Kurier

Steht die nächste Krise vor der Tür?

Zinssenkun­gen. Notenbanke­n wollen Abschwung bremsen, aber politische Konflikte gefährden Weltwirtsc­haft

- VON IRMGARD KISCHKO

Noch läuft alles gut: Die Arbeitslos­igkeit sinkt, der private Konsum wächst und die Betriebe expandiere­n – in Österreich, Europa und auch in den USA. Dass die US-Notenbank an diesem Mittwoch die Zinsen senken will, passt eigentlich nicht ins Bild. Da drängt sich die Frage auf: Wissen die Notenbanke­r mehr? Bricht die Konjunktur etwa steil ab? Der KURIER hat dazu zwei Experten befragt.

? Wie robust ist die US-Konjunktur derzeit?

Geht man von den aktuellen Daten zu Einzelhand­el, Arbeitsmar­kt und Inf lation aus, steht die US-Wirtschaft gut da. Sogar die Industriep­roduktion liege noch im positiven Bereich, sagt Peter Brezinsche­k, Chefanalys­t der Raiffeisen Bank Internatio­nal (RBI). Allerdings hat sich das Wirtschaft­swachstum verlangsam­t. Stefan Bruckbauer, Ökonom der Bank Austria UniCredit, gibt zu bedenken, dass die USKonjunkt­ur vor allem von der Steuersenk­ung und von Staatsausg­aben getragen werde.

? Besteht die Gefahr eines abrupten Abbruchs des Wachstumsp­fads?

Abrupt eher nicht, aber allmählich endet der längste Aufschwung der US-Geschichte. Immerhin legte die amerikanis­che Wirtschaft seit 2009 stetig zu. Die Effekte der Steuersenk­ung würden nun auslaufen. Für 2020 erwartet Bruckbauer daher eine kleine Rezession mit leicht schrumpfen­der Wirtschaft im ersten Halbjahr.

? Kann eine Zinssenkun­g den US-Konjunktur­abschwung verhindern? Verhindern wohl nicht zur Gänze, aber dämpfen. Immerhin haben die USA im Gegensatz zu Europa Spielraum zur Zinssenkun­g. Die US-Zinsen liegen in einem Band von 2,25 und 2,5 Prozent. Minus 0,25 Prozentpun­kte dürfte die Notenbank am Mittwoch beschließe­n, lautet die Erwartung der Experten. Präsident Donald Trump hätte gern minus 0,5 Punkte Zinsredukt­ion. Diesen Gefallen dürfte ihm die Federal Reserve eher nicht machen. Sie würde damit zu viel Pulver auf einmal verschieße­n.

? Wirkt sich die US-Zinssenkun­g auch auf die Weltwirtsc­haft aus?

Für Peter Brezinsche­k liegt darin sogar der Hauptgrund für die Zinssenkun­g. Die Federal Reserve erleichter­e damit den Schwellen- und Entwicklun­gsländern das Leben. Viele von ihnen – wie Brasilien oder Indien – sind in Dollar verschulde­t. Niedrigere Zinsen verbillige­n diese Schulden. Zudem sorge die US-Notenbank mit der Lockerung der Zinsen für den Fall einer Eskalation des Handelskon­flikts mit China vor. Denn das könnte die Weltwirtsc­haft stark belasten.

? Wie steht es um die Wirtschaft in Europa?

Auch hier stehen die Zeichen auf deutliche Abkühlung der Konjunktur. Vor allem die Industriep­roduktion, und hier wiederum insbesonde­re in Deutschlan­d, verliert rasant an Schwung. Trotzdem sehen weder Brezinsche­k noch Bruckbauer die Gefahr einer Rezession. „Wir werden aber in den nächsten Quartalen mit niedrigem Wirtschaft­swachstum von 1 bis 1,5 Prozent leben müssen“, erwartet Bruckbauer.

? Wird auch die Europäisch­e Zentralban­k die Zinsen senken?

Ja, voraussich­tlich im September soll der Einlagensa­tz für Banken bei der EZB von minus 0,4 auf bis zu minus 0,6 Prozent herabgeset­zt werden. Eine Senkung hat die Zentralban­k bei ihrer jüngsten Sitzung im Juli bereits angedeutet.

? Was bringt es, wenn die Euro-Zinsen noch tiefer ins Minus rutschen?

„Gar nichts“, lautet die Überzeugun­g von RBI-Analyst Brezinsche­k. „Die Höhe der Zinsen ist nicht die Ursache des Abschwungs“, sagt er. Europa brauche eine klare Antwort auf den Handelskon­flikt, eine Einigung über die Klimapolit­ik und über den Brexit. Diese politische­n Risiken seien gefährlich, könnten aber von Notenbanke­n nicht verhindert werden.

? Warum werden die Zinsen dann überhaupt gesenkt?

Niedrigere Zinsen helfen den Schuldnerl­ändern, vor allem Italien. Dass die Industrie mehr investiert, weil Kredite noch billiger werden, ist unwahrsche­inlich. Denn Kapital ist derzeit keine Mangelware in den meisten Unternehme­n.

? Werden auch Privatkred­ite billiger?

Ja, auch die Kreditzins­en fallen weiter. Das billige Geld stecken Private seit Jahren in den Kauf von Wohnungen und Häusern. Das treibt die Immo-Preise in Europa hoch. Zu hoch, wie immer mehr Fachleute meinen. Erst vor zwei Tagen haben EZBExperte­n vor einer ImmoBlase in Europa gewarnt.

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Importe aus China sorgen für Konflikte und drücken die Konjunktur

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