Paul fürs Hirn, Kurt fürs Bett
Benoîte Groult. Posthum erschien das irische Tagebuch der Pariser Schriftstellerin und Feministin
Ganz am Ende wollte Benoîte Groult noch etwas aus ihren Tagebüchern veröffentlichen.
Sie hatte mehrere geführt, eines mit und eines ohne Sex und eines über ihre Erfolge beim Fischen.
Über 90 war sie, ihre Krankheit, Alzheimer, kam dazwischen. Als sie 2016 starb, war es für Tochter Blandine de Caunes selbstverständlich, ihr den Wunsch posthum zu erfüllen
„Vom Fischen und von der Liebe“, das Tagebuch aus Irland, wo die Silbermöwen lauter schreien als in der Bretagne: Es ist eine Verschmelzung aller Tagebücher. Es ist Wind und Regen und Ehemann Paul und Liebhaber Kurt und Altwerden und Hässlich-sein-Dürfen.
Wer Groults befreienden Roman „Salz auf unserer Haut“geliebt (benötigt) hat, wird „Vom Fischen und von der Liebe“lesen wollen.
Funken
„Salz auf unserer Haut“: die sexuelle Lust einer Frau. Einer gar nicht mehr jungen Frau. Für den Kopf hat sie ihren Mann, fürs Bett einen anderen. Das war durchaus autobiografisch.
Das Ehepaar führte eine offene Ehe. Groults Lover, der US-Pilot Kurt – im Roman ein französischer Fischer – kam immer wieder auch ins irische Haus an der Küste, da war er schon 70 und älter und sie 60 ...
Auch nach monate-, ja jahrelangen Trennungen funkte es zwischen Benoîte und Kurt immer aufs Neue.
Angeblich hat er nie ein Buch gelesen, in diesem Fall machte das überhaupt nichts aus. Das heißt, Kurt litt, denn er wollte sie heiraten. Es hätte alles zerstört.
Als „Salz auf unserer Haut“1988 erschien und von einer Frau (!) Sexualorgane benannt wurden, tat man in Frankreich entsetzt und beleidigte die Schriftstellerin. „Porno“sei das.
In Deutschland wurden zehnmal so viele Bücher verkauft, das Feuilleton verhielt sich ruhig.
Seltsam, in den Nachrufen auf Benoîte Groult hieß es in Frankreich, eine große Schriftstellerin und Feministin sei tot. In Deutschland blieb sie auf eine „Erotik-Autorin“reduziert.
Über das „Recht der Frauen auf ihren Körper“– was der Erfolg der Emanzipationsbewegung gewesen sei – erzählt Groult auch im irischen Tagebuch. Dokumentiert sind 26 Sommer im Paradies: Die Iren essen selten Krustentiere, die Hummer, Langusten, Seeigel, Felsengarnelen usw. gehörten also den Franzosen.
Benoîte Groult – selbstbestimmt und energiegeladen (während der Ehemann langsam verfiel): Sie schrieb Bücher, war dreifache Mutter, war leidenschaftlich auch beim Fischen im Meer, betreute abwechselnd vier Häuser, nähte Vorhänge, beriet zeitweise Präsident Mitterand … aber glaube niemand, es gehe im Buch immer nur freudig zu.
In Irland wurde man älter und alt. Die Schneidezähne wurden grün. Wieso denn grün? Begrüßt wurde, dass man den Ehemann nicht mehr lieben müsse („das ist erholsam“).
Begrüßt wurde, dass man die Fingernägel nicht ständig lackieren müsse; und erkannt wurde, es sollte halt etwas anderes interessant bleiben, wenn die Schönheit vergeht, wenn die Finger Knoten bekommen – zum Beispiel Witz, zum Beispiel Intelligenz.
Gerade Benoîte Groult hätte es nicht extra betonen müssen, aber (Seite 179):
„Es ist kein Zeichen von Feminismus, der Penetration mit Angst und Abscheu zu begegnen.“