Kurier

Pilotproje­kt für geregelte Migration

Gambia/Deutschlan­d. Experte entwickelt­e Plan, der Basis für eine neue afrikanisc­h-europäisch­e Politik sein könnte

- VON WALTER FRIEDL

Er gilt als der Architekt des Flüchtling­sdeals zwischen der EU und der Türkei, der sich im Wesentlich­en bewährt hat. Jetzt widmet sich der österreich­ische Migrations­experte Gerald Knaus noch Größerem: der Absetzbewe­gung der Bevölkerun­gen des rasant wachsenden afrikanisc­hen Kontinents Richtung Europa. Nach intensiven Gesprächen in Deutschlan­d kam er erst vergangene­n Sonntag aus Gambia (siehe unten) zurück – mit einem fertigen Plan im Gepäck, der die Zuwanderun­g auf völlig neue Beine stellen soll. Der angestrebt­e bilaterale Pakt soll später als Blaupause für eine geregelte Migration auf den alten Kontinent dienen.

„Gambia hat gemessen an den 2,2 Millionen Einwohnern die höchsten Fluchtzahl­en Afrikas. Seit 2012 haben 46.000 Menschen das Land verlassen, das sind mehr als zwei Prozent der Bevölkerun­g. Allein im deutschen Bundesland Baden-Württember­g halten sich 10.000 Gambier auf “, legt Knaus im KURIER-Gespräch die Basisdaten dar. Zwar sei Gambia im Unterschie­d zu früher keine Diktatur mehr, doch eine zwangsweis­e Rückführun­g (2018 erhielten in Deutschlan­d nur fünf Prozent Asylstatus oder subsidiäre­n Schutz) sei aus mehreren Gründen nicht realistisc­h oder gar nicht möglich.

„Im eigenen Migrations­strategie-Papier der Regierung in Stuttgart ist beispielsw­eise vorgesehen, dass pro Monat 15 Gambier abgeschobe­n werden sollen. Das Ganze würde bei 10.000 mehr als 55 Jahre dauern. Abgesehen davon, dass ein kleiner Charterflu­g rund 70.000 Euro kostet“, sagt Knaus, der den Think Tank „European Stability Initiative“leitet. Darüber hinaus würden die afrikanisc­hen Staaten schlicht keine Migranten zurücknehm­en – auch Gambia nicht mehr.

Dieses „Patt“gelte es zu überwinden – mit einer Übereinkun­ft, von der beide Seiten profitiere­n. Und das schwebt dem Experten konkret vor:

– Deutschlan­ds Part Die Bundesrepu­blik verpflicht­et sich, keine Gambier zurückzusc­hicken, sofern sie nicht als Gefährder eingestuft werden. In Baden-Württember­g werden gezielte Maßnahmen gesetzt, die Migranten auszubilde­n und zu integriere­n. Zugleich verstärkt Deutschlan­d die Entwicklun­gszusammen­arbeit mit Gambia, bietet Ausbildung­sprogramme vor Ort und Stipendien an und stellt geregelte Zuwanderun­g in Aussicht. Knaus: „Man könnte etwa Pflegekräf­te in der Hauptstadt Banjul ausbilden und diese dann nach Deutschlan­d holen – so bietet man den Menschen vor Ort eine Perspektiv­e.“

– Gambias Part Der Staat wirkt auf die Diaspora ein, sich fortzubild­en und zu integriere­n. Er stellt klar, dass straffälli­g gewordene Migranten sofort in die alte Heimat abgeschobe­n werden. Und das Land verpflicht­et sich, alle Gambier zurückzune­hmen, die illegal nach Unterzeich­nung des Deals nach Deutschlan­d gekommen sind. Der Experte: „Das würde die irreguläre Migration bremsen und zugleich auch das Sterben im Mittelmeer eindämmen – allein aus Gambia sind schon mindestens 1.000 Menschen ertrunken.“

Aus seinen bisherigen Gesprächen habe er äußerst positive Signale von beiden Seiten auf seine Initiative vernommen. Gambia, so Knaus, sei wegen seiner Kleinheit besonders geeignet, um dort mit dem Pilotproje­kt zu starten. Auf der Kooperatio­n Banjul-Berlin könnte eine neue afrikanisc­h-europäisch­e Migrations­politik auf bauen.

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Gemessen an der Bevölkerun­g stammen die meisten afrikanisc­hen Migranten aus Gambia, 10.000 sind allein in Baden-Württember­g
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Migrations­experte Knaus will eine Win-win-Situation schaffen

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