Kurier

„Nur zu kopieren, ist zu wenig“

Slowakei. Markíza-Chef Settele über Programm-Erfolge und kriminelle Machenscha­ften

- VON CHRISTOPH SILBER – PHILIPP WILHELMER

Es geht um 69 Millionen Euro und gefälschte Wechsel. In der Slowakei läuft bis Ende Juli ein spektakulä­rer Betrugspro­zess. Angeklagt sind der umstritten­e Multimilli­onär Marián Kočner, der laut Behörden bei der Ermordung des Journalist­en Ján Kuciak eine Rolle spielte, sowie der frühere Eigner der Privat-TV-Gruppe Markíza und Ex-Minister, Pavol Rusko, vormals der „slowakisch­e Berlusconi“. Der Vorwurf: Kočner habe bei Markíza von Rusko unterzeich­nete Wechsel geltend gemacht, die zurückdati­ert waren. Beide bestreiten Unrechtmäß­igkeiten.

Der österreich­ische Markíza-Chef Matthias Settele meinte vor Prozess-Start: „Ich hoffe auf ein faires Verfahren. Denn das, was uns da passiert ist, könnte in der Folge jedem anderen Unternehme­n in der Slowakei passieren.“Was den 52-Jährigen optimistis­ch stimmt, ist die Arbeit der Ermittler: „In der Vergangenh­eit gab es viele auf klärungswü­rdige Fälle, aber nur wenige Anklagen. Das scheint sich jetzt geändert zu haben.“

Aufbruchst­immung

Settele ortet eine Auf bruchsstim­mung in der Slowakei, was jüngst auch die Wahl der liberalen Anwältin Zuzanna Caputova zur Staatspräs­identin gezeigt habe. „Es gibt viele, die wollen, dass Staat und Behörden funktionie­ren, Korruption bekämpft wird und positiv etwas weitergeht.“

So wie bei Markíza. Seit Oktober 2013 ist Settele, der sich als Troublesho­oter in verschiede­nen europäisch­en TV-Märkten einen Namen gemacht hat, Generaldir­ektor des größten slowakisch­en TV-Konzerns, zu dem drei Sender und eine Streaming-Plattform gehören. „Es ist eine Erfolgsges­chichte, die mein Team geschriebe­n hat. Markíza hat sich vom Sanierungs­fall zum hochprofit­ablen Unternehme­n entwickelt.“Statt eines zweistelli­gen Minus-Ergebnisse­s, wie zu Beginn, stand zuletzt ein Gewinn von mehr als 24 Millionen Euro in der Bilanz. Nach jüngst vom internatio­nalen Mutterkonz­ern CME vorgelegte­n Zahlen setzt sich der wirtschaft­liche Erfolg heuer fort.

Markíza, laut Settele eine Mischung aus ORF und RTL, ist der beim Publikum erfolgreic­hste slowakisch­e Sender. Seine Stärke: „Wir senden von 15 Uhr bis Mitternach­t Eigenprodu­ktionen.“Sehr wichtig ist auch die Informatio­n – „Markíza ist unabhängig, und deshalb vertrauen uns die Menschen.“Sport ist hingegen eine Seltenheit, US-Blockbuste­r gibt es nur am Samstagabe­nd.

Für Quotenhits sorgten zuletzt etwa Serien-Adaptionen: „Oteckovia“(„Väter“) läuft täglich, ist bei über 290 Folgen angelangt und bringt der Streaming-Plattform des Senders großen Zuspruch. Auf die ursprüngli­ch argentinis­che Family-Soap hatte ExORF-Mann und TV-Berater Josef Andorfer aufmerksam gemacht. „Wir haben mit ,Oteckovia’ durchschni­ttlich einen Marktantei­l von 36 Prozent“, erläutert Settele, „das ist sensatione­ll.“Für den Erfolg, den die Branche auch jenseits der Landesgren­zen registrier­te, sorgt eine Maschineri­e, an der 120 bis 140 Mitarbeite­r beteiligt sind.

Welt-Beste

Ein weiteres Highlight ist eine finnische Serie, die für die Slowakei umgeschrie­ben wurde: „Sestričky“(„Schwestern“), deren zweite Staffel im Herbst kommt, wird aus Sicht der Krankensch­western erzählt. „Es ist unsere bisher teuerste eigenprodu­zierte Serie – und das sieht man ihr an. Man kann heute niemanden mehr mit Billigst-Produktion­en abspeisen.“Ergänzt wird die „schöne ProgrammMi­schung“durch weitere eigene Serien, internatio­nale Show- und Quiz-Formate wie „Wer weiß den sowas“.

„Wir suchen uns das Beste aus der ganzen Welt, das zu den Slowaken passt, und ergänzen das um lokale Kreativitä­t und internatio­nales Knowhow“, sagt Settele, der zwischen Baden und Bratislava pendelt. „Nur zu kopieren, ist aber zu wenig. Was ich in den Berufsjahr­en im Ausland gelernt habe: Jedes Land ist anders, jedes hat seine Sehgewohnh­eiten. Um Erfolg zu haben, muss man auf sein Publikum hören, auf seine Wünsche und Befindlich­keiten achten – und, nur manchmal, die Regeln und Traditione­n brechen.“

Der Streit zwischen Kraftwerk und Pelham läuft vor deutschen Gerichten schon seit etwa 20 Jahren durch alle Instanzen. Pelham hatte 1997 eine Zwei-SekundenSe­quenz ohne Erlaubnis benutzt und in Endlosschl­eife unter den Song „Nur mir“mit der Rapperin Sabrina Setlur gelegt. Kraftwerk-Mitbegründ­er Ralf Hütter verklagte Pelham darauf hin.

2016 hatte das Bundesverf­assungsger­icht die Kunstfreih­eit gestärkt und das vom Bundesgeri­chtshof (BGH) verhängte Verbot des Setlur-Songs gekippt. Die BGH-Richter verwiesen den Fall nach Luxemburg. Sampling ist in Hip-Hop und Rap ein gängiges Stilmittel.

 ??  ?? Seit 2013 ist der Österreich­er Matthias Settele (52) Generaldir­ektor des größten slowakisch­en Privat-TV-Konzerns Markíza
Seit 2013 ist der Österreich­er Matthias Settele (52) Generaldir­ektor des größten slowakisch­en Privat-TV-Konzerns Markíza
 ??  ?? Von der Soap zur Langzeit-Serie: Oteckovia“(„Väter“) läuft täglich
Von der Soap zur Langzeit-Serie: Oteckovia“(„Väter“) läuft täglich
 ??  ?? Moses Pelham darf sampeln
Moses Pelham darf sampeln

Newspapers in German

Newspapers from Austria