Von Bodycams bis Fußfessel: Wo die Justiz jetzt Handlungsbedarf hat
Jabloner bereitet alles für Einsatz von Störsendern im Gefängnis vor
Die Bundesregierung kennt keine Sommerpause. Denn in einigen Bereichen der Republik macht sich ein Reformstau bemerkbar. Neben dem Bundesheer, wo dringend Geld für Neuanschaffungen benötigt wird, sind auch im Bereich der Justiz Reformen überfällig. Justizminister und Vizekanzler Clemens Jabloner ist in einer schwierigen Situation, weil er sowohl beim Budget als auch dem Personalplan aktuell nichts ändern kann.
Sicherheitspaket
Damit die Justiz aber nicht zu lange auf notwendige Entscheidungen warten muss, lässt Jabloner schon jetzt in vielen Bereichen die Weichen stellen. Gearbeitet wird an einem Sicherheitspaket. So sollen in den Gefängnissen Störsender installiert werden, damit Häftlinge nicht mehr heimlich Handys benutzen. Aber auch Bodycams für Justizwachebeamte sind überfällig. Und die Fußfessel sollen künftig Verurteilte mit einer Haftstrafe von bis zu 24 (statt bisher zwölf) Monaten beantragen können.
Justizminister Clemens Jabloner tourt durch die Institutionen und führt Gespräche mit den Zuständigen. Mehrmals hat er schon ausgesprochen, dass er in vielen Bereichen Handlungsbedarf sieht – aber auch klargemacht, dass es mit mehr Geld alleine nicht getan ist. Seinem Nachfolger will er eine Bestandsaufnahme hinterlassen.
Der KURIER hat die größten Baustellen identifiziert:
1 Gerichte klagen über
Personal-Notstand
Die Gerichte würden „zu Tode gespart“– das sagte Friedrich Forsthuber, Präsident des Straflandesgerichts in Wien, kürzlich stellvertretend für seine Leidensgenossen in ganz Österreich. Im „Grauen Haus“wurden wegen Großverfahren wie Buwog zwar seit 2010 die Richterplanstellen von 65 auf 80 aufgestockt, beim so genannten „nichtrichterlichen Personal“in den Kanzleien wurden aber 13 Stellen gestrichen. Das größte Landesgericht Österreichs geht in Akten über, so der Tenor.
Die Richtervereinigung hat jüngst einen Notfallplan ausgegeben und ihren Standeskollegen geraten, Prioritäten zu setzen: Verlassenschaften könnten warten, Obsorge und Gewaltfälle hätten Vorrang. Einzelne Bezirksgerichte wollen diesen Plan bereits umsetzen.
Das Justizministerium mahnt: Ein fixes Schema könnte die unabhängige Rechtssprechung beeinträchtigen. Ein Richter hat immer individuell zu bewerten, welche Fälle er wann und wie schnell bearbeitet.
2 Zu viele Insassen, zu wenig
Personal im Strafvollzug Im Frühjahr verzeichneten die Gefängnisse in Österreich ein Allzeithoch von 9500 Insassen, aktuell sind es noch 9350. Justizanstalten wie Wien-Josefstadt, Wiener Neustadt, Feldkirch, Göllersdorf, Graz-Jakomini und Mittersteig kämpfen mit einem Überbelag. In der Josefstadt sitzen zum Beispiel 1150 Personen ein – das sind rund 200 zu viel.
Dazu kommt: Österreichweit fehlen (trotz Rekrutierungsoffensive) 150 Justizwache-Beamte. Das Problem wird in den kommenden Jahren nicht geringer – geburtenstarke Jahrgänge kommen ins Pensionsalter. Vereinzelt erweist sich die Polizei offenbar als attraktiverer Arbeitgeber: rund 15 Justizwache-Beamte sollen den Umstieg heuer schon gewagt haben.
3 Gerichtsgebäude sind sanierungsbedürftig
Das alte Landesgerichtsgebäude in Salzburg wurde gerade saniert, als nächstes ist das größte Gericht Österreichs dran: Das Landesgericht Wien. Gleichzeitig soll auch die Justizanstalt Josefstadt saniert werden. Gerade erst wurde der Generalplan fertiggestellt, die genauen Kosten sind noch nicht bekannt – darüber muss der neue Justizminister dann wohl mit dem neuen Finanzminister verhandeln. Sämtliche Leitungen müssen erneuert werden (auch im Hinblick auf die längst überfällige Digitalisierung), und eine Klimaanlage soll dafür sorgen, dass die Mitarbeiter im Hochsommer in ihren Zimmern nicht ständige Schweißausbrüche erleiden. Im Idealfall kann im Jahr 2021 mit den Arbeiten begonnen werden, frühestens 2028 sind sie fertig.
Justizminister Jabloner sieht aber auch Handlungsbedarf beim Landesgericht Klagenfurt und der Justizanstalt Graz-Karlau.
4 Bundesverwaltungsgericht
geht mit Asyl-Fällen über Rund 70 Prozent aller Fälle, mit denen sich das BVwG als zweite Instanz in der öffentlichen Verwaltung beschäftigt, fallen mittlerweile auf den Bereich Fremdenwesen – das waren im Vorjahr 20.300 Verfahren für rund 200 Richter. Täglich trudeln neue Fälle ein, gleichzeitig gibt es aktuell einen Rückstau von sage und schreibe 40.000 Verfahren.
Ressortchef Jabloner plädiert dafür, dass der Personalabbau, der eigentlich geplant wäre, vorerst gestoppt wird. Ansetzen will man aber bei der Qualität der Ausbildung: Anders als ihre Kollegen bei den ordentlichen Gerichten brauchen die BVwGRichter keine vierjährige Richteramtsausbildung, es reichen fünf Jahre Berufserfahrung als Jurist.
5 Justizinterner Streit in der
Causa Eurofighter
Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft hat den Fall ja im Februar übernommen, im April entbrannte dann ein Streit, weil WKStA-Chefin Ilse VrablSanda mehr Personal forderte. Ihr Ermittlerteam besteht aus vier Staatsanwälten, einen zusätzlichen hat Jabloner dazugeliefert. Das hält der Justizminister nun – samt unterstützenden Experten – für ausreichend.
Vrabl-Sanda zeigte im Zuge des Streits den damaligen Generalsekretär Christian Pilnacek an, weil er Druck ausgeübt haben soll. Jabloner ließ darauf hin per Erlass präzisieren, wann eine Aufforderung als formelle Weisung zu verstehen ist. Damit sollten solche Streitereien in der Zukunft vermieden werden. Parallel läuft noch eine Mediation mit den Betroffenen.