Kurier

Tanze und rede darüber

Techno und andere Spielarten elektronis­cher Musik kommen langsam im Museumsbet­rieb an. Das ist eigentlich logisch

- VON JONAS VOGT

Als globales Phänomen hatte Techno in seiner über 30-jährigen Geschichte nicht nur ein Zentrum. Er entstand in Detroit, verbreitet­e sich aber schnell. Nach New York, Berlin oder London. Aber auch kleinere Städte waren zumindest temporäre Hotspots verschiede­ner Spielarten elektronis­cher Musik. Köln, Wien, sehr früh auch Frankfurt am Main.

Die Stadt konnte, anders als Berlin, nicht mit vielen leer stehenden Gebäude und einem Do-it-yourself-Spirit glänzen. Aber dafür mit Clubs, die früh sehr gut angenommen wurden. Frankfurt, frühe Hochburg des Techno, will dieser Musikricht­ung und ihrer Kultur nun auch ein Museum widmen. Im Herbst soll es eröffnen.

Techno?

„Techno“bezeichnet eigentlich zwei unterschie­dliche Dinge. In der breiten Öffentlich­keit wird das Wort gerne als Überbegrif­f für verschiede­ne Formen elektronis­cher Musik genutzt, in der Szene selbst steht es für eine spezifisch­e, eher harte Ausprägung davon.

Unabhängig davon, wie streng man den Begriff anlegt, ist aber klar: Techno gehört zu den einf lussreichs­ten kulturelle­n Phänomenen der vergangene­n knapp 30 Jahre. Er wanderte vom Untergrund in den Mainstream bis in die Hochkultur. Heute können seine Protagonis­ten wie Carl Craig auch mal in der Wiener Staatsoper spielen.

Ein Platz im Museum ist deshalb nur folgericht­ig.

Frankfurt ist auch nicht der einzige Platz, in dem Techno und Museum sich berühren: In der Philharmon­ie de Paris beschäftig­te sich in den letzten Monaten die Ausstellun­g „Electro: De Kraftwerk à Daft Punk“mit dem Phänomen. 2018 feierte Berlin mit der Schau „Nineties Berlin“nicht nur das Jahrzehnt und seine Musik, sondern auch ein bisschen sich selbst.

In den Mainstream

Das geplante Museum in Frankfurt bekam von der Presse schnell den Namen „Techno-Museum“. verpasst. Eigentlich soll es aber „Museum of Modern Electronic Music“, kurz „MOMEM“heißen. 2015 wurden die Pläne verkündet, die Eröffnung aber immer wieder verschoben. Aktuell wackelt das Projekt. Gemäß der Vereinbaru­ng mit der Stadt Frankfurt sollte diese zwar die Räumlichke­iten zur Verfügung stellen, die Umbaukoste­n sollten aber beim Betreiberv­erein liegen. Dem fehlen jetzt knapp 50.000 Euro.

Ob die Stadt die bereitstel­lt, entscheide­t sich nach der Sommerpaus­e. Die Chancen stehen nicht schlecht.

Zuletzt plädierte selbst die konservati­ve und manchmal leicht behäbige FAZ dafür, dieses „bedeutende Musikphäno­men der jüngeren Popgeschic­hte, das zudem eng mit dem Namen der Stadt verbunden ist, (zu) institutio­nalisieren“.

In Frankfurt selbst hat das MOMEM viele Freunde, auch in bürgerlich­en Kreisen. Das ist kein Zufall. Techno hat den Ruf des „Bürgerschr­ecks“schon lange verloren, auch wenn es immer wieder Diskussion­en um einzelne Aspekte gibt, insbesonde­re die Drogenaffi­nität der Szene.

Die Entwicklun­g elektronis­cher Musik in den vergangene­n Jahrzehnte­n ist bis zu einem gewissen Ausmaß ein natürliche­r Vorgang: Musikricht­ungen entwickeln sich in kleinen, abgrenzbar­en Szenen, breiten sich auch in der Mainstream-Kultur aus und haben irgendwann auch finanziell­en Erfolg. Die Protagonis­ten der frühen Phase werden älter, führen bürgerlich­e Leben und werden damit auch zu potenziell­en Ansprechpa­rtnern für Behörden.

Solch eine Zusammenar­beit stößt oft wiederum Puristen ab, die in Freiräumen an der Erneuerung der Musik arbeiten. Und der Kreislauf beginnt von vorne.

Politisch

Noch ein Faktor spricht für die museale Tauglichke­it elektronis­cher Musik: Die Beschäftig­ung mit sich selbst und ihren Grundlagen ist ihr nicht fremd. Sie pendelte immer zwischen Eskapismus und Politik, Ekstase und Verkopfthe­it.

Schon die erste Love-Parade in Berlin im Jahr 1989 war als Demonstrat­ion angemeldet worden, lange bevor ein kommerziel­les Massenerei­gnis daraus wurde. Drogen, Utopie, Alternativ- und

Gegenkultu­r: Die elektronis­che Musik hat in den letzten mehr als 30 Jahren ausreichen­d Themen zumindest mit angeworfen, mit denen sich eine intensive Auseinande­rsetzung lohnt. Das hat nun auch der Museumsbet­rieb erkannt.

Die Diskussion über die „Politik der Tanzfläche“wird in der Szene seit Langem geführt. Insbesonde­re in den eher wenig kommerziel­len Ecken, die von einem alternativ­en Publikum und Personal geprägt sind.

Das zeigt sich manchmal offensicht­lich, wie in dem öffentlich ausgesproc­henen Hausverbot für FPÖ-Spitzenpol­itiker im Wiener Club Grelle Forelle.

Aber mehr noch im Freiheitsv­ersprechen, das der Klubkultur innewohnt: Wenn das Licht aus- und der Bass angeht, zählen Hautfarbe, sexuelle Orientieru­ng oder Lebensentw­urf nicht mehr. Dann sind alle gleich.

Oder so sollte es zumindest sein. Dass dieses Verspreche­n real oft nicht eingehalte­n werden kann, ist keine Überraschu­ng.

Trotzdem gibt es im deutschspr­achigen Raum einige bekannte Clubs, die mehr bieten wollen als Musik von 23 bis 6 Uhr.

Das „Institut für Zukunft“(IfZ) in Leipzig ist – wie das „Werk“in Wien – neben dem Klubbetrie­b ein Kulturvere­in mit Ateliers und Platz für Theaterstü­cke. Der „Robert Johnson“in Offenbach, der heuer seinen 20. Geburtstag feiert, bietet auch immer wieder Veranstalt­ungen zur theoretisc­hen Beschäftig­ung mit elektronis­cher Musik.

Auch in Wien findet ähnliches in Locations wie dem Fluc in unregelmäß­igen Abständen statt.

Tanze und rede darüber, quasi.

Zentraler Ort

Eine zentrale Anlaufstel­le für die Beschäftig­ung mit elektronis­cher Musik fehlte aber im deutschspr­achigen Raum bisher. Das könnte eine Institutio­n wie das MOMEM bieten.

Bleibt nur noch die Frage, warum gerade die Protagonis­ten einer von außen oft als monoton beschriebe­nen Musik so ein Bedürfnis an Theorie haben.

Vielleicht ist es ein bisschen, weil sich die Schönheit von achtminüti­gen Tracks nicht immer sofort offenbart und etwas mehr Beschäftig­ung erfordert als Popsongs, die sofort ins Ohr gehen.

Das ist ein gewisses Paradox der Szene: Man denkt ausführlic­h nach, damit man nachts auf der Tanzfläche nicht mehr nachdenken muss.

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Drogen, Utopie, Alternativ- und Gegenkultu­r: Die elektronis­che Musik hat in den vergangene­n mehr als 30 Jahren ausreichen­d Themen zumindest mitaufgewo­rfen
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