Zuzug: Vorrang für IT-Spezialisten
Fachkräftemangel. Wirtschaftskammer will Zugangshürden für Programmierer aus Nicht-EU-Ländern lockern
Die Problematik ist bekannt, der Leidensdruck steigt: In der heimischen Wirtschaft fehlen bis zu 10.000 hochqualifizierte IT-Fachkräfte. Weil der Mangel im Inland nicht gedeckt werden kann und die Suche im EU-Raum immer schwieriger wird, will die Wirtschaftskammer (WKO)vermehrt Arbeitskräfte aus Drittstaaten ins Land holen. Als Herkunftsländer im Visier sind unter anderen der Kosovo, Serbien, Vietnam oder Indien.
Das Problem: Viele junge IT-Spezialisten erfüllen die formalen Zugangshürden für die Rot-Weiß-Rot-Karte nicht. Sie scheitern am Punktesystem, das auf formale Qualifikation, Berufserfahrung und vor allem Sprachkenntnisse abstellt. Auch das bürokratische Prozedere schreckt viele ab. Alfred Harl, Obmann des Fachverbandes Unternehmensberatung/IT in der WKO, schlägt daher eine eigene „Rot-WeißRot-Card Digital“für IT-Fachkräfte vor. „Wir müssen ITSpezialisten aus Drittstaaten einfach rascher durchlassen“, so Harl zum KURIER.
Die Kriterien für die Zuwanderung seien zu allgemein gehalten und müssten für diese gesuchte Zielgruppe adaptiert werden, meint Harl ohne ins Detail gehen zu wollen. Bei der Anwerbung von Spitzenkräften brauche es jedenfalls „einen Paradigmenwechsel“, der auch Dienstleistungen wie Umzug-Service inkludiere.
Reform in Verzug
Auf Druck aus der Wirtschaft wurde von der türkisblauen Regierung bereits Ende Februar eine Reform der Rot-Weiß-Rot-Karte in Begutachtung geschickt. Sie sieht etwa eine Absenkung der erforderlichen MindestGehaltsgrenze für unter 30jährige Schlüsselkräfte von 2.610 Euro auf 2.088 Euro brutto pro Monat sowie den Wegfall des UnterkunftsNachweises vor. Zur Abstimmung im Parlament kam es wegen des Regierungswechsels nicht mehr, weshalb weiter die bisherigen Regeln gelten. Harl drängt auf eine rasche Umsetzung. Die WKO hat Ausbildungsprogramme in Kosovo laufen, in Vietnam soll ein Entwicklungszentrum für den Software-Bereich aufgebaut werden.
Dass die Rot-Weiß-RotCard kein geeignetes Instrument ist, um Fachkräfte von außerhalb der EU nach Österreich zu bringen, bestätigt auch Tomas Jiskra, Geschäftsführer des in Wien ansässigen IT-Personaldienstleisters TTP. „Vor allem die Klein- und Mittelbetriebe sind mit der Bürokratie, die die Rot-Weiß-Rot-Card mit sich bringt, überfordert“, sagt er. Außerdem dauere es mit dieser Karte viel zu lange, bis das benötigte Personal ins Land kommen könne. IT-Projekte in Unternehmen müssten meist sehr rasch umgesetzt werden. Da könne man nicht Monate auf die Mitarbeiter warten.
Kurze Zyklen
„Die klassischen Zyklen von Entwicklungen bis zur Umsetzung, die sich über Jahre ziehen, gibt es in der IT nicht mehr. Wir haben sehr kurze Zyklen, viel Innovation“, beschreibt Jiskra das Umfeld, in dem sich heute die ITArbeit bewegt. Da brauche man sehr schnell, sehr spezifisches Personal. Damit täten sich vor allem Klein- und Mittelbetriebe schwer. Sie hätten in dem europäischen Umfeld, in dem Firmen aus jedem Land umFachkräfte werben, wenig Chancen.
Jizra fordert daher von den Betrieben mehr Flexibilität ein: IT-Projekte in englischer Sprache etwa. So könnten Ausländer rascher einsteigen. Und natürlich: mehr Aus- und Weiterbildung.