Ausstellung. Die ersten Rock-Stars
Die Pionierinnen in den Bergenmusstenmehr als nur die Schwerkraft überwinden
„Unter der hiesigen Damenwelt scheint in Frau von Frey eine echte Bergkönigin erstanden zu sein“, notiert maninderSalzburgerZeitung vom25. August 1869 einwenig schwülstig. Tatsächlich dürfte Anna von Freywenige TagezuvormitihremGemahl den Großglockner bestiegen haben. Der Herr von Frey: einvermögender, imSalzburger Vereinsleben gut verankerter Adeliger.
„Anna von Freywar nicht die Erste“, betont die Kunsthistorikerin Sibylle Kampl. Sie hat für die Ausstellung „Berg, die“(siehe rechts) alte Quellen durchforstet – und Erstaunliches festgestellt.
Die englische Aristokratin MaryWhitehead war wenige Wochen zuvor von Kals aus aufgestiegen. Im Glocknerbuch im KalserWirtshaus hat sie festgehalten, dass sie „sehr zufrieden mit den beiden Bergführern“war.
In Kooperation mit Veronika Raich, die im Museum des Österreichischen Alpenvereins in Innsbruck arbeitet, fandKamplnochviel Besseresheraus: DiebeidenAristokratinnen dürften nicht die ersten Frauen auf dem Glockner gewesen sein. Laut Einträgen in die Gästebücher der Wirtshäuser in Kals und Heiligenblut sowie lokalenBerichtenhabenJahrezuvor einheimische Frauen den Gipfel bezwungen. Sidonie Schmidl zum Beispiel. Sie soll am 21. September 1857 laut Zeitung Carinthia mit Burschen aus Heiligenblut den Glockner bestiegen haben, siewirddaher„Glocknerfrau“genannt. Während ihr Erfolg angezweifelt wird, ist der Aufstieg von Elisabeth Hanser am 30. Juni 1868 in einem Buch so dokumentiert: „Die Gletscherspitze bestiegen über die Adlersruhe.“
Über die adeligeBergsteigerin Anna von Frey heißt es auch:„EsistdieKühnheitund die Ausdauer zu bewundern, mit welcher Frau von Frey sich den Gefahren und Mühseligkeiten einer derartigen Bergbesteigung aussetzte.“
Die Pionierinnen am Berg hatten nicht nur die Schwerkraft, sondern auch gesellschaftliche Widerstände zu überwinden, auch von Ärzten: „Sie haben nicht die Kraft!“– „Klettern verändert Ihr Aussehen!“– „Sport vermännlicht, entfremdet vom Muttersein!“– „Die Farbe in Ihrem Gesicht ist nicht salonfähig!“– „Überanstrengung kann lebenslange irreversibleSchädennachsichziehen!“
„Zottelhexe“
„Bergweib“,„Zottelhexe“: die Unkenrufe kamen auch von Frauen. UnddieMütterwarnten ihre Töchter: „Du findest keinen Mann mehr.“Den Frauen, dieauchfür ihrepolitischen Rechte eintraten, wurden Prügel vor die Beine geworfen, so Sibylle Kampl. „Sie fanden nur schwer kooperative Bergführer. Und wermiteinemfremdenMann loszog, wurde geschmäht. In derWand störten zudemStöckelschuh und langer Rock.“
Veronika Raich betont: „Frauen durften niemals als Seilerste klettern. Und hatten sie es endlich geschafft, wurde ihre Leistung öfters nachträglich aberkannt.“
Dabei brachten die Frauen neue Geschichten mit ins Tal: Während Männer nur ihren „Gipfelsieg“im Auge hatten, reflektierten sie auch das Leben in den Bergen.