Kurier

Chanels neue Aufpasseri­n

Diversity Manager. Immer mehr Modehäuser wollen mit Expertenra­t Negativ-Schlagzeil­en vorbeugen

- VON MARIA ZELENKO

Seine Kreationen waren legendär – jedoch auch seine scharfe Zunge. In seinen 36 Jahren als Chefdesign­er hatte Karl Lagerfeld mit seiner gnadenlos offenen Art regelmäßig für Ärger gesorgt. 2017 kritisiert­e er Angela Merkels Flüchtling­spolitik, sie würde „Millionen der schlimmste­n Feinde“der Juden ins Land holen. Außerdem lästerte er in den Jahren zuvor regelmäßig über dicke Frauen. Zuletzt ätzte der gebürtige Deutsche sogar über die MeToo-Bewegung.

Um das gute Image von Chanel zu wahren, hat seine Nachfolger­in Virginie Viard sich nun Verstärkun­g geholt: Soeben wurde Fiona Pargeter als Head of Diversity and Inclusion engagiert. Sie kommt von der Schweizer Großbank UBS, wo sie eine ähnliche Position inne hatte.

Blackfacin­g

Viard möchte wohl verhindern, was zuletzt gleich mehreren Modehäuser­n widerfuhr: Rassismus-Vorwürfe aufgrund von Entwürfen, die viele nicht als kreativ, sondern schlichtwe­g geschmackl­os empfanden. So geschehen bei Gucci. Anfang des Jahres gab es einen Shitstorm gegen das Luxus-Unternehme­n, weil es im Onlineshop einen Pullover anbot, dessen Kragen bis über die Nase gezogen werden konnte. Die Aussparung am Mund war mit einem dicken roten Rand versehen. Einen ähnlichen Look hatte man zuvor am Laufsteg gezeigt. In den sozialen Medien wurde dem Label Blackfacin­g, bei dem sich Weiße dunkel schminken, um wie Schwarze auszusehen, vorgeworfe­n. Chefdesign­er Alessandro Michele entschuldi­gte sich für seinen Fehltritt – und engagierte einen Diversity Manager, um solche Situatione­n künftig zu vermeiden.

Suizid ist keine Mode

Chanel und Gucci sind nicht die einzigen Modehäuser, die diese Position neu geschaffen haben. Auch Burberry leistet sich seit Kurzem einen Mitarbeite­r, der für ein vielfältig­eres und integrativ­eres Umfeld sorgen soll.

Das Label schickte während der Fashion Week im Februar ein Model in einem Pullover, dessen Kapuze mit einer Schlinge zusammenge­bunden war, über den Laufsteg. „Suizid ist keine Mode“war nur eine der vielen Negativ-Reaktionen auf den Entwurf.

Dass Fehltritte wie dieser überhaupt passieren können, sieht Manfred Wondrak, Gründer der factor-D Diversity Consulting, die Unternehme­n auf diesem Gebiet berät, ein Stück weit in Selbstüber­schätzung begründet. „Die großen Modehäuser dachten wohl jahrelang: Wir sind vielfältig genug, schließlic­h geben wir die Trends vor“, sagt der Experte im Gespräch mit dem KURIER. Mit der Entscheidu­ng, Diversity Manager anzustelle­n, sei die Modewelt im Vergleich zu anderen Branchen spät dran.

Viel Angriffsf läche

Dass sich alteingese­ssene Firmen gerade jetzt zu diesem Schritt entschließ­en, liegt auch an Instagram, Twitter und Co. „In Zeiten von Social Media sind Fehler innerhalb kürzester Zeit für ein größeres Publikum sichtbar“, weiß Wondrak. „Große Labels wissen, dass sie unter genauer Beobachtun­g stehen.“Experten wie Fiona Pargeter sollen laut Diversity-Fachmann Manfred Wondrak auch dafür sorgen, dass Unternehme­n innovative­r werden und neue Zielgruppe­n erreichen. Er ist sich sicher: „Modehäuser werden künftig nicht mehr auf Personen wie sie verzichten können.“

 ??  ?? Lagerfeld war zu Lebzeiten berühmt für seine scharfe Zunge
Lagerfeld war zu Lebzeiten berühmt für seine scharfe Zunge
 ??  ?? Burberry : Das Seil am Pullover wurde als makaber empfunden
Burberry : Das Seil am Pullover wurde als makaber empfunden
 ??  ?? Marc Jacobs fand die Dreadlocks cool – viele seiner Fans nicht
Marc Jacobs fand die Dreadlocks cool – viele seiner Fans nicht
 ??  ?? Mit diesem Entwurf stieg Gucci heuer ins Fettnäpfch­en
Mit diesem Entwurf stieg Gucci heuer ins Fettnäpfch­en
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