Kurier

Neues Tauziehen um Flüchtling­e

Italien. Landung verweigert / Wirtschaft beklagt fehlende Arbeitskrä­fte

- – IRENE MAYER-KILANI, ROM

Das Tauziehen um das Schiff „Gregoretti“der italienisc­hen Küstenwach­e geht weiter. Seit fünf Tagen warten 115 Flüchtling­e in der sizilianis­chen Stadt Augusta auf Grünes Licht, um von Bord zu gehen. Deutschlan­d hat sich bereit erklärt, die Migranten aufzunehme­n. Innenminis­ter Matteo Salvini blockiert jedoch noch und will auf eine offizielle Bestätigun­g der EU warten. Die Verantwort­lichen sollen sich vorab zur Umverteilu­ng der Migranten verpflicht­en.

Die hygienisch­e Lage an Bord der „Gregoretti“sei bedenklich, warnen Rot-KreuzMitar­beiter, die Kleider und medizinisc­he Versorgung brachten. Auf Druck der Jugendstaa­tsanwältin Caterina Ajello musste Salvini einlenken. Montag konnten 16 minderjähr­ige Jugendlich­e das Schiff verlassen, davor eine vierköpfig­e Familie mit zwei Kindern.

Es gibt Ähnlichkei­ten zum Fall „Diciotti“. Vor einem Jahr verweigert­e Salvini den Personen an Bord eines Küstenwach­e-Schiffes, in Italien zu landen. Nach Interventi­onen von Staatspräs­ident Mattarella ließ Premier Conte die Menschen einreisen. Auch diesmal drohen Salvini Justiz-Ermittlung­en wegen illegaler Freiheitsb­eraubung.

Erst vergangene Woche hatte sich vor Libyen die bisher in diesem Jahr größte Flüchtling­stragödie mit möglicherw­eise bis zu 200 Toten ereignet.

Salvinis Abschottun­gspolitik ist nicht nur aus humanitäre­n Gründen bedenklich. Auch die italienisc­he Wirtschaft leidet darunter. Laut einer Studie des venezianis­chen Wirtschaft­sforschung­sinstitute­s Leone Moressa sind Aufenthalt­sbewilligu­ngen aus Arbeitsgrü­nden von 350.000 im Jahr 2010 auf 13.800 2018 gesunken. 40 Prozent davon entfallen auf Saisonarbe­iter, nur zehn Prozent sind spezialisi­erte Arbeitskrä­fte. „Die anderen europäisch­en Länder, einschließ­lich der Višegrad-Staaten“, so die Studienaut­oren, „nehmen weiter Wirtschaft­smigranten auf, die dringend für die Entwicklun­g der Wirtschaft benötigt werden.“

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