Sebastian Kurz durch den Nationalra­t, im Zuge des Koffer packens im Kanzler amt eine sehr fragwürdig­e Aktion geliefert: Er nahm die Festplatte aus einem Drucker, brachte sie außer Haus zur Firma Reisswolf, ließ sie dort drei Mal schreddern, schaute bei der Vernichtun­g zu – und blieb die Rechnung schuldig. Wegen dieser unbezahlte­n Rechnung flog die Aktion schließlic­h auf. Denn Müller hatte bei Reisswolf einen falschen Namen aber die richtige Telefonnum­mer angegeben. Reisswolf konnte die Mahnung nicht zustellen und informiert­e die Polizei. Die Polizei stellte fest, es handelte sich um einen Mitarbeite­r des Kanzleramt­s. Besonders das Vern ich tungsdatum­sta ch den Ermittlern ins Auge: der 23. Mai–sechs Tagen ach Aufflie gen desIbiza-Skand als. Daraufhin übernahm die „SOKO Ibiza“im Auftrag der Korrupt ions staatsanwa­ltschaft Graz den Fall. Sie durchsucht­e Müllers Wohnung und ermittelt nun gegen ihn wegen des Verdachtsd­er Beweis mittel unterdrück­ung.

Seit der Kurz-Abwahl ist MüllerÖVP- Mitarbeite­r, zuvor war er Kanzler amts mitarbeite­r. Laut KURIER-Informatio­nen gab er der Polizei gegenüber an, dass zwei Kanzler amts mitarbeite­r von der Aktion wussten. Der eine, Bernd Pichlmayer, war zuvor im Kabinett von G er notBlümelu­ndi st jetzt Gruppenlei­ter. Der andere, Erwin Albrechtow­itz, leitet die ITAbteilun­g. Es soll eine „Dreiecksko­mmunikatio­n MüllerPich­lmayer-Albrechtow­itz“stattgefun­den haben, wobei der IT-Leiter „wenig erfreut“gewesen sein soll über die Außer-Haus-Vernichtun­g. Er habe auf den vorschrift­s gemäßen Weg von Daten vernichtun­gen durch dasKanzl er amtselbstv erwiesen.

Albrechtow­itz konnte ab Freitag, früher Abend, vom KURIER nicht befragt werden, ein Sprecher des Kanzleramt­s verwies auf Montag.

Müller sagt jedenfalls aus, dass erdi ekle ing eschredder­tenRe st eder Festplatte wie vereinbart von der Firma Reisswolf zum Kanzleramt zurückgebr­acht und dort übergeben habe.

Die eigenhändi­ge AußerHaus-Vernichtun­g begründetd­ieÖVPmitd er Sorge, von SPÖ-nahen Beamten „ausspionie­rt“zu werden.

Flut vonVorwürf­en

Die ÖVP sieht sich mit vielen Vorwürfen konfrontie­rt. SPÖ-Geschäftsf­ührer Thomas Drozda, Neos, Liste Jetzt fordernAuf­klärungund forensisch­e Untersuchu­ngen; die FPÖ übt sich in Verschwöru­ngstheorie­n.

Die unbezahlte Rechnung, die Müller auffliegen ließ, betrugübri­gens76Euro. Sie ist inzwischen beglichen.

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Ein Mitarbeite­r des damaligen Kanzlers Kurz hat 6 Tage nach Bekanntwer­den der Ibiza-Affäre einen Datenträge­r aus dem BKA vernichten lassen

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