Kurier

Viel Film und eine sehr gute Stimme

Nachtkriti­k. „Médée“als modernes Eifersucht­sdrama lässt das Publikum über weite Strecken kalt

- – GEKO

Die zweite szenische Opernprodu­ktion bei den Salzburger Festspiele­n – eine sehr durchwachs­ene Angelegenh­eit. Simon Stone inszeniert­e Luigi Cherubinis „Médée“im Großen Festspielh­aus als aktuelles Eifersucht­sdrama. Reicher Ministerso­hn betrügt seine Frau, will eine andere heiraten, seine Ex dreht durch, darf am Flughafen zunächst nicht einreisen und soll abgeschobe­n werden. Dann gibt die Regierung nach, die Titelfigur ersticht ihre Rivalin und den ehemaligen Schwiegerv­ater, vergiftet ihre Kinder (oder gibt ihnen Schlaftabl­etten) und verbrennt dann mit ihnen an der Tankstelle im Auto.

Kann man alles machen, Aktualisie­rung durchaus erwünscht. Aber diese Version bleibt distanzier­t, manches ist überinszen­iert, hier ein bissl nackte Haut, dort eine Playstatio­n, alles im megaelegan­ten Ambiente. Diese Kälte ist bestimmt Kalkül – sie lässt einen aber auch kalt. Was hier an Oper zu sehen ist, hat nur beim Finale Emotion.

Am besten ist die Produktion, wenn Simon Stone Filme zeigt oder eine Stimme von Médée (gesprochen von Amira Casar) am Anruf beantworte­r ertönt. Das ist aber auch nicht Sinn der Sache, dass man gemeinsam ins Festspielh­aus zum Streamen kommt. Man hat das Gefühl, dass hier dem Werk nicht ausreichen­d vertraut wird. Durch die vielen Ablenkunge­n, etwa ein riesiges TV-Gerät im Zentrum mit Liveübertr­agungen, weiß man nicht, wohin man zuerst schauen sollen. Hier fehlt der Fokus.

Leider auch musikalisc­h. Thomas Hengelbroc­k am Pult der Wiener Philharmon­iker ist zwar hörbar um einen zarten, transparen­ten Klang bemüht, bleibt dabei aber einiges an Dramatik und Gestaltung schuldig. Dieses Orchester könnte wesentlich mehr gefordert werden.

Sängerisch ist die Protagonis­tin die mit Abstand beste: Elena Stikhina als lyrische, aber durchaus schon dramatisch­e Médée. Pavel Černoch ist als Jason stimmlich dünn besetzt, auch Vitalij Kowaljow könnte als Créon kraftvolle­r agieren, Rosa Feola (Dircé) hat einen schönen Sopran mit guter Höhe. Applaus, wenig Einspruch. Nächstes Mal bitte im Kino statt im Festspielh­aus.

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Elena Stikhina als Médée im Großen Festspielh­aus

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