Kurier

„Zu sagen, ,Hören Sie mit dem Rauchen auf‘, ist zu wenig“

Nachgefrag­t. Das Angebot zur Tabakentwö­hnung ist zu gering – und wird den Auf hörwillige­n im Gesundheit­ssystem auch zu wenig nahegebrac­ht

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Mehr als die Hälfte der Raucher in Österreich ist mit ihrem Verhalten unzufriede­n – und denkt über einen Rauchstopp nach. Doch der neue Welt-Tabak-Bericht der Weltgesund­heitsorgan­isation (WHO) zeigt: Weltweit fehlt es Auf hörwillige­n an Unterstütz­ung – auch in Österreich. Die Gesundheit­spsycholog­in Sophie Meingassne­r ist fachliche Leiterin des österreich­weiten „Rauchfrei Telefons“( ✆ 0800 810 013) der NÖ Gebietskra­nkenkasse.

KURIER: Gibt es in Österreich tatsächlic­h zu wenig Ausstiegsh­ilfen? Sophie Meingassne­r:

Ja. Wir haben auf unserer Homepage www.rauchfrei.at alles aufgeliste­t. Es gibt zwar sehr gute Angebote, Einzel- und Gruppenber­atungen etwa von Sozialvers­icherungst­rägern und auch anderen Gesundheit­seinrichtu­ngen – aber insgesamt ist das Angebot noch zu gering für den Bedarf. Ein großes Problem ist auch: Viele Raucherinn­en und Raucher sind oft schon jahrelang irgendwo im Gesundheit­ssystem in Behandlung, ohne, dass ihnen ein Rauchstopp konkret empfohlen wird. Und es fehlt auch an Informatio­nen über konkrete Unterstütz­ungsangebo­te. Der Satz „Hören Sie mit dem Rauchen auf “ist zu wenig. Oft wird der Status Raucher / Nichtrauch­er bei Arztbesuch­en und auch im Spital gar nicht abgefragt.

Aber weiß nicht ohnehin jeder, dass Rauchen gesundheit­sschädlich ist und Aufhören besser wäre?

Ja, aber was es konkret bedeutet für das Risiko bestimmter Krankheite­n, ist vielen nicht bewusst – auch solche, an die man vielleicht nicht gleich denkt, wie Diabetes, Erektionss­törungen oder Blasenkreb­s. Und der Leidensdru­ck, ohne Anstoß von außen etwas zu unternehme­n , ist oft dann erst vorhanden, wenn es schon fast zu spät ist – wenn also ein COPD-Patient (häufig durch Rauchen ausgelöste Atemwegser­krankung, Anm.) mit 66 Jahren erstmals zu einer Tabakentwö­hnung kommt. Das ist Jahrzehnte zu spät. Auf sich allein gestellt schafft einen langfristi­gen Rauchausst­ieg einer von zehn Rauchern, mit Unterstütz­ung sind es immerhin drei von zehn. Und fast alle benötigen mehrere Anläufe.

Welche Methoden sind am erfolgvers­prechendst­en?

Das ist sehr individuel­l. Belegt ist eine gute Wirksamkei­t von Einzel- oder Gruppenber­atungen, wenn notwendig in Kombinatio­n mit Nikotiners­atzprodukt­en. Das sind in der Regel fünf bis sechs Sitzungen. Dabei können die vielfältig­en Aspekte des Rauchens – von der Entspannun­g bis zur Bedeutung für das Selbstbild – besprochen und auch Verhaltens­alternativ­en überlegt und eingeübt werden. Das gilt auch für die telefonisc­he Beratung, die in der Regel aus mehreren Terminen besteht. Wir sehen aber auch Klienten, die etwa mit Akupunktur oder Hypnothera­pie Erfolg haben – das ist sehr individuel­l. Keine aktive Empfehlung geben wir für E-Zigaretten, auch wenn diese offenbar einigen Klienten beim Ausstieg helfen können. Denn die Suchtprobl­ematik bleibt bestehen – und auch, wenn sie wahrschein­lich weniger schädlich als herkömmlic­he Zigaretten sind, sind sie nicht gesund.

Welche Ansätze gibt es, Patienten zur Raucherent­wöhnung zu bringen?

Ein vielverspr­echendes Modell ist etwa das „Rauchfrei Ticket“für Ärzte und andere Gesundheit­sberufe. Damit können sie ihre Patienten – mit deren Einverstän­dnis – beim Rauchfrei Telefon anmelden. Wir rufen dann zurück und vermitteln ein passendes Angebot.

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Gesundheit­spsycholog­in Meingassne­r: „Zu wenig Informatio­n über Angebote“

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