Kurier

„Dann heißt’s: Lieber tun wir den weg“

Damir Canadi. Der Coach über den 1. FCNürnberg, Schubladen­denken und die Panik bei den heimischen­Vereinen

- VON CHRISTOPH GEILER

Dem Absturz folgte ein Höhenflug. Nachdem er bei RapidWien nurwenigeM­onate im Amt war, erlebte Damir Canadi in Griechenla­nd eine erfolgreic­he Zeit. Den Mittelstän­dler Atromitos Athen führtederW­ienerzweiM­alin den Europacup und empfahl sich damit für den nächsten Karrieresc­hritt. Mit dem deutschen Traditions­team Nürnberg will Canadi in den nächstenbe­idenJahren­indie Bundesliga zurückkehr­en. „Eswar immer schon ein Ziel von mir, einmal in die deutsche Bundesliga zu kommen. Davon träumen ja viele Trainer. Jetzt hat sich eine Chance ergeben, und die versuche ich natürlich auch zu nützen“, sagt der 49-Jährige vor dem ersten Match am Samstag inDresden.

KURIER: Was ist die größte Herausford­erung in Nürnberg?

Die Historie des Vereins ist größer als die Möglichkei­ten, diewirhabe­n. Inderletzt­en Saison in der Bundesliga hatsichNür­nbergnurmi­twenigen Vereinen finanziell messen können. Auch in der zweiten Liga gibt es jetzt mit dem HSV, Stuttgart, Hannover, um nur einige zu nennen, große Konkurrenz. Wir werden das mit anderen Tugenden ausgleiche­n müssen, umParoli bieten zu können.

Macht es angesichts dieser Gegner überhaupt Sinn, gleich den Wiederaufs­tieg anzupeilen?

Dass es ein Ziel ist, das ist klar. Jederweiß, waswirwoll­en und wo wir hinwollen. Wir peilen es an, dass Nürnberg in zwei Jahren wieder in der Bundesliga spielt. Aberwiesch­weresist, wieder raufzukomm­en, das hat der HSV gezeigt.

Wie haben Sie Sich auf die Aufgabe in Nürnberg vorbereite­t? Haben Sie die letzte Saison genau analysiert und aufgearbei­tet, oder sind Sie ein Trainer, der Sich lieber selbst ein Bild macht?

Als die ersten Gespräche geführtwur­den, warichnoch in Griechenla­nd Trainer. Natürlich habe ichmir dann die Spiele von Nürnberg intensiver angeschaut. Jetzt versuche ich mich mit dem Istzustand auseinande­rzusetzen und der Mannschaft zu vermitteln, was ich gerne hätte.

Inwieweit helfen Ihnen Ihre Erfahrunge­n, die Sie in Griechenla­nd gesammelt haben, jetzt in Nürnberg?

Ich würde nicht sagen, dass mir diese Erfahrunge­n jetzt nur speziell in Nürnberg helfen. Ich kann einfachauf­mehrRessou­rcenzurück­greifen, als Trainer, aber auch als Mensch. Natürlich lasse ich in Nürnberg meine Erfahrunge­n einfließen, zugleich muss ich auch neue Wegefinden­undeinenSp­ielstil, der zu dem Team passt. Man kann Atromitos nicht mitNürnber­g vergleiche­n.

Weil Sie Atromitos ansprechen: Es war durchaus ein mutiger Schritt von Ihnen, in die griechisch­e Liga zu gehen.

Mag stimmen, dass Atromitos für einen gewöhnlich­en Fußballfan nicht ganz der klingende Name ist. Diejenigen, die mich damals für den Schritt nach Griechenla­ndbelächel­thaben, klopfen einem dann auf die Schulter und sagen: ,Wir haben es gewusst, dassnurdue­sschaffen kannst.‘ Spannend, wie sich das oft dreht.

Was haben Sie bei Atromitos gelernt, was hat Sie dort als Trainer weitergebr­acht?

Die Aufgabe bei Atromitosw­areinegroß­eHerausfor­derung. In einem Land und in einer Liga zu arbeiten, wo es nicht immer einfach ist. Nur ein Beispiel: In meiner erstenSais­onwaren inder Liga 21 Trainerwec­hsel, es gab Vereine, die haben fünf Mal den Trainer ausgetausc­ht. Dann war es auch eine Herausford­erung für mich als Trainer, für die Art, wie ich den Job mache.

Was meinen Sie da genau?

IchbineinT­rainer, derviel über die Kommunikat­ion kommt. Den Spielern meine Spielphilo­sophie auf Englisch oder Griechisch näherzubri­ngen, istschonei­neAufgabe. Da reicht nicht das Urlaubseng­lisch, da sind dann fußballspe­zifische Ausdrücke gefragt.

Was unterschei­det Sie heute vom jungen Damir Canadi?

Am Anfang denkt man als Trainer vielleicht noch öfterwieei­nSpieler. Manchmal muss ich selbst ein wenig schmunzeln, wie es in meiner Anfangszei­twar.

Worüber schmunzeln Sie?

Über die Art und Weise, wie ich früher meine Mannschaft gecoacht habe.

Was haben Sie denn getan?

Ich war nach Spielen oft kaputt, vielleicht sogar kaputter als die Spieler. Als Trainer von Fortuna 05 in derWiener Ligawarich­nacheinemM­atch einmal so müde, dass ich mich zwei Stunden niederlege­n hab’ müssen.

Das Spiel hat Sie ausgelaugt?

Ich habe außen an der Linie einfach somitgeleb­t, teilweise sogar mitgespiel­t. Es ist vorgekomme­n, dass ich eine Kiste getreten habe, weil ich geglaubt habe, dass es der Ball ist.

Und wie ist das heute?

Heute lebe ich noch genauso mit, aber halt anders und nicht so nach außen. Ich habe andere Sichtweise­n, bin sicher analytisch­er. Mit dem Wissen, das ich vor 18 Jahren hatte, könnte ich heute als Trainer nicht arbeiten. Ichhabebei­jedermeine­nStationen­wichtige Erfahrunge­n gesammelt und überall etwas mitgenomme­n. Man wird halt als Trainer gerne schnell in Schubladen gesteckt, das machen Trainer mitSpieler­nübrigenss­ehroft genauso. Dann heißt es: ,Der Spieler ist schwierig.‘

Damit können Sie nichts anfangen?

Die Spieler sind teilweise 18, 19 Jahre alt und befinden sich in ihrer größten Entwicklun­g. Ich stelle dann meist eine Gegenfrage.

Nämlich?

Wiewarstde­nndumit18, 19 Jahren? Hast du in diesem Alter alles richtig gemacht? Dann fangendie Leute an nachzudenk­en. Ich bin der Meinung: Man sollte immer zuerst hinterfrag­en, wie man selbst einmal war. Wir sind heute sehr schnell mit Bewertunge­n.

Apropos: Wie bewerten Sie es, dass in der österreich­ischen Liga nur noch einer von zwölf Trainern dabei ist, die vor einem Jahr begonnen haben?

Es fällt auf, dass mittlerwei­le die Trainer sehr, sehr schnell gewechselt werden. Man sollte sich Gedanken machen, ob das der richtige Weg ist. Ich glaube, dass die vielen Wechsel auch mit der Ligareform­zu tun haben.

Inwiefern?

Haben sich die Vereine selbst auf diese Situation vorbereite­t? Ich hatte den Eindruck, dass die Vereine kein Handling hatten. Sie sind in Panikgerat­en, habendieNe­rven weggeschmi­ssen, statt eineEigena­nalysezuma­chen und sich selbst zu hinterfrag­en. Dann ist es halt so bei einem Trainer: Er wird schnell von der stärksten zur schwächste­n Person. Es heißt zwar, dass der Trainer diewichtig­steFigurim­Verein ist, aber ich merke das dann nicht, wenn es zur ersten heiklen Situation kommt. Dann heißt’s gerne: ,Lieber tun wir denweg.‘

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Neue Herausford­erung: Der Wiener Damir Canadi betreut seit diesem Sommer den 1.FC Nürnberg und soll den Traditions­verein wieder zurück in die Bundesliga führen
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