„Mit gemischten Gefühlen“
Franz Leichter. Der gebürtigeWiener brachte es zu einem der einflussreichsten Senatoren in denUSA. Kürzlichwar er in seinerGeburtsstadt und erzählte hier aus seinem aufregenden Leben. Geschichtenmit Geschichte
Ich komme immer wieder gerne nach Österreich“, sagt Franz Leichter, „auch wenn ich dabei gemischte Gefühle habe“. Der gebürtigeWienerlebtindenUSA, wo er eine große politische Karriere schaffte, zählte er doch 24 Jahre lang zu den angesehensten und einflussreichsten Senatoren des Staates NewYork. Franz Leichter hat ein tragisches Schicksal hinter sich. Während ihm 1938 die Flucht aus Wien gelang, wurde seine Mutter von den Nazis ermordet. Vor kurzem wareraufBesuchinWienund erzählte mir aus seinem dramatischen Leben.
Die „gemischten Gefühle“hat er, „weil ich mit Wien sowohl schreckliche als auch schöne Erinnerungen verbinde“, beginnt der 88-Jährige. „Zu den schrecklichen zählt, was meiner Mutter angetan wurde. Zu den schönen, dass es hier Menschen gab, die uns in dieser schweren Zeit uneigennützig geholfen haben.“
Die Lebensrettung
So erinnert sich Franz Leichter, derdamalssiebenJahrealt war, an eine nichtjüdische Freundin seiner Mutter namens Irma Turnsek, die ihm vermutlich das Leben rettete: „Sie hatte einen Sohn Helmut, der genauso alt war wie ich und mit dem ich befreundetwar. Irma nahm, als Hitler einmarschierte, Helmuts Papiere, gab mich als ihren Sohn aus und brachte mich quer durch Deutschland über die Grenze. Sie sagte zu mir: ,Du darfst im Zugabteil nie Irma zu mir sagen, du musst Mutti sagen’. Das fiel mir sehr schwer, ich sagte immer Irmi, daswar lebensgefährlich.“
Irma Turnsek nahm für ihre Menschlichkeit ein schweres Los auf sich: „Sie konnte nicht mehr zurück nach Wien, weil die Gestapo erfahren hatte, wie sie mir geholfen hat. So blieb sie in Englandundmussteihreneigenen Sohn sieben Jahre, bis Kriegsende, allein inWien lassen.“
TodimKZ
FranzLeichtersMutterwardie weitüberÖsterreichsGrenzen hinaus bekannte Sozialwissenschafterin Käthe Leichter, diedasFrauenreferatderWiener Arbeiterkammer gegründet hatte. Sie und ihr Mann, der Schriftsteller Otto Leichter, wurden von den Nazis sowohl als Juden als auch als Sozialisten verfolgt. Doch während Otto und seinen beiden Söhnen die Flucht gelang, „wurde meine Mutter von einer befreundeten Familie an die Gestapo verraten und festgenommen.“
Käthe Leichter wurde ins KZ Ravensbrück deportiert und dort 1942 ermordet. „Ich habe nicht mehr sehr viele Erinnerungen an die Jahre, in denen ich in Wien lebte, aber das Bild, als meine Mutter unsere Wohnung in Mauer verließ und mich noch einmal ansah, habeichimmervormir. Ichhabesiedanachniewieder gesehen.“Die Republik Österreich verleiht seit 1991 jedes Jahr den „Käthe-LeichterPreis“als Staatspreis für Frauenforschung.
Politik in denGenen
Franz Leichter gelangte mit Vater und Bruder von Frankreichüber SpanienundPortugal „mit dem Schiff, auf dem auch Franz Werfel und Alma Mahler fuhren“in die USA. Er promovierte an der Harvard UniversitätundwurdeRechtsanwalt. „Aber ich habe die Politik in den Genen, mein Vater hat ständig politisiert, und so schloss ich mich der Demokratischen Partei an.“
30 Jahre in derPolitik
Franz Leichter war mehr als 30 Jahre politisch tätig, zunächst als Abgeordneter und von 1975 bis 1998 als Senator des Staates New York, als der er maßgeblich am Entstehen wegweisender Gesetze beteiligt war: So schuf er eine Art Mieterschutz, um die explodierenden Mieten in New York einzudämmen, er ist für einen liberalen Abtreibungsparagrafen verantwortlich, setztedurch, dassSchecksvon Banken unverzüglich gutgeschrieben werden müssen, anstatt die Zinsen tagelang einzubehalten. Franz Leichterreformierte– sehraktuellin Österreich – das Wahlkampffinanzierungsgesetz. Er entwarf ein Gesetz zur Gleichberechtigung für Lesben und Schwule, schuf Parks in New York und führte last but not least einen Erlass ein, der New Yorker Hundebesitzer verpflichtet, die Abfälle ihrer Vierbeiner zu beseitigen.
Carter, Clinton, Obama
Ganz hat Franz Leichter sein politisches Engagement auch im hohen Alter nicht aufgegeben. Nachdem er sich einst in Wahlkampagnen für Jimmy Carter, BillClintonundBarack Obama einsetzte, geht es ihm heute darum, die Wiederwahl Donald Trumps zu verhindern. „Der Mann ist eine Gefahr für die ganze Welt, undeswäreschrecklich, wenn er noch einmal Präsident würde. EswirdfürdieDemokraten nichtleicht, zugewinnen, aber es gibt eine Chance.“
Dabei kennt Leichter den US-Präsidenten. „Einmal habeicheingroßesGebäude, das er in meinem Bezirk in New Yorkbauenwollte, verhindert. Danach sagte er zu mir: ,Gut, dann gehe ich Polo spielen!’ Ein anderes Mal hat er mir für meinenWahlkampf1000Dollar geschickt. Ich habe das Geldretourniertundihnangerufen: ,Donald, das würde dir nicht helfen und es würde mir nicht helfen.’ Er sagte: ,Danke, das Geld kann ich ohnehin gut brauchen.’ Er war immer ein bisschen verrückt.“
Der gebürtige Wiener verfolgt auch die österreichische Politik. „Meine Eltern wären erfreut, wenn sie sehen könnten, was für ein prosperierendes, demokratisches Land aus Österreich geworden ist. Aber siewären bestürzt, dasseineweitrechts stehende Partei bis vor kurzem in der Regierung saß.“
TraurigeMomente
Franz Leichter war mit einer Amerikanerin verheiratet und hat zwei Kinder und vier Enkel. Seine Tochter Kathy übernahm eine schwere Aufgabe: Sie gestaltete einen Dokumentarfilm über den Tod ihrer Mutter Nina, die 1995 in einer Depression Selbstmord beging. „Der Tod meiner Frau“, sagt Leichter, „zähltwiedieErmordungmeiner Mutter zu den traurigen Momentenmeines Lebens“.
Franz Leichter ist nach unserem Gespräch wieder in die USA zurückgekehrt. Um sichdortwieschonseinhalbes Leben auf den nächstenWahlkampf vorzubereiten.
georg.markus@kurier.at