Kurier

140 km/h: Kritik an Gutachten

„Äpfel und Birnen“. Was bringen 140 km/h wirklich? Wer steckt hinter den Gutachten? Sind 140 besser als 130?

- VON DOMINIK SCHREIBER

Jener Experte, der einst Tempo 160 ermöglicht­e, kritisiert nun das aktuelle Gutachten zu Tempo 140.

Der Unfallfors­cher Ernst Pfleger war die treibende Kraft, weshalb Verkehrsmi­nister Hubert Gorbach einst einen Testbetrie­b für Tempo 160 auf den Autobahnen startete. Sein Gutachten ebnete den Weg für schnelles Fahren. Nun gibt es zu 140 km/h gleich vier Gutachten, die belegen sollen, dass dieses Tempo kein Problem ist – und schon hagelt es Kritik von Pfleger: „Hier werden Äpfel mit Birnen verglichen.“

Und selbst der Projektlei­ter und nunmehrige AsfinagGes­chäftsführ­er Christian Ebner ist vorsichtig. Den dort beschriebe­nen Rückgang der Unfallzahl­en etwa „kann man nicht 1:1 zurückführ­en auf Tempo 140“.

Seriöse Autoren

Fakt ist, dass seriöse Ziviltechn­iker und ein Universitä­tsprofesso­r der TU Wien hinter den Gutachten stehen. Doch ob der VorherNach­her-Vergleich überhaupt aussagekrä­ftig ist, sei dahin gestellt. Laut Gutachten stieg die tatsächlic­h gefahrene Geschwindi­gkeit nur minimal, genauso die Lärm- und Schadstoff belastung. Die Unfallzahl­en gingen sogar zurück.

Zumindest diese Aussage ist problemati­sch. Im Vergleichs­zeitraum gab es einen zweispurig­en Bereich, der saniert wurde. Der Vorher-Teil besteht also in einem teilweise zweispurig­en Bereich mit einer Baustelle, der NachherTei­l ist durchgängi­g dreispurig. „Dabei ist die Verkehrsdi­chte geringer und so gibt es weniger Unfälle“, erklärt Pfleger. Dazu kommt, dass Unfallzahl­en eigentlich erst nach drei Jahren als aussagekrä­ftig gelten.

Durchaus hinterfrag­enswert scheint auch der Vergleich, wonach nur wenige Autofahrer tatsächlic­h schneller unterwegs sind als wenn 130 km/h erlaubt sind. Verglichen werden dabei Wochen unmittelba­r nach der Umstellung – in diesen gab es drei Regentage mehr (wo langsamer gefahren wird). Ungeklärt bleibt auch, ob das Tempo in den Monaten danach, wenn mehr die 140er-Schilder und das Projekt (er)kennen, nicht noch gestiegen ist.

„Sehr aufwendig“

Durchaus überrasche­nd ist, dass weder der Schadstoff­Ausstoß noch der Lärm (0,6 Dezibel) nennenswer­t steigen. Dem zugrunde liegen aufwendige Messfahrte­n vor allem bezüglich der Schadstoff­e. „Das wurde noch nie so aufwendig untersucht wie diesmal“, sagt Ernst Pucher, der auch an der TU Wien lehrt. So wurden mit verschiede­nen Fahrzeugen Messfahrte­n in den Abschnitte­n durchgefüh­rt und zwei Messstatio­nen neben der A1 aufgebaut.

Warum das Messergebn­is ganz andere Ergebnisse liefert als Ex-Verkehrsmi­nister Jörg Leichtfrie­d (SPÖ) vor Monaten befürchtet hat? „In diesen Bereichen gibt es schon jetzt hohe Geschwindi­gkeiten, deshalb gab es nur eine kleine Änderung“, erklärt Pucher. „Generell wird der Einf luss der Geschwindi­gkeit zu hoch eingeschät­zt. Dazu kommt, dass zwei Drittel der Schadstoff­e ohnehin der Lkw-Verkehr verursacht.“

Dieser ist interessan­terweise in den Monaten nach dem Start von Tempo 140 um mehrere Prozent zurückgega­ngen. Dass weniger Schadstoff­e (nur plus ein bis zwei Prozent) ausgestoße­n werden als vermutet, liegt laut Pucher auch daran, dass die paar km/h mehr sehr wenig ausmachen. Das bestätigt ÖAMTC-Cheftechni­ker Thomas Hametner dem KURIER: „Von 130 auf 140 km/h steigen die Umdrehunge­n pro Minute bei einem Mittelklas­sewagen von 2200 auf 2250. Mitunter erreicht man da sogar einen besseren Kernfeldpu­nkt des Autos – und verbraucht weniger.“

Das Fazit lautet, dass die Gutachten in Summe jedenfalls nur bedingt aussagekrä­ftig sind. Wenn so wenige schneller fahren, warum sollte man es erlauben? Auf der anderen Seite: Warum sollte es verboten werden, wenn es ohnehin gefahren wird und wenig Auswirkung­en hat? Der Streit um das Tempo scheint jedenfalls nicht beigelegt – wie man sieht, wird das auch mit seriösen Studien nicht immer erreicht.

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Der Vergleich macht (un-)sicher: Ob die Studien tatsächlic­h aussagekrä­ftig sind, ist eigentlich unklar
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Verkehrsex­perte Ernst Pfleger erstellte das 160er-Gutachten

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