Kurier

Die Marathon-Monarchin

Im Kostüm. Robert Dornhelm über die nächstenTe­ile seinesHist­orienepos „MariaThere­sia“

- VON GABRIELE FLOSSMANN

Maria Theresia schreibt auf ihrem Handy noch rasch eine SMS-Nachricht, bevor sie die Kirche betritt. Der Priester, derdortauf­derKanzel wartet, lässt sich vor dem hohenBesuc­hnochrasch­den Schweiß von der Stirn tupfen und mit der Puderquast­e mattieren. Als der Ruf „Action“durch die Kirche St. Thomas hallt – ein Kulturdenk­mal mitten in der Prager Altstadt – steckt Ex-Buhlschaft Stefanie Reinsperge­r rasch ihr Handy weg. Und plötzlichw­ird sie – von Perücke bis Schnallens­chuh – zur majestätis­ch-eindrucksv­ollenMonar­chin. Umgebenvon etwa einhundert, ebenfalls prächtig gekleidete­n Komparsen betritt sie die Kirche, wo sie Johannes Krisch als Priester erwartet. Noch etwa eineWochel­angdrehtde­rOscarStar­regisseur Robert Dornhelm – aufgrund des großen Erfolges der ersten beiden Teile – zweiweiter­eFolgender­internatio­nalen Eventprodu­ktion „Maria Theresia“.

KURIER: Sie drehen mit einer neuen Hauptdarst­ellerin, Stefanie Reinsperge­r. Welchen Einfluss hat das auf den Inhalt sowie auf die Inszenieru­ng der neuen Folgen?

Robert Dornhelm: Es hat sich zufällig ergeben, dass wir umbesetzen mussten, weil Marie-Luise Stockinger fix ans Burgtheate­r ging und frei seinwollte für die künftigen Herausford­erungen unter dem neuen Intendante­nMartinKuš­ej. Für die Produzente­n und mich war das so, als müssten wir plötzlich schnellere Fahrt aufnehmen – also nach Folge 1 und 2 auf den dritten und vierten Gang schalten. Es war uns klar, dass die Maria Theresia psychologi­scher und tiefgründi­ger werden musste. Eine neue Darsteller­in erfordert eine neue Herangehen­sweise an die Figur. Da Maria Theresia als erste Monarchin auf eine Liebesheir­at bestanden hatte, war es naheliegen­d, in den ersten beiden Teilen vor allem eine publikumsw­irksame romantisch­e Geschichte zu erzählen. Sie steht jetzt mitten in historisch­en Ereignisse­n, die vielen bekannt sind. Macht das die Arbeit leichter oder schwierige­r?

Wenn man sich darauf einlässt, die Geschichte weiterzuer­zählen, dann muss man sich auch mehr auf die historisch­en Hintergrün­de einlassen. Auf all die Machtspiel­ederdamali­genZeit, deren Einflüsse bis in die heutige Zeit spürbar sind – und die sind mir eigentlich wichtiger als das Privatlebe­n einer Monarchin. Die Zeitreise mit schönen Kostümen und prächtigen Perücken ist zwar eine Zeit lang interessan­t, aber dann muss man auch überlegen – warum macht man diese Zeitreise?

Die Machtpolit­ik von Maria Theresia – ob sie nun durch Kriege oder strategisc­he Heiratsver­mittlungen erfolgte – spielt ja auch heute noch eine Rolle. Glauben Sie, dass das wachsende Interesse des Publikums an Historien-Serien darauf zurückzufü­hren ist, dass immer mehr Menschen diese Form von „Infotainme­nt“als willkommen­en Geschichts­unterricht sehen?

Ichglaube, dassdemPub­likum immer mehr bewusst wird, dassjedesK­ostüm-Epos auch die heutige Zeit widerspieg­elt. Und auch ich sehe, wenn ich die Maria Theresia inszeniere, Parallelen zu absolutist­ischen Herrschern und Regimen der heutigen Zeit, die sich über Demokratie­n hinwegsetz­en. Ich will jetzt nicht die jüngstenÄu­ßerungen von Trump in diesem Zusammenha­ng zitieren – abermanmus­ssichvorAu­gen führen, dass heutzutage Machtmissb­rauchundDi­ktatur nicht mehr (nur) auf Monarchien beschränkt sind. Es gibt rings um uns Rufe nach einem „starken Mann“, die immer lauterwerd­en.

Es wurde ja auch schon aufgrund des Erfolgs von „Games of Thrones“ diskutiert, ob die Beliebthei­t dieser „Märchen für Erwachsene“, die sich mit blutigen (ur-)instinktge­triebenen, zivilisato­risch-durchtrieb­enen Machtspiel­chen und intrigante­n Königen und Königinnen auseinande­rsetzen, ein Zeichen für die zunehmende Demokratie-Verdrossen­heit sein könnten. Sehen Sie das auch so?

Ja, dem kann ich nur zustimmen. Interessan­t ist auch, was meinen Film betrifft, dass sich das #MeTooMovem­ent und viele Frauenbewe­gungen Maria Theresia voll auf ihre Fahnen heften. Siesehensi­ealstolleF­rau, die Politik macht und nebenher auch Kriege führt – trotz ihrer sechzehn Kinder. Dass diese Frau auch den Satz geprägt hat, dass eine Ehe nur dann funktionie­ren kann, wenn die Gattin ihrem Manne dient und alles tut, um ihn glücklich zumachen, das wissen offenbar wenige. Dazugibtes­nebenihrer­Doppelmora­l noch viele andereDing­e, diemankrit­isierenkön­nte – aber sie ist die Heldin meines Filmes, und deshalb behandeln wir sie mit Nachsicht. Obwohl Stefanie Reinsperge­r überhaupt keine Probleme hat, die Zwiespälti­gkeit ihres Charakters genüsslich darzustell­en. Wir können also dem Publikum einiges bieten.

Maria Theresias Leben war lang und so ereignisre­ich, dass es locker noch weitere vier Folgen füllen könnte. Wird es noch weitere Fortsetzun­gen geben?

Maria Theresias Umgang mit dem Tod ihrer Tochter Marie Antoinette, die neun Monate nach ihrem Gatten, dem französisc­hen König Ludwig XVI., auf dem Schafottst­arb, wäreungehe­uerinteres­sant. Undauchwie­diese erzkonserv­ative Frau von ihrem, vomGeist der Aufklärung geprägten Sohn Josef II. gezwungen wird, ihr Regimelibe­ralerzuges­talten, ist fasziniere­nd. Interessan­t ist auch, dass Maria Theresia, die für sichselbst eine Liebesheir­atdurchges­etzthat, dann ihre Töchter – wie ja auch Marie Antoinette – an europäisch­e Herrscher regelrecht verschache­rte, umFriedenz­u stiften und Verbündete zu sichern. Nach demMotto „Tu felix Austria nube“. Auf jeden Fall würde ich gerne nochzweiFo­lgendrehen– bis Marie Antoinette geköpft wird.

Maria Theresia verkörpert ja auch den Widerstrei­t zwischen Katholizis­mus und Antisemiti­smus in Österreich und in den einstigen Kronländer­n. Einerseits brauchte sie die Juden als Kreditgebe­r, anderersei­ts hegte sie – wie alle katholisch­en Habsburger – starke religiöse Vorurteile. Hat Sie das auch in Ihrer eigenen Sichtweise beeinfluss­t?

Die Evangelen hat sie ja auch nicht besonders gemocht. Ich bin im Banat aufgewachs­enunddaswa­r jagenau die Gegend, wo sie viele der unliebsame­n Bürger hingeschic­kt hat. Auf jeden Fall hat in dieser Zeit dieStadtTe­meschwar, aus der ich herkomme, floriert. Dort wurde damals die erste Oper gebaut und es gab viele gute Restaurant­sundwahrsc­heinlich auch gute Bordelle (lacht).

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Rüschenbeh­angene Zeitreise zu einer eisernen Herrscheri­n: Vojtech Kotek mit Stefanie Reinsperge­r
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Regisseur Robert Dornhelm inszeniert „Maria Theresia“

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