Skaten, bis der Arzt kommt
Bretter, die die Welt bedeuten. Mediziner Hans-PeterHutter steht auf Surf- und Skateboards
Es spricht nichts dagegen, in schönenHemdenüberhässlicheThemen Auskunft zu geben. Man kennt den Umweltmediziner Hans-Peter Hutter von Interviews über die gesundheitlichen Auswirkungen von Klimawandel, Luftverschmutzung, Lärm und Mobilfunk. Dass er dabei gerne bunte Hawaii-Hemden trägt, muss noch nicht heißen, dass er begeisterter Surfer ist und in Kalifornien lebt.
Ist er aber und ja, er hat in Kalifornien gelebt und dort in Santa Monica im VansStore gejobbt. Vans, das weiß jeder Mensch unter dreißig, sind Skater-Schuhe und Hutter, dessen Titelliste heute länger als sein Name ist
(OA Assoz.-Prof. Priv.
Doz. Dipl.-Ing. Dr. med. univ., er hat neben MedizinauchLandschaftsökologie und Landschaftsgestaltung studiert), ist öfter in ihnen anzutreffen.
Etwa, wenn er im Skate-Pool im Bednar-Park in der Leopoldstadt Dinge macht, die Namen wie „SmithGrind“oder „Fifty Fifty“tragen und man als Zuschauer froh ist, dass der Arzt schon da ist.
Als HansPeter Hutter im Wien der 1970er aufwuchs, gab es keine Vans und die Idee vomSurfen und Skaten war so weit weg wie Kalifornien. Als die ersten Skateboards in Österreich gesichtet wurden, war Hutter 14 und das Brett mit den vier Rädern bedeutete fortan seine Welt. Wie lange noch? Zumindest, so lange es ihn freut. Skaten erfordert hohe körperliche Fitness. Der drahtige, braun gebrannte Hutter istmit seinen 55 Jahren ziemlich sicher besser in Form als so mancher Mittzwanziger. Als Mediziner mit Forschungsschwerpunkt Risikoabschätzung weiß er außerdem, dass der Teufel im Detail liegt. Schon ein winziger Kieselstein oder ein Zigarettenstummel könnte ein Rad blockieren.„EineungünstigeBegleitvariabel.“Und weil er Gefahrenabschätzung nicht nur beruflich betreibt, hatHutterimmereinenBesen dabei, umden Betonpool, in dem er skaten wird, vorher zu reinigen. Ob er sich als Mediziner der potenziellen Gefahren seines Sports bewusster ist? „Man braucht eine nüchterne Herangehensweise. Egal, ob es ums Skaten oder die Gefahreneinschätzung der Mobiltelefonie geht. Es muss eine Risikoanalyse gemacht werden. Aber man darf nicht zu kopflastig werden, sonst schränkt man sich ein.“
Der Atemstockt
EinesolcheBefürchtungseinschränkung hatmaneventuell auchals Zuschauer. Es stockt einem der Ate,, wenn man den Arzt im Betonbecken beobachtet. Gott sei Dank ist der Mann ausgerüstet. Hutterweiß, wie eine Fraktur medizinisch ausschauen kann. Auf die Idee, deshalb lieber Golf zu spielen, wie das Klischee es von einem Arzt Mitte fünfzig erwartet, käme er trotzdem nicht. Dass vieles bei seiner Lieblingsbeschäftigung „wild ausschaut“weiß Hutter auch dank seines Nebenjobs: Er war Richter bei internationalen Skateboard-Meisterschaften. AlseinzigerArztvorOrt hat er Dinge gesehen, die auch für ihn „hardcore“waren.
Skaten ist eine Leidenschaftmit vielen Facetten. Dass Hutter auch Landschaftsplaner ist, passt gut. Schanzen und Skateparks hat er schon als Jugendlicher selbst gebaut. Inden1980ernliefertenerund seine Freunde sich Kämpfe mit der MA 48. „Kaum haben wir uns eine Rampe auf der Donauinsel gebaut, ist schon die Müllabfuhr gekommen.“Auch auf dem Karlsplatz und inanderenGegendenwar eralsTeenie per Board unterwegs, nicht immer legal: „Ich musste etliche Male Strafen zahlen.“
Unlängst, beim Strandbad Alte Donau, überkamen den Herrn Doktor wieder Jugendgefühle, als ihn eine Stimme unwirsch aufforderte: „Owe vomBoard!“
Als Hutter tatsächlich noch Teenager war, gab’s in Wien nicht nur keine Infrastruktur, sondern auch so gut wie keine Boards. Hutter wurde auch hier initiativ. Fallweise baut er heute noch Boards. Besonders wichtig ist dabei die Grafik auf der Unterseite. Sein Design ist inspiriert vom Wellenreiten und von Dogtown, einem Viertel in Los Angeles, wo die erstenSkateboarder in den 1960ern leere Schwimmbecken kaperten. Dass die Pools dortgewölbtundbeiunseckigwaren, ist eine ebenso einfache, wie logischeErklärungdafür, warumderSkate-Boom hier nie ganz angekommen ist. Eine weitere ist, dass Skaten eben vomSurfenkommtundL.A. dafür geeigneter als Wien ist – die Alte Donau in allen Ehren. Als 1978 die erste Plastikboardwelle nach Wien kam, rollte der 14-jährige Hans-Peter imDonaupark über das WIG-Gelände, dasÜberbleibsel der internationalen Gartenschau. Es ging bergab und ein bisserl umdie Kurve und das war das Spektakulärste, was man mit den ersten Boardsmachen konnte. In Oberlaa sah er dann zum ersten Mal, was sonst nochmöglich war. Dinge wie „Double kick Flip“lernte der junge Hans-Peter von anderen Skatern, von denen einzelne heute noch aktiv sind. „Wir haben uns damals alles aus importierten Heften abgeschaut. Laufende Bilder hatten wir ja nicht. Ich wusste gleich: IchmussindieUSA. Nachder Matura hab ichmeinen Plattenspieler und mein Fahrrad verkauft und bin nach Los Angeles gefahren.“
Lacoste-Leiberl imPorsche
Im Vergleich zu seinen Arzt-KollegenistderskatendeHuttersicherein bunter Hund. „Das Arzt-Klischee vom leicht reaktionären Doktor, der im Lacoste-Leiberl im Porsche sitzt, hab ich nie erfüllt.“
Eine Ausnahmeerscheinung ist dernichtmehrganzjungeHutternatürlich auch unter den Skatern. „In den USA skaten die Leute bis 70, 80. Ich habe noch einiges vor. ZumindestzweiTricksmöchteichnoch lernen. Wenn das nicht mehr geht, bleibt immer noch das Surfen.“
Dass Skaten in Österreich als Sport nicht ernst genommen wird, ärgert ihn. Tausende Male hat er an Sportredaktionen geschrieben. Internationalhat sichdasImage seines Sportes gewandelt, er sieht das mitgemischtenGefühlen. Alleswerde heute kommerzialisiert. Sein Sport war das Skaten schon, als es noch imGettovonDogtownstattgefunden hat. Und imDonaupark.